En Guete mitenand!
Pouletspiessli, Trutenplätzli oder Bratspeck: Was aussieht wie hochwertiges Muskelfleisch, ist manchmal aus einzelnen Stücken zusammengeklebt.<br />
Inhalt
K-Tipp 09/2010
01.05.2010
Letzte Aktualisierung:
04.05.2010
Darko Cetojevic
Das Rezept ist denkbar einfach: Man nehme etwas Spezialpulver namens Transglutaminase, kaltes Wasser, zerstückeltes Fleisch und mische das Ganze. Nach 18 bis 24 Stunden bei einer Lagertemperatur von 3 bis 5 Grad entsteht daraus wieder ein grosses Stück Fleisch. Dieses «rekonstituierte» Fleisch verkaufen Metzgereien dann wieder – zum Beispiel als qualitativ hochwertige Medaillons.
Der Preis gibt keinen Hinweis
Wer die run...
Das Rezept ist denkbar einfach: Man nehme etwas Spezialpulver namens Transglutaminase, kaltes Wasser, zerstückeltes Fleisch und mische das Ganze. Nach 18 bis 24 Stunden bei einer Lagertemperatur von 3 bis 5 Grad entsteht daraus wieder ein grosses Stück Fleisch. Dieses «rekonstituierte» Fleisch verkaufen Metzgereien dann wieder – zum Beispiel als qualitativ hochwertige Medaillons.
Der Preis gibt keinen Hinweis
Wer die runden Plätzli im Regal betrachtet, kommt nicht auf die Idee, dass es sich nicht um natürlich gewachsenes Muskelfleisch handle. Erst der genaue Blick auf die Zutatenliste der «Trutenscheiben à la minute» verrät das Klebefleisch: «Hergestellt mit Transglutaminase» und «rekonstituiert», heisst es dort. Der Preis ist übrigens auch keine Hilfe beim Unterscheiden des Fleischs.
So kosten etwa die «Trutenscheiben à la minute» (M-Classic, Fleisch aus Frankreich) Fr. 27.– pro Kilo. Das nicht rekonstituierte Trutenschnitzel aus EU-Import wird bei Le Shop, dem Online-Shop der Migros, für Fr. 21.55 pro Kilo verkauft. Mit andern Worten: Rekonstituiert kann das Fleisch sogar teurer sein.
Seit wenigen Wochen sind auch Pouletspiessli wie der «Grillbutterspiess» aus rekonstituiertem Fleisch in den Migros-Regalen zu finden. Dazu Migros-Sprecherin Olivia Luginbühl: «Das Pouletspiessli wird mit Pouletschenkel-Fleisch hergestellt. Trutenscheiben rekonstituiert werden aus Trutenbrust hergestellt.»
Ebenfalls «geklebt» ist der Bratspeck der Grossmetzgerei Ernst Sutter AG in Freienbach SZ. Beim sogenannten Bratspeck-Block handelt es sich um «ein Halbfertigfabrikat, das zur Herstellung von Grillprodukten verwendet wird. Der Block besteht aus zwei oder drei ganzen, geräucherten Schweinsbrüsten. Diese werden aufeinandergelegt und mit Transglutaminase verbunden», schreibt Julius Grüter, Leiter Qualitätssicherung bei der Ernst Sutter AG.
Bewilligung: gibts auch für Roastbeef
Mit dem zusammengesetzten Bratspeck werden zwei Grillwurst-Sorten umwickelt – «Zigeuner-Cervelat» und «Bernerli». Die beiden Würste sind gemäss Grüter bei Spar, Migros-Genossenschaft Ostschweiz, Volg, Valora, diversen Detaillisten und Metzgereien im Verkauf. Cervelats gibts ausserdem auch bei Denner, «Bernerli» bei TopCC-Markt.
Zu erkennen sind auch sie an der Bezeichnung «mit Transglutaminase hergestellt», wie vom Bundesamt für Gesundheit vorgeschrieben. Die Ernst Sutter AG hat von diesem Amt auch eine Bewilligung für Roastbeef aus Klebefleisch bekommen. Doch man habe dieses Produkt zwar im Jahre 2007 entwickelt, es aber «nie in Serie produziert und auch nie in Verkehr gebracht», so Grüter.
Das Klebefleisch führte in Deutschland kürzlich zu einem Skandal: Verschiedene Metzgereien hatten rekonstituierten Schinken als teuren Rohschinken verkauft.
Allergisch gegen Transglutaminase
Transglutaminase ist ein Enzym, das auch im menschlichen Körper vorkommt. Es vernetzt Eiweissmoleküle. In der Lebensmittelindustrie wird es eingesetzt, um die Struktur von Esswaren zu verdichten. So lassen sich verschiedene Fleischstücke zu einem einzigen «verkleben».
Das Enzym kann bei Menschen, die Gluten nicht vertragen (Zöliakie), eine «immunologische Überreaktion» auslösen. In der Schweiz ist laut Interessengemeinschaft für Zöliakie etwa jeder Hundertste davon betroffen.