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K-Tipp 1/2002
09.01.2002
Aloe Vera: Unerlaubte Werbung für ein zweifelhaftes «Gesundheitsgetränk»
Aloe Vera wird als Pflanzengetränk «mit heilender Wirkung» angepriesen; das aber ist verboten. Gesundheits-Fachleute warnen auch davor, zu viel von diesem teuren Saft zu konsumieren.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Aus Neugier hatte Inge Gerber aus Brunnen SZ an einer «Präsentationsveranstaltung» der Forever Living Products (FLP) teilgenommen. Diese Firma vertreibt das Getr...
Aloe Vera: Unerlaubte Werbung für ein zweifelhaftes «Gesundheitsgetränk»
Aloe Vera wird als Pflanzengetränk «mit heilender Wirkung» angepriesen; das aber ist verboten. Gesundheits-Fachleute warnen auch davor, zu viel von diesem teuren Saft zu konsumieren.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Aus Neugier hatte Inge Gerber aus Brunnen SZ an einer «Präsentationsveranstaltung» der Forever Living Products (FLP) teilgenommen. Diese Firma vertreibt das Getränk «Stabilized Aloe Vera».
Bei dieser Gelegenheit verteilte eine FLP-Verkäuferin («Distributorin») ein Faltblatt. Darin wird die heilende Wirkung des Saftes aus dem Blattmark der tropischen Aloe-Vera-Pflanze herausgestrichen.
Die bräunliche Flüssigkeit - «ein Geschenk der Natur» - wirke wahre Wunder bei Hepatitis, Asthma und Hautkrankheiten wie Schuppenflechte und Akne. Zudem stärke der Saft das Immunsystem, könne «Arthritis lindern, wenn nicht gar kurieren», und helfen, die natürliche Darmflora wiederherzustellen. Aloe Vera sei «so gut und umfangreich wie eine kleine Hausapotheke», heisst es im Text euphorisch.
Bei der IKS nicht als Heilmittel registriert
Nur: Mit der heilenden Wirkung eines Produkts zu werben ist in der Schweiz ausschliesslich bei offiziell anerkannten Heilmitteln erlaubt. «Stabilized Aloe Vera» aber ist bei der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) nicht als solches registriert.
Max Stalder, Geschäftsführer der FLP Schweiz, will nichts von unlauterer Werbung wissen: «Aloe Vera ist eine Nahrungsergänzung. Es wirkt vitalisierend, nicht heilend. Wir geben an unseren Vorträgen keine solchen Faltblätter ab.» Die betreffende Distributorin spielt den Ball jedoch umgehend zurück: «Ich habe diese Unterlagen von der FLP erhalten.»
Bei der Präsentation von Aloe Vera hatte Inge Gerber aus einem weiteren Grund gestutzt: Die Distributorin der FLP liess ihre Zuhörerschaft nämlich wissen, ein Deziliter pro Tag und mehr sei unproblematisch. Gleichzeitig las Gerber auf der Etikette, man solle das Getränk «nicht unverdünnt einnehmen». Gemäss Gebrauchsanleitung sind denn auch zwei Teelöffel oder 10 Milliliter pro Tag die obere Grenze - und dies erst noch vermischt mit einem Liter Wasser oder Fruchtsaft.
Doch auch für die falschen Einnahmeangaben der Distributorin mag Stalder die Verantwortung nicht übernehmen: «Es gilt nur die Angabe auf der Etikette.»
Stellt sich die Frage, ob noch weitere FLP-Distributorinnen mit illegalen Heilversprechen und falschen Gebrauchsanweisungen Jagd auf Käuferinnen machen.
Stalder wiegelt ab: «Es handelt sich um einen Einzelfall.» Die Distributoren würden «gezielt geschult», wie die FLP-Produkte «richtig zu verkaufen sind. Aber wir können natürlich nicht permanent mehr als 6000 selbständige Verkäuferinnen überwachen.»
«Man muss mit Darm-Problemen rechnen»
Und wie sieht es mit der «vitalisierenden» Wirkung von Aloe Vera aus?
Laut Andreas Lenherr, Apotheker und Fachmann für Naturheilmittel, stärken die Substanzen der Aloe-Vera-Pflanze das Immunsystem. Er rät aber davon ab, den Pflanzensaft über Monate hinweg zu trinken: «Aloe Vera verringert die Darm-Aktivität, weil es abführend wirkt. Man muss mit Darm-Problemen rechnen, wenn man den Saft schliesslich absetzt. »
Beatrix Falch, auf Pflanzenheilkunde spezialisierte Apothekerin, fügt hinzu: «Stärkende und vitalisierende Präparate sollte man nie über längere Zeit einnehmen, sonst verpufft die Wirkung.» Um das zu verhindern, müsse man zwischendurch unbedingt eine Pause einlegen.
Ein «positiveres Lebensgefühl» dank einem «Gesundheitsgetränk» auf natürlicher Basis - diese Botschaft kommt Lenherr bekannt vor: «Auch die Verkäufer von Teebaum-Produkten, Guarana, K'atú, Kombucha und Noni versprechen ein gesteigertes Wohlbefinden.»
Bei der Anpreisung sei zudem typisch, dass irgendein amerikanischer Professor diese Aussagen bestätige, um sie dadurch glaubhafter zu machen.
Bei solchen Lifestyle-Produkten spielt laut Andreas Lenherr auch der Preis eine entscheidende Rolle - ganz nach dem Motto: Je teurer, desto glaubwürdiger. Da passt es ins Bild, dass ein Liter «Stabilized Aloe Vera» satte Fr. 37.50 kostet.