Fingerfarben haben in den letzten Jahren immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt: Seit 2005 veröffentlicht das kantonale Labor Basel-Stadt in regelmässigen Abständen Untersuchungen zu Fingermalfarben. Jedes Mal mussten daraufhin mehrere Produkte vom Markt genommen werden – meist aufgrund zu hoher Schadstoffkonzentrationen. Wer die Sünder waren, wurde den Konsumenten von den Behörden wie üblich verschwiegen.
Farbe schmeckte viel zu wenig bitter
Deshalb hat der K-Tipp jetzt die meistverkauften Fingerfarben auf heikle Inhaltstoffe untersuchen lassen. Die Prüfpunkte: Enthalten die Farben Schadstoffe? Welche Produkte halten die gesetzlichen Grenzwerte nicht ein? Schmecken die Far-ben bitter genug, um Kinder vom Probieren abzuhalten?
Die wichtigsten Resultate: Zwei der Produkte im Test hätten in dieser Form gar nicht verkauft werden dürfen: Die Fingerfarben von Franz Carl Weber und Pelikan überschritten die gesetzlichen Grenzwerte deutlich. Auch die Fingerfarbe «Creations» von Toys’R’Us musste bemängelt werden: Die Farbe schmeckt nicht bitter und würde die Kinder wohl kaum davon abhalten, sich die Finger abzulecken.
Dass es auch anders geht, zeigen drei Produkte: Die Fingerfarben von Klecksi, SES Creative und Mara erhalten alle das Gesamturteil «sehr gut».
Schadstoff zehnmal höher als erlaubt
Alle Produkte wurden anhand der neusten Norm bewertet. Sie regelt den Grenzwert für das schädliche Formaldehyd strenger und schreibt vor, dass ein Produkt nicht mehr als 500 Milligramm pro Kilogramm enthalten darf. In der EU wird diese Regelung bereits in wenigen Monaten rechtskräftig. Die Schweiz wird sie laut Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen erst 2015 übernehmen.
Doch die zwei «ungenügenden» Produkte hätten auch unter dem geltenden Schweizer Recht nicht verkauft werden dürfen. Bedenklich ist insbesondere die hohe Konzentration an Nitrosaminen im Produkt von Franz Carl Weber. Mit 0,5 und 0,2 mg Nitrosodiethanolamin (NDELA) pro Kilogramm enthalten die Farben mehr als zehnmal so viel des Schadstoffs wie das Gesetz erlaubt. Das Problem dabei: NDELA gilt als wahrscheinlich krebserzeugend und wird leicht über die Haut aufgenommen.
Strenge Grenzwerte für Nitrosamine
Punkto Gesundheitsrisiko ist das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung zu folgendem Schluss gekommen: Bereits ab einem Gehalt von 0,05 mg NDELA pro Kilogramm besteht für Kinder ein erhöhtes Krebsrisiko. Der Grenzwert liegt deshalb aktuell bei 0,02 mg pro Kilogramm. Experte Urs Hauri vom kantonalen Laboratorium Basel-Stadt sagt kategorisch: «Diesen krebserzeugenden Stoff kann und soll man in Fingerfarben vermeiden.»
Franz Carl Weber hat auf die Testergebnisse des K-Tipp sofort reagiert und die Fingermalfarben von Wooz’art aus dem Verkauf genommen. Ausserdem, so schreibt das Unternehmen, sei man momentan in Kontakt mit dem kantonalen Labor. Denn man wolle prüfen, ob eine Warenrücknahme oder gar ein öffentlicher Rückruf der Farben gemacht werden müsse.
Einen leicht über dem Grenzwert liegenden Gehalt von NDELA hat das Labor auch in den Farben von Mucki gefunden. Deshalb wurde das Produkt in diesem Kriterium abgewertet. Der Hersteller hält das Testresultat für nicht möglich. Aufgrund der Zusammensetzung sei es ausgeschlossen, dass die Farben NDELA enthielten. Er verweist dabei auf eigene Analysen, bei denen der Stoff nicht nachgewiesen worden war. Das K-Tipp-Labor hält am gemessenen Resultat fest.
Auch die Fingerfarben von Pelikan weisen NDELA auf und überschreiten zudem den Grenzwert beim Formaldehyd massiv. Die Farbe enthält insgesamt 1360 mg Formaldehyd pro Kilogramm. Dieser Wert werde nur selten festgestellt und sei für Fingerfarben extrem hoch, erklärt Urs Hauri.
Formaldehyd kann Allergien auslösen
Problematisch daran ist, dass Formaldehyd bei direktem Hautkontakt Allergien auslösen kann. Zudem kann es die Schleimhäute in Nase und Mund reizen und zu brennenden Augen führen. Längerfristig und in hohen Dosen kann dies das Krebsrisiko ebenfalls erhöhen.
Bei den getesteten Fingerfarben von Pelikan wurde Formaldehyd als Konservierungsstoff eingesetzt. Hinzu kam, dass die Farben auch Bronopol enthielten. Dieser Stoff ist als Formaldehyd-Abspalter bekannt und deshalb in Fingerfarben umstritten.
Pelikan schreibt, dass mit Fingerfarben üblicherweise in kleinen Mengen gemalt werde, weshalb der gemessene Wert keine grosse Gefahr darstelle. Die Rezeptur sei jedoch inzwischen geändert worden. «Es sind nur Fingerfarben betroffen, die vor Oktober 2013 hergestellt worden sind.» Pelikan bekräftigt gegenüber dem K-Tipp, diese Produkte würden auf Anfrage der Kunden kostenlos ausgetauscht.
Die aufgedeckten Mängel sind besonders störend, weil Kinder für Schadstoffe anfälliger sind als Erwachsene. Zum einen, weil Kinder noch längere Zeit leben als Erwachsene und sich in diesem Zeitraum Krebs entwickeln kann. Zum anderen, weil Kinder noch wachsen, was die Entwicklung von Krebs ebenfalls begünstigt. «Deshalb macht es Sinn, dass Spielsachen für Kinder im Bezug auf potenziell krebserregende Stoffe besonders streng reglementiert sind», sagt Michael Arand. Er ist Toxikologe an der Universität Zürich.
Hohe Schadstoffwerte: «Inakzeptabel»
Die zwei «ungenügenden» Produkte würden Kinder bei einmaligem oder sehr seltenem Kontakt zwar nicht unmittelbar gefährden, sagt Arand. Es sei jedoch wichtig, die Schadstoffbelastung bei Kindern so gering wie möglich zu halten und sich an den vorgegebenen Grenzwerten zu orientieren. Die gemessenen Überschreitungen seien deshalb «absolut inakzeptabel», so der Toxikologe.
So stellen Sie Fingerfarben selber her – ohne Schadstoffe
Fingerfarben kann man auch selber fabrizieren. Vorteil: Sie sind frei von Schadstoffen. Nachteil: Man muss diese Farben praktisch sofort verwenden. Immerhin sind sie im Kühlschrank einige wenige Tage haltbar, vorausgesetzt, man lagert sie in einem verschliessbaren Gefäss.
Zutaten:
- Eine halbe Tasse Maisstärke
- Ein Päckchen Gelatine
- Lebensmittelfarben (erhältlich in Drogerien und bei Grossverteilern in der Backwarenabteilung)
Die Maisstärke in einem Topf mit 3 Tassen kaltem Wasser mischen. Sobald sich die Maisstärke aufgelöst hat, die Mischung unter ständigem Rühren bei mittlerer Hitze aufkochen. Rühren, bis die Mischung klar wird. Die Gelatine in einer halben Tasse kaltem Wasser auflösen und in die Maisstärkemischung einrühren. Das Ganze in verschiedene Gläser verteilen und mit der gewünschten Lebensmittelfarbe färben.
So wurde getestet
Das deutsche Prüflabor SGS Institut Fresenius in Taunusstein untersuchte im Auftrag des K-Tipp acht verschiedene Fingerfarben:
- Schwermetalle: Was passiert, wenn Kinder die Fingerfarben ablecken oder verschlucken? Um dies herauszufinden, wurden die Farben in verdünnte Salzsäure eingelegt. Dann prüften die Fachleute, ob und in welchen Mengen die Produkte Schadstoffe abgeben.
- Bitterstoffe: Alle Produkte enthielten laut Deklaration Denatoniumbenzoat. Das ist eine der bittersten Substanzen überhaupt und soll Kinder davon abhalten, die Fingerfarbe abzulecken oder zu essen. Zu Prüfzwecken wurden die Fingerfarben 1:100 in Wasser verdünnt. Sieben Experten beurteilten in einer sensorischen Prüfung, ob die Bitterkeit in dieser Konzentration genügend wahrnehmbar ist.
- Konservierungsstoffe und Farbmittel: Deren Verwendung ist bei Fingerfarben streng reglementiert. Im Test wurden gezielt Stoffe untersucht, die als kritisch gelten wie beispielsweise Formaldehyd. Geprüft wurde schliesslich, ob die Grenzwerte eingehalten wurden.
- Weitere Schadstoffe: Das Labor untersuchte zudem, ob die Fingermalfarben auch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) enthalten. Diese gelten als krebserzeugend. Sie wurden in keinem der getesteten Produkte gefunden. Ebenfalls als problematisch gelten Nitrosamine wie NDELA und primäre aromatische Amine. Alle Produkte waren frei von primären aromatischen Aminen.