André Kistler ist Gründer und Chefstratege der Vermögensverwaltungsfirma Albin Kistler AG in Zürich. Die Zeitung «Finanz und Wirtschaft» zitierte ihn im April 2015 mit dem Satz: «Aktien von grosser Qualität sind langfristig, das heisst mindestens über zehn Jahre, nicht nur die rentabelste, sondern auch die sicherste Anlageform.»
In der gleichen Zeitung meldetet sich im November 2015 Joachim Voth zu Wort. Er ist Professor für Finanzmärkte an der Universität Zürich und warnt: Dass sich Aktien langfristig immer lohnten, sei «der wichtigste und gefährlichste Mythos», den Banken und Anlageberater in Umlauf bringen. Und: «Die Faustregel, dass langfristig Aktien immer goldrichtig sind, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit falsch und sogar gefährlich.»
Aktien seit 1900: Keine Anlageperiode von 30 Jahren ohne Rendite
Voths Hauptargument: Viele Studien, die in der Vergangenheit langfristig meist positive Aktienrenditen aufzeigten, basieren auf den Daten des US-Marktes – und der ist in der Tat gut gelaufen. Doch für andere Märkte gebe es rückblickend keine vollständigen Zahlenreihen, und das verfälsche das Bild. So seien «Katastrophenperioden» ausser Acht gelassen, etwa in Deutschland, Russland oder Japan.
Wer hat Recht? Dass die Resultate von früher keine Garantie für die Zukunft darstellen, ist unbestritten. Dennoch gilt: Wer über Jahre ein Vermögen aufbauen will, kommt um Aktien nicht herum.
K-Geld präsentiert auf dieser Doppelseite Renditezahlen, die dem Aktiensparer Raum für Hoffnung lassen – falls er sein Aktiendepot schrittweise aufbauen und sich dafür Zeit lassen kann. Die Tabelle zeigt insgesamt 86 Zeitperioden von jeweils 30 Jahren. Zum Beispiel die 30-Jahresperiode von 1942 bis 1971. Wer in diesen 30 Jahren jährlich 5000 Franken in ein weltweit gestreutes Aktienportfolio investierte, hatte Ende 1971 564323 Franken auf der hohen Kante. Gegenüber dem Investment von total 150000 Franken war das ein Zuwachs um 414323 Franken bzw. um 276 Prozent.
Aus der Tabelle ist auch ersichtlich: Seit 1900 gab es nie eine 30-Jahresperiode mit einem negativen Resultat. Am schlechtesten verlief die Periode von 1950 bis 1979 mit einem mickrigen Zuwachs von nur gerade 5318 Franken (4 Prozent).
Für Aktiensparer heisst das:
Wer ein Aktiendepot schrittweise mit regelmässigen Einzahlungen speist, wird nach 30 Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit ein positives Resultat erzielt haben.
Allerdings kommen auch Glück und Pech ins Spiel. Entscheidend ist nämlich der Einstiegszeitpunkt. Die Tabelle zeigt eindrücklich, dass die verschiedenen 30-Jahresperioden renditemässig sehr unterschiedlich ausgefallen sind. Das wird auch in Zukunft nicht anders sein.
Genauso wichtig wie der schrittweise Aufbau ist der gestaffelte Abbau des Aktienvermögens. Das heisst: Wer beispielsweise 30 Jahre lang im Hinblick auf die Pensionierung investiert hat, sollte das Aktiendepot im Rentenalter 64 (Frauen) bzw. 65 (Männer) nicht schlagartig verkaufen, sondern jedes Jahr nur eine gewisse Summe entnehmen – bis das Vermögen aufgebraucht ist.
Dieser gestaffelte Ausstieg könnte noch einen weiteren Vorteil bringen: Falls die abgeschlossene 30-jährige Ansparphase renditemässig kein Knüller war, rentieren die Aktien in der Abbauphase wahrscheinlich besser – und diese Renditen kommen dem Rentnerguthaben weiterhin zugut.
Dabei gilt es aber immer, Ruhe zu bewahren, wenn negative Märkte in einzelnen Jahren Löcher ins Depot reissen (was jederzeit passieren kann). Panikartig Aktien zu verkaufen, wäre dann falsch.
Wichtig ist auch, die Kosten im Auge zu behalten. Zu hohe Kauf-, Verwaltungs- und Depotgebühren können die Rendite empfindlich schmälern.
Auf Seite 22 sind renditestarke ETFs der Kategorie «Aktien Welt» aufgeführt, die für einen systematischen Aufbau geeignet sein können.
Noch ein paar Details zu den Zahlen in der Tabelle:
Die Daten für ein globales Aktienportfolio wurden von der Firma BWM AG in Wilen b. Wollerau SZ aufgearbeitet. Sie managt selber Aktienfonds (K-Geld 2/ 2015).
Die Zahlen sind inflationsbereinigt, also an die jeweilige Kaufkraft angepasst und deshalb real, nicht nominal.
Die einzelnen Endresultate enthalten auch eine Dividendenrendite von 2 Prozent.
Von der Rendite abgezogen wurden Kaufgebühr (1%), Depotgebühr (0,2%), Einkommenssteuer auf Dividenden (25%) sowie Vermögenssteuer (0,23%)