Diese weit verbreitete Faustregel ist immer wieder zu hören: Die Hypothek aufs Eigenheim sollte mindestens so hoch sein, dass die Schuldzinsen den Eigenmietwert im Minimum neutralisieren – sonst steigen die Steuern. Der Eigenmietwert ist ein vom Steueramt festgelegter Betrag, den Eigenheimbesitzer als fiktives Einkommen versteuern müssen.
Wer diese Faustregel unbesehen befolgt, liegt in der gegenwärtigen Tiefzinsphase häufig falsch. Beispiel: Lastet auf einer Liegenschaft mit einem Verkehrswert von 1 Million Franken eine Hypothek von 700 000 Franken und beträgt der Netto-Eigenmietwert 20 000 Franken, so müsste der Hypozins mindestens 2,86 Prozent betragen, damit die Zinskosten 20 000 Franken pro Jahr erreichen.
Beträgt die Hypothek im gleichen Fall nur 500 000 Franken, müsste der Hypozins gar bei 4 Prozent liegen, damit pro Jahr Zinskosten von 20 000 Franken anfallen.
Glücklicherweise ist der Hypozins heute häufig viel tiefer, das Geld also billig. Dennoch könnte eine Teilreduktion der Hypothek vorteilhaft sein. Es gibt allerdings auch die gegenteilige Überlegung: Wer gespartes und frei verfügbares Geld nicht zur Abzahlung der Hypothek verwendet, sondern in Wertschriften anlegt, profitiert so unter dem Strich mehr.
Bei tiefer Anlagerendite kann sich eine Teilrückzahlung lohnen
K-Geld hat nachgerechnet. Ergebnis: Kann man mit dem Ersparten eine Nettorendite erwirtschaften, die höher ist als die Hypothekarbelastung, sollte man das Geld anlegen. Umgekehrt lohnt sich eine Teilrückzahlung der Hypothek.
Die Tabelle belegt das. Im Rechenbeispiel hat ein Hausbesitzer 400 000 Franken zur freien Verfügung. Reduziert er damit die Hypothek, die hier 2 Prozent kostet, so erzielt er eine Ersparnis von 5840 Franken pro Jahr (netto nach Steuern). Legt er stattdessen dieses Geld an und erzielt damit einen (steuerbaren) Zinsertrag von 1 Prozent, verdient er so netto nach Steuern nur 2920 Franken. Das ist also das schlechtere Geschäft – die Teilabzahlung der Hypothek bringt 2920 Franken mehr.
Holt der gleiche Hauseigentümer aus den verfügbaren 400 000 Franken 2 Prozent Ertrag heraus (gleich viel wie der Hypozins), kommt es finanziell auf das Gleiche hinaus wie bei der Abzahlung. Die Anlage des Geldes lohnt sich in diesem Rechenbeispiel gegenüber der Hypo-Teilabzahlung, wenn die Anlagerendite über dem Hypozins von 2 Prozent liegt. Bei einer Anlagerendite von (angenommenen) 3 Prozent zum Beispiel springt ein Nettoertrag von 8760 Franken raus. Dann ist die Teilabzahlung die um 2920 Franken schlechtere Variante.
Diese 3 Prozent Anlagerendite basieren im Rechenbeispiel auf Dividenden von Aktien, die wie Zinserträge voll der Einkommenssteuer unterliegen. Drei Anlageprozente sind im heutigen Tiefzinsumfeld fast nur mit Aktien zu erreichen. Und wer das wagt, setzt sich den entsprechenden Kursrisiken aus. Jüngere Leute haben einen längeren Anlagehorizont und kommen so eher auf eine jährliche Durchschnittsrendite von 3 Prozent.
Fazit: Wer als Alternative zur Abzahlung der Hypothek nur gerade das Sparbuch oder Kassenobligationen ins Auge fassen kann und will, kommt heute kaum auf einen Ertrag, der höher ist als der Zins der Hypothek. Die Teilabzahlung der Hypothek mit frei verfügbarem Geld ist dann vorteilhafter.
Vollständige Hypo-Amortisation ist riskant
Vom Grundsatz her bleibt die Musterrechnung bei anderen Beträgen gleich. Würde die Rechnung zum Beispiel mit einer verfügbaren Summe von 200 000 Franken erstellt – das Resultat wäre im Verhältnis vergleichbar. Dasselbe gilt, wenn man ein höheres Einkommen und einen entsprechend höheren Grenzsteuersatz annimmt. Dies zeigt die Tabelle in den zwei untersten Zeilen (grün markiert «Zum Vergleich»). Der Grund liegt vor allem darin, dass der Eigenmietwert immer gleich hoch bleibt. Dieser Wert spielt deshalb bei der Frage, ob eine Hypothek amortisiert werden soll oder nicht, keine Rolle.
Im Rechenbeispiel ist von einer Teilreduktion der Hypothek die Rede. Wie hoch die (Rest-)Hypothek nach der Teilrückzahlung noch ist, spielt für die grundsätzlichen Überlegungen ebenfalls keine Rolle.
Zum Thema Abzahlung der Hypothek sind folgende Punkte noch eine Überlegung wert:
- Oft ist eine vorzeitige Amortisation der Hypothek sinnvoll, weil die Bank bei Erreichen des AHV-Alters allenfalls auf eine Reduktion der Belastung drängen würde.
- Es ist riskant, eine Hypothek zu stark oder gar auf Null zu amortisieren. Denn das verringert die flüssigen Mittel. Bei einer Amortisation verschiebt sich das Vermögen in die Liegenschaft und steht nicht mehr zur freien Verfügung. Das kann vor allem im Alter zu Liquiditätsengpässen führen – wenn beispielsweise zu wenig Geld da ist für eine dringende Hausrenovierung, für einen Autokauf oder für einen Erbvorbezug der Kinder. Zahlen Sie also nur ab, wenn Sie auf dieses Geld langfristig verzichten können.
- Wer im Alter die Hypothek wieder erhöhen möchte, um so wieder zu Flüssigem zu kommen, hat bei der Bank vielleicht Pech, weil die Banken bei der Hypothekenvergabe an Senioren generell streng sind.
- Wer eine frei verfügbare Summe von beispielsweise 200 000 Franken flüssig hält, hat damit 25 Jahre lang pro Jahr ein Zusatz-«Einkommen» von 8000 Franken zur Verfügung (ohne Zins gerechnet). Bei einer Reduktion der Hypothek hingegen ist das Geld «einbetoniert». Umgekehrt freuen sich natürlich die Erben, wenn sie dereinst eine weniger belastete Liegenschaft erhalten.
Service: Neuer Rechner
K-Geld hat auf seiner Website den Hypotheken-Rechner «Lohnt sich eine Amortisation?» aufgeschaltet. Sie finden ihn unter www.kgeld.ch /Service/Rechner.