Der Ökonom und ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm pflegt Klartext zu reden, wenn er auf einen Missstand im Sozialversicherungssystem stösst: «Ist den Arbeitgebern und Versicherten bewusst, dass über 4 Milliarden Franken pro Jahr aus der 2. Säule als Vermögensverwaltungs- und Verwaltungskosten versickern?», fragte Strahm kürzlich an einer Tagung des Vereins PK-Netz 2. Säule, dem wichtigsten Netzwerk der Angestellten mit Pensionskasse.
Konkret betrugen laut Strahm die Vermögensverwaltungskosten der zirka 2000 Schweizer Pensionskassen im Jahr 2013 rund 3,3 Milliarden Franken. Diese Summe ging an Vermögensverwalter, Berater, Banken, Anlage- und Hedgefonds. Hinzu kamen fast 900 Millionen Franken an allgemeinen Verwaltungskosten. Unter dem Strich flossen laut Strahm vor drei Jahren rund 4,2 Milliarden Franken an Vorsorgevermögen aus der 2. Säule ab. Finanzberater schätzen die tatsächlichen Vermögensverwaltungskosten sogar noch 20 bis 80 Prozent höher ein als heute offiziell ausgewiesen. Sie kritisieren die mangelnde Transparenz der Kassen bei diesen Kosten («Saldo» 2/2015).
Ärger über angebliche Quersubventionierung
4,2 Milliarden – das ist sehr viel Geld. Der Betrag entspricht ungefähr einem Siebtel dessen, was die Pensionskassen 2013 gesamthaft an Renten und Kapital auszahlten. «Nahezu jeder siebte Renten- und Kapitalleistungsfranken ‹versickert› also in der Kostenfalle», so Strahm.
Ihn ärgert zudem, dass die Branche «fast täglich» über den angeblichen Rentenklau der Alten an den Jungen lamentiert und auf eine Senkung des gesetzlichen Umwandlungssatzes drängt. Der Satz bestimmt die Höhe der Rente, die Pensionierte auf der Basis ihres Alterskapitals erhalten. Schon vor gut sechs Jahren stand eine Senkung des Umwandlungssatzes und damit eine Kürzung der Pensionskassenrenten zur Debatte. Das Vorhaben scheiterte in der Volksabstimmung kläglich.
Die Pensionskassenbranche hatte auch damals argumentiert, das Altersguthaben der Rentner reiche wegen gestiegener Lebenserwartung und künftig wohl tieferer Anlagenerträge nicht mehr aus, um die Rentenkosten zu decken. Beziffert wurde das angebliche Rentenloch auf 600 Millionen Franken pro Jahr. Inzwischen ist gar von 1,5 Milliarden Franken die Rede. Selbst wenn das nicht nur branchengesteuerte Angstmacherei wäre: Die jährlichen Kosten der Pensionskassen für Vermögensverwaltung und Verwaltung sind fast dreimal so hoch – da gibt es erhebliches Sparpotenzial.
Bereits im Vorfeld der Abstimmung im Jahr 2010 sagte der einstige Chef des Bundesamts für Sozialversicherungen, Otto Piller: «Die Kosten der Pensionskassen liessen sich problemlos so weit senken, dass das kolportierte Rentenloch finanziert wäre.» Ähnlich sieht das heute Rudolf Strahm: «Das Quersubventionierungsproblem relativiert sich doch sehr, wenn man sich die riesigen Vermögensverwaltungs- und Verwaltungskosten der Kassen vor Augen führt.»
Das gilt auch, wenn man einen vergleichenden Blick auf den norwegischen Staatsfonds wirft. In diesen Fonds fliessen seit Mitte der 1990er-Jahre die staatlichen Einnahmen Norwegens aus der Öl- und Gasförderung. Das Geld soll – gut investiert – künftigen Generationen Wohlstand und Renten erhalten. Und zwar auch dann, wenn Gas- und Ölquellen einmal versiegt sein werden. Verwaltet wird der Fonds von der norwegischen Zentralbank. Er ist zu rund 60 Prozent in Aktien, zu 37 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren und zu 3 Prozent in Immobilien investiert.
Mehr Rendite, weniger Kosten in Norwegen
Mit umgerechnet gut 800 Milliarden Franken verfügt der Staatsfonds aktuell über ähnlich viel Vermögen wie die Schweizer Pensionskassen. In den letzten fünf Jahren erwirtschaftete er eine Nettorendite von durchschnittlich 5,2 Prozent. Im Jahr 2013 waren es über 15 Prozent. Die Verwaltungskosten betrugen im gleichen Jahr 420 Millionen Franken – also ein Zehntel dessen, was die schweizerischen Pensionskassen ausgaben, um eine Nettorendite von 6,3 Prozent zu erzielen. Das zeigt: Die zersplitter-te Struktur des hiesigen Pensionskassenwesens hat ihren Preis. Und der ist hoch. Gery Schwager
Hohe Kosten garantieren keine Top-Rendite
Die gegenwärtig sehr tiefen Zinsen erschweren es auch den Pensionskassen, gute Anlagenrenditen zu erzielen. Viele prüfen deshalb, ihre Investitionen in Aktien und Immobilien zu erhöhen – oder auch stärker auf sogenannte alternative Anlagen wie Hedgefonds und Investitionen zum Aufbau junger Firmen (Private Equity) zu setzen. Diese sind zwar riskanter und verursachen deutlich höhere Kosten als etwa Anlagen in indexnahe Produkte. Sie versprechen aber potenziell bessere Renditen.
Allerdings: Eine teure Vermögensverwaltung ist kein Garant für eine Top-Rendite. Das wies Anfang Jahr eine Stichprobe von «K-Geld» nach. Die Pensionskasse der Stadt Zürich zum Beispiel erzielte demnach im Jahr 2014 bei vergleichsweise hohen Vermögensverwaltungskosten von 1,06 Prozent eine Nettorendite von 7,1 Prozent – während es die Pensionskasse Basel-Stadt bei Vermögensverwaltungskosten von nur 0,17 Prozent auf eine Nettorendite von 7,5 Prozent schaffte.
Für Ökonom Rudolf Strahm ist klar: «Riskante Hedgefonds-Anlagen mögen für eine kurze Zeit rentabel sein. Aber für Pensionskassenvermögen, die im Durchschnitt für 20 Jahre angelegt werden, taugen sie nichts.»
Strahm rät den Kassen, auf kostentreibende alternative Anlagen zu verzichten und besser zum Beispiel Neuanlagen in Mietwohnungs-Liegenschaften zu tätigen: «Denn diese können immerhin eine Performance von 4 bis 5 Prozent über 20 Jahre hinweg ausweisen.»