Kunden sind keine Könige
Lange Wartezeiten, falsche Ansprechpartner, unbrauchbare Auskünfte: Um den Kundenservice stehts schlecht. Doch kaum jemand reklamiert.
Inhalt
K-Tipp 19/2003
12.11.2003
Gery Schwager - gschwager@ktipp.ch
Der Kunde ist König - schön wärs. Schon ein Blick in die letzten K-Tipp-Ausgaben zeigt ein ganz anderes Bild: Unzufriedene Kunden noch und noch - zum Beispiel wegen der Krankenkasse CSS (respektloser Umgang), dem Zürcher Triemli-Spital (volle Rechnung für abgesagte Operation), der Cablecom (Zahlen für ungefragtes Serviceabo), den SBB (zu teure Tickets), der Kreditkarten-Herausgeberin Viseca (unbeantwortete Reklamationen) und der Bluewin-Hotline (zahlen in der Warteschlaufe).
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Der Kunde ist König - schön wärs. Schon ein Blick in die letzten K-Tipp-Ausgaben zeigt ein ganz anderes Bild: Unzufriedene Kunden noch und noch - zum Beispiel wegen der Krankenkasse CSS (respektloser Umgang), dem Zürcher Triemli-Spital (volle Rechnung für abgesagte Operation), der Cablecom (Zahlen für ungefragtes Serviceabo), den SBB (zu teure Tickets), der Kreditkarten-Herausgeberin Viseca (unbeantwortete Reklamationen) und der Bluewin-Hotline (zahlen in der Warteschlaufe).
Solche Erlebnisse sind frustrierend. Sie sorgen für böses Blut - und sind keine Einzelfälle. Jörg Hilber weiss das. Er ist Präsident des Vereins «Service Ship». Dessen Ziel: die «Servicewüste Schweiz» begrünen. Hilber ist auch Leiter der Kundenzufriedenheitsforschung beim Link Institut für Markt- und Sozialforschung. Er hat rund 50 Studien analysiert, die über die Servicequalität von Schweizer Dienstleistungsunternehmen wie Banken, Versicherungen, Tourismusfirmen und Verkehrsbetriebe Auskunft geben.
Das Resultat: Branchen-übergreifend sind mindestens 20 Prozent aller Kunden in den letzten 12 Monaten Opfer eines zum Teil gravierenden Servicefehlers geworden. «Punkto Servicekultur ist die Schweiz absolut kein Paradies mehr», wie Hilber es formuliert. «Das ist bedenklich, denn unser Land lebt zur Hauptsache vom Dienstleistungssektor.»
Nur einer von zehn Kunden wehrt sich
Der Luzerner Forscher hat eine Rangliste der Servicesünden zusammengestellt. Sie verweist die noch immer weit verbreitete Meinung, die Schweiz sei auch in Sachen Dienstleistungsqualität «etwas Besonderes», ins Reich der Märchen.
- Servicesünde 1: Schwerfällige Administration. Auf sie entfallen gegen 30 Prozent aller Servicefehler. Hilber macht ein typisches Beispiel: «Der Kunde hat eine Rechnung erhalten, zu der er eine Erklärung wünscht. Er wendet sich an die Firma, wird von einer Stelle zur nächsten weiterverbunden und immer wieder vertröstet. Niemand fühlt sich zuständig, niemand weiss, wer zuständig wäre, und entsprechend erteilt auch niemand die gewünschte Auskunft.»
- Servicesünde 2: Mangelhafte Kommunikation. Auf ihr Konto geht jede fünfte Servicesünde. Der Kunde versteht nicht, was ihm mitgeteilt wird. Oder er erhält eine andere Information als die, nach der er eigentlich sucht.
- Servicesünde 3: Lange Wartezeiten. Speziell bei Hotlines und in Läden müssen sich Kunden oft in Geduld üben. Die Wartezeiten sind zwar meist kürzer, als man sie empfindet. Der Ärger ist deswegen aber nicht kleiner.
- Servicesünde 4: Technische Probleme. Der Kunde erwirbt ein Produkt, das nicht so funktioniert, wie er es erwartet - zum Beispiel eine Kaffeemaschine, deren Espresso nicht schmeckt, oder eine Versicherung, die sich als überflüssig erweist.
Besonders gravierend wird es laut Hilber, «wenn sich der Kunde mit seinem Anliegen oder - noch schlimmer - als Mensch nicht ernst genommen fühlt». Er müsse dazu nicht unfreundlich oder herablassend behandelt werden. «Es reicht bereits, wenn er auf Gleichgültigkeit stösst.»
Trotz allem hält sich die Zahl der Beschwerden an die Adresse der Dienstleistungsunternehmen in Grenzen: Nur gerade 10 Prozent der verärgerten Kunden reklamieren, hat Hilber ermittelt.
90 Prozent hingegen lassen das bleiben. Einige haben Mühe, eine Beschwerde zu formulieren. Anderen ist es schlicht zu aufwändig. «Vor allem aber glauben inzwischen sehr viele Leute, eine Reklamation nütze sowieso nichts», so Hilber. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass sich Kundendienst und Umgang mit Beschwerden bei manchen Unternehmen in den letzten Jahren markant verschlechtert haben.
Doch auch wenn neun von zehn verärgerten Kunden nicht reklamieren: Nur die Faust im Sack machen sie nicht. «Vielmehr lassen sie Dampf ab, indem sie anderen von ihrem Frusterlebnis erzählen - und zwar jeweils etwa fünf bis zehn Bekannten», weiss Hilber. «Negative Ereignisse haben eben einen wesentlich stärkeren Multiplikatoreffekt als positive Erlebnisse.»
Das müsste der Schweizer Dienstleistungsbranche eigentlich zu denken geben.
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