Die Autoschlüsseltechnik heisst «Keyless Go». Auf den ersten Blick eine praktische Sache: Die Autofahrer müssen den Schlüssel nicht mehr aus der Tasche ziehen und draufdrücken, um den Wagen zu öffnen. Grund: Das Keyless-Go-System sendet ständig Funksignale aus. Sobald die Besitzer vor ihrem Auto stehen und der Schlüssel in der Hosentasche die Signale des Schlosses empfängt, können sie die Türe öffnen. Einmal im Auto, genügt ein Druck auf den Startknopf, schon läuft der Motor.
Doch diese Technologie macht es auch Dieben leicht. Im deutschen Bundesland Hessen schlugen sie reihenweise zu. Allein im ersten Halbjahr 2015 verschwanden dort 40 meist sehr teure Autos. Die Diebe erregten keinerlei Aufsehen und hinterliessen auch keine Spuren. Betroffen waren nur Autos mit dem Keyless-Go-System.
Öffnungssignal wird weitergeleitet
Dieter Hildmann, Experte für Autodelikte bei der hessischen Polizei, weiss, wie die Diebe vorgehen: Sie bringen ein Funkgerät in die Nähe eines entsprechenden Autoschlüssels. Sobald der Komplize mit dem zweiten Funkgerät vor dem richtigen Auto steht, werden die Keyless-Go-Signale übertragen. Der Dieb kann das Auto öffnen und mit ihm abfahren.
Der K-Tipp hat dies mit dem Kriminologen und Sicherheitsexperten Udo Hagemann aus Berlin überprüft. Hagemann entwickelte ein System, das Autos mit Funkschlüssel in Sekundenschnelle öffnet.
Bei seiner Ankunft am Flughafen Kloten demonstriert Hagemann dies gleich im Parkhaus. Innert Sekunden knackt er dort einen neuen VW Passat – natürlich mit Einwilligung des Besitzers. Als Hagemann das Auto startet und losfährt, schüttelt der Besitzer des Mittelklassewagens ungläubig den Kopf: «Das ging aber schnell.»
Für Hagemann ist klar: «Alle Keyless-Go-Systeme sind unsicher. Die Autohersteller bauen sie trotzdem in Modelle aller Marken und Preisklassen ein.» Tatsächlich: Weder ein Renault Laguna GT noch ein Hyundai Santa Fe oder ein BMW X3 sind für Hagemann ein Problem. Weitere Beweise liefert er im Autocenter Gfenn in Dübendorf ZH. Dort stehen viele Occasionswagen. Auch sie knackt er alle – egal ob ein Nissan GT-R, ein Jaguar XK oder der Infiniti FX50 S.
Die Autohersteller wiegeln ab
Der K-Tipp hat die Hersteller gefragt, warum sie unsichere Schlüssel verkaufen. Die meisten wiegelten ab, andere antworteten nicht. VW schreibt: «Unsere Schliess- und Öffnungssysteme sind im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen geprüft und abgenommen worden.» Und: «Wir arbeiten ständig an Verbesserungen der Sicherheitssysteme.»
Hagemann entgegnet: «Wir haben alle Hersteller auf die Sicherheitslücke aufmerksam gemacht und ihnen auch eine Lösung vorgeschlagen, die in der Serienproduktion keine Mehrkosten verursachen würde. Doch die Autoindustrie hat daran offenbar kein Interesse.»
Dass es auch anders geht, zeigt Mercedes: Bei den neuen Modellen wurde der Funkschlüssel abgesichert. Drückt man zweimal auf den Schlüsselknopf, wird Keyless Go ausgeschaltet.
So kann man sein Auto schützen
- Laut Experte Hagemann kann man bei jedem Garagisten die Keyless-Go-Funktion des Autoschlüssels deaktivieren lassen. Das Auto öffnet sich dann nicht mehr automatisch, sondern nur noch per Druck auf den Schlüsselknopf.
- Im Handel gibt es spezielle Schlüsseletuis, die Signale abschirmen sollen. Laut Hagemann klappt dies in den meisten Fällen nicht. Sein Tipp: Man kann den Schlüssel bei Bedarf in ein Metallkästchen legen. Dies schirmt die Wellen ab und verhindert, dass Diebe die Funksignale verlängern können.
Stichprobe: Diese Autos liessen sich knacken
Während der zweitägigen K-Tipp-Stichprobe knackte und startete der Sicherheitsexperte Udo Hagemann von der Berliner Firma Bundpol diese Automodelle: BMW X3, BMW 530 GT, Hyundai Santa Fe, Infiniti G37S und Infiniti FX50 S, Jaguar XF und XK, Nissan GT-R und Nissan 370Z, Renault Laguna GT und Volkswagen Passat.
Hagemann simulierte beim Test das Vorgehen der Autodiebe (siehe Grafik): Er stellte mit zwei Funkgeräten eine Verbindung zwischen Originalschlüssel und Autoschloss her. Das erste Funkgerät muss sich in 2 bis 3 Meter Nähe zum Autoschlüssel befinden. In der Praxis genügt es also zum Beispiel, wenn sich der eine Dieb hinter dem Autobesitzer in einer Warteschlange befindet. Der Komplize steht mit dem zweiten Funkgerät neben dem Auto. Die Signale werden so überbrückt.
Der Wagen kann jetzt geöffnet und gestartet werden. Die Entfernung zwischen den beiden Funkgeräten kann bis zu 400 Meter betragen. Einmal gestartet, lässt sich das Auto auch ohne Schlüssel fahren.