Viele Alzheimerpatienten erhalten einen wahren Medikamenten-Cocktail. Ärzte verschreiben manchmal sogar zwei verschiedene Präparate gegen die gleichen Symptome – Gedächtnisverlust und Verwirrtheit. Mediziner nennen dies eine «Kombinationstherapie». Sie besteht aus einem Cholinesterase-Hemmer und einem Medikament mit dem Wirkstoff Memantin. Die Medikamente sollen nicht nur die Symptome lindern, sondern auch die Krankheit verzögern (siehe Tabelle im PDF).
Das unabhängige Expertengremium Swiss Medical Board kritisiert Kombinationstherapien. Die Auswertung der wichtigsten Studien zeige, dass sie mehr schaden als nützen. Zwar könnten sie kurzfristig die Hirnleistung verbessern, gleichzeitig hätten sie aber schwere Nebenwirkungen. Und der Eintritt ins Pflegeheim lasse sich mit diesen Therapien nicht aufschieben.
Auch einzeln verabreicht sind die Mittel umstritten. Studien zeigen, dass Cholinesterase-Hemmer zu vermehrten Todesfällen führen. Zudem haben Alzheimerpillen oft Nebenwirkungen wie Psychosen, Unruhe, Angst und Schlafprobleme. Cornelia Stolze, Autorin des Buches «Vergiss Alzheimer!», sagt: «Solche Beschwerden deuten Ärzte leicht als Anzeichen für eine fortschreitende Demenz. Dabei haben die Medikamente die Beschwerden erst ausgelöst.»
Vor einem Jahr empfahl die französische Gesundheitsbehörde Haute Autorité de Santé, die Krankenkassen sollten keine Cholinesterase-Hemmer mehr vergüten. Der Nutzen sei nicht belegt. Bei Memantin sei es ähnlich, schrieb das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.
Oft bekommen Patienten auch Mittel gegen Psychosen oder Schizophrenie, sogenannte Neuroleptika. Stolze kritisiert: «Es ist zynisch, Demenzpatienten mit Neuroleptika ruhigzustellen.» Diese Medikamente haben schwere Nebenwirkungen. Sie erhöhen unter anderem das Schlaganfallrisiko.
Jeder zweite Demenzpatient ist depressiv
Einige Alzheimerpatienten erhalten auch Medikamente gegen Depressionen verabreicht. Laut Egemen Savaskan, Chefarzt an der Psychiatrischen Uniklinik Zürich, ist jeder zweite Demenzpatient depressiv. Antidepressiva kommen für Savaskan nur in Frage, wenn Behandlungen ohne Medikamente, etwa eine Psychotherapie, nichts nützen. Auch starke Schlafmittel dürfe man nur in Extremfällen und während kurzer Zeit einnehmen. Sie könnten ein Delirium – also einen Verwirrtheitszustand – auslösen und abhängig machen. Auch Naturheilmittel mit Ginkgo helfen gegen Alzheimerdemenz wenig: Die Zeitschrift «Arznei-Telegramm» rät davon ab.
Fachleute empfehlen deshalb Therapien ohne Medikamente wie Gedächtnistraining, Musik- oder Ergotherapie. Diese könnten den Abbau der geistigen Fähigkeiten verlangsamen, sagt Ansgar Felbecker, Neurologe am Kantonsspital St. Gallen: «Damit kann man oft mehr bewirken als mit Medikamenten.»
Merz Pharma, die Herstellerin des Demenzmedikamentes Axura (mit dem Wirkstoff Memantin), schreibt, neue Studien hätten belegt, dass sich die Merk- und Erinnerungsfähigkeit der Alzheimerpatienten weniger verschlechtere, wenn sie das Mittel einnehmen.
Schwabe Pharma erklärt, in der Fachinformation stehe, dass ihre Ginkgo-Präparate gegen Vergesslichkeit und Konzentrationsprobleme helfen, nicht aber gegen die Alzheimerdemenz.
Buchtipp
Viele Informationen zu Alzheimermedikamenten enthält das Buch «Vergiss Alzheimer!» von Cornelia Stolze (Kiepenheuer & Witsch Verlag, ca. Fr. 29.–).