Der Vertrag datiert vom 6. Juni 2014. An diesem Tag unterzeichnete eine Frau aus dem Entlebuch ein Finanzmandat beim Finanzberater Rafael Ottiger aus Wilihof LU. Die Dienstleistungen des Beraters seien kostenlos, steht im Vertrag. Im Gegenzug verzichtet die Kundin auf «Entschädigungen», die «im Rahmen dieses Vertrags» an den Berater ausgerichtet werden.
Was mit «Entschädigungen» gemeint war, zeigte sich sofort. Noch am gleichen Tag vermittelte Ottiger seine Kundin an die Zugerberg Finanz in Zug, die in der Folge das Geld der Frau verwaltete. Für diese Vermittlung kassierte der Berater einmalig 3 Prozent der investierten Summe. Die Kundin investierte 130000 Franken, und Ottiger erhielt dafür von der Zugerberg Finanz 3900 Franken ausbezahlt.
Vermittler kassierte hohe Provision, Kundin machte Verlust
Das war noch nicht alles. Zusätzlich erhält der Vermittler jedes Jahr 0,5 Prozent des investierten Geldes als «Bestandespflegekommission». Für das Jahr 2015 zum Beispiel waren das rund 650 Franken – fürs Nichtstun.
Diese Vergütungen und Kommissionen, die von der Zugerberg Finanz an den Berater gingen, fordert die Frau nun von ihm zurück. Mit gutem Grund: Sie hat zwar als Auftraggeberin formell per Unterschrift auf solche Entschädigungen verzichtet. Doch ein solcher Verzicht ist nur rechtsgültig, wenn die ungefähre Höhe der Vergütungen im Vertrag benannt wird. Denn dieses Geld gehört nach Gesetz den Auftraggebern. Sie müssen also genau wissen, worauf sie verzichten. Das war hier nicht der Fall. Deshalb ist der Verzicht ungültig, und die Kundin hat Anspruch auf die an ihren Auftragnehmer Rafael Ottiger geflossenen Vergütungen (oft Kickbacks oder Retrozessionen genannt).
Ottiger bestreitet, aus reinem Provisionsinteresse gehandelt zu haben. «Die Entschädigung liegt im üblichen Rahmen und soll mich für meine Aufwände entschädigen.»
Für die Anlegerin wurde die Sache zum Minusgeschäft. Gleich zu Beginn wurden ihrem Vermögen wie geschildert 3900 Franken abgezwackt, dazu kassierte Zugerberg Finanz eine Vermögensverwaltungsgebühr von 1,25 Prozent pro Jahr. Bei der Depotbank kamen weitere Gebühren dazu. So resultierte im Jahr 2105 eine Anlageperformance von minus 6,34 Prozent.
Es war nicht das erste Mal, dass Vermittler Ottiger seiner Kundin einen Geldverlust bescherte, selber aber hohe Vermittlungsprovisionen kassierte:
Im Jahr 2006 lebte der Mann der Entlebucherin noch. Ihm vermittelte Ottiger zwei teure strukturierte Produkte – sogenannte «Index Notes» der englischen Man Investments. Investiert wurden 220000 Franken. Daraus resultierte bis 2014 ein Verlust von rund 25 Prozent, weil der grössere Teil dieser Anlage in Euro getätigt wurde und der Euro seither gegenüber dem Franken massiv an Wert verlor.
Ottiger hingegen profitierte. Er kassierte auch hier eine Vermittlerprovision von 3 Prozent, also rund 6600 Franken. Ottiger sagt, diese Entschädigung sei «kein Anreiz zur Empfehlung genau dieser Anlage» gewesen. Vielmehr sei der Kapitalschutz im Vordergrund gestanden. Dieser erwies sich allerdings angesichts des Euro-Kursverlusts als Witz.
Im April 2008 empfahl Ottiger dem Ehepaar eine Euro-Obligation der deutschen Solartechnikfirma Carpevigo. Versprochener Jahreszins: 8,25 Prozent. Das Ehepaar investierte umgerechnet rund 82000 Franken. Auch hier agierte Ottiger als «Mister-3-Prozent» und erhielt rund 2500 Franken Provision.
«8,25 Prozent Zins deuteten klar erhöhtes Ausfallrisiko an»
Die Obligation war ein Flop. Die Carpevigo geriet bald in wirtschaftliche Schwierigkeiten, der Zins wurde nicht oder nur zum Teil bezahlt. Und es ist höchst ungewiss, ob die Anleihe je zurückgezahlt wird. Aktuell hat das Investment von 82000 Franken nur noch einen Börsenwert von rund 15000 Franken. Es bestehe eine «hohe Chance», dass die Anleihe zu 100 Prozent zurückgezahlt werde, erklärt Ottiger. Von K-Geld befragte Fachleute bezweifeln das. Selbst wenn es so wäre: Ein Euro-Verlust werde auf jeden Fall eintreten.
Rolf Biland vom VZ Vermögenszentrum sagt: «Der Zins von 8,25 Prozent war auffallend hoch und deutete damals schon klar die unsichere Finanzlage der Carpevigo und ein erhöhtes Ausfallrisiko an.» Die Firma habe 2008 «noch kaum etwas anderes ausser Absichtserklärungen» vorweisen können.
Übrigens: Ottiger vermittelte dem Ehepaar auch noch eine Fondspolice der Aspecta mit einer Laufzeit von 14 Jahren und einer äusserst hohen Jahresprämie von 48000 Franken. Die Höhe der kassierten Provision verschweigt Ottiger. «Der Einsatz dieses Produkts war sinnvoll», behauptet er.
Vorsicht bei Vermögensverwaltern und Vermittlern
Viele Finanzberater und Vermittler bieten kostenlose Beratung an – und kassieren dafür Vermittlungsprovisionen von den Banken oder anderen Dienstleistern, die sie empfehlen. Da ist Skepsis angebracht. Verstecke Provisionen fördern Interessenkonflikte, die für den Kunden nachteilig sein können.
Fragen Sie den Vermittler, wie er sich finanziert und was er für die Vermittlung von Finanzprodukten kassiert. Vermittler, die Wert auf Transparenz legen, arbeiten auf Honorarbasis: Sie verlangen vom Kunden ein Stundenhonorar für die Beratung, im Gegenzug legen sie die Provisionen offen und geben diese dem Kunden weiter. So können sie neutral beraten.
Wer einem Vermittler oder Vermögensverwalter einen Auftrag erteilt, hat Anspruch auf alle Vergütungen, die der Beauftragte im Zusammenhang mit diesem Mandat von Dritten erhält. Ein Verzicht auf solche Entschädigungen (Retrozessionen) ist nur rechtsgültig, wenn die Bandbreite der Retrozessionen bei der Verzichtserklärung bekannt ist.
Von einer Geldanlage, bei der gleich zu Beginn eine hohe Pauschale von zum Beispiel 3 Prozent abgezogen wird, ist grundsätzlich abzuraten.
Bei einer Anlagesumme von unter 200000 Franken ist es sehr fraglich, ob sich ein Vermögensverwaltungsmandat mit einer Pauschale von über 1 Prozent lohnt. Zumal die meisten Vermögensverwalter ihr Geld ohnehin nicht wert sind (K-Geld 5/2015). Anleger fahren besser, wenn sie mit diesem Geld Mischfonds kaufen.
Wer bei der Geldanlage viel Wert auf Sicherheit legt, darf keine Investments in fremden Währungen tätigen. Die Gefahr von Währungsschwankungen ist gross.