SBB und viele Politiker sind sich einig: Die Bahnfahrer sollen stärker zur Kasse gebeten werden. Die Grünliberalen sprechen von mehr Kostenwahrheit im öffentlichen Verkehr. Exponenten von FDP und SVP verlangen, dass die Bahnfahrer mindestens 60 Prozent der anfallenden Kosten selbst tragen. Sie stützen sich auch auf Angaben der SBB. Demnach trägt der Personenverkehr heute nur rund die Hälfte der ­Kosten selbst, die andere Hälfte bezahle die öffent­liche Hand.


Hohe Gewinne im Fernverkehr heben den Deckungsgrad an

Doch stimmt das? saldo wollte die Rechnung sehen, die zu diesem Ergebnis führt.  Ohne Erfolg. Die SBB weigern sich, solche Zahlen herauszugeben. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) legt die Rechnung ebenfalls nicht vor, nur das Resultat. Fazit: Transparenz ist offensichtlich nicht erwünscht. Die wenigen verfüg­baren Zahlen zeigen ein anderes Bild:

  • Fernverkehr: Hier liegt der Eigenfinanzierungsgrad bei weit über 100 Prozent. Die SBB fahren Jahr für Jahr sehr hohe Gewinne ein (siehe Seite 8). Der Fernverkehr machte 2011 rund 46 Prozent aller gefahrenen Zug­kilometer im Personenverkehr aus, so der SBB-Geschäftsbericht.
  • Regionalverkehr: Gewinne werden in diesem Bereich laut dem Bundesamt im Durchschnitt nicht erreicht. Der mittlere Eigen­finanzierungsgrad sei seit 2007 von 49,5 Prozent auf 54,2 Prozent im Jahr 2012 gestiegen. Das Amt errechnete dies nicht aufgrund ­einer Betriebsrechnung, sondern aufgrund der Offerten, die von den Bahnunternehmen vor Auftragsvergabe eingereicht wurden. Die effektiven Kostendeckungsgrade würden sich erfahrungsgemäss höchstens minim von den Angaben in den Offerten unterscheiden, sagt das BAV. Die genauen Aufwand- und Ertragspositionen legt das Amt nicht offen.
  • S-Bahnen: Hier kommt das Bundesamt mit seiner Berechnungsmethode auf einen Kostendeckungsgrad von 58,3 Prozent im Jahr 2011. Einzelne S-Bahn-Linien erreichten allerdings ­einen Selbstfinanzierungsgrad zwischen 91 und 95 Prozent.
  • Schmalspurbahnen: Fünf Linien hatten 2011 laut dem Bundesamt einen Selbstfinanzierungsgrad zwischen 89,4 Prozent und 117,1 Prozent – schrieben also zum Teil Gewinn. Welche das sind, sagt das BAV nicht.


Was bei all diesen Zahlen nicht berücksichtigt ist: Allein die SBB-Kunden zahlen dem Bund zusätzlich via Mehrwertsteuer auf Billette und Abonnemente jährlich rund 225 Millionen Franken für die Benutzung der Bahn.  Dies lässt sich aus den Verkehrserträgen der SBB im Personenverkehr errechnen. Zählt man die anderen Bahnen dazu, wäre der Betrag deutlich höher.

Rechnet man auch noch die Mehrwertsteuereinnahmen ein, die der Bund auf den gesamten Ausgaben der SBB für Infrastruktur, Material und Dienstleistungen erzielt, wäre der Betrag gar massiv höher. Diese Erträge für den Bund werden in der Renditeberechnung der Bundesbahn unterschlagen.


Bundesamt für Statistik weist 69 Prozent Kostendeckung aus

Das Bundesamt für Statistik kommt bei seinen Berechnungen auf andere Zahlen als das BAV. Es stellt bei seinen Berechnungen – die mangels Detailzahlen ebenfalls nicht nachprüfbar sind – für den Schienenverkehr 2010 einen betriebswirtschaftlichen Kostendeckungsgrad von 69,3 Prozent fest. Darin eingerechnet ist sogar der defizitäre Güterverkehr. Auch diese Zahlen schliessen die Bundeseinnahmen aus der Mehrwertsteuer aus. Sie basieren auf den Geschäftsberichten von 55 in der Schweiz tätigen Bahnunternehmen.