Die Internet-Arztpraxis DrEd.com mit Sitz in London verkauft medizinische Beratung «für Patienten mit wenig Zeit». Seit Juni können sie auch Patientinnen und Patienten aus der Schweiz besuchen. Laut einer Medienmitteilung arbeiten bei Dr. Ed «zurzeit drei Ärzte, davon einer mit Schweizer Zulassung».
Das Angebot ist allerdings beschränkt: Die Internetpraxis ist nur für ein Dutzend medizinischer Probleme ein-gerichtet – darunter Asthma, Erektionsstörungen, Blasenentzündung oder Reisedurchfall. Bei vielen dieser Probleme erwähnt Dr. Ed an prominenter Stelle Medikamente – zum Beispiel Viagra bei Erektionsstörungen oder Champix für den Rauchstopp. Die Beratung kostet zwischen 19 und 39 Franken.
saldo probierte das Angebot aus. Eine Redaktorin gab vor, mit dem Rauchen aufhören zu wollen. Schon auf der Website schlägt Dr. Ed für die Raucherentwöhnung das Medikament Champix vor: Es könne die Chancen, Nichtraucher zu werden, verdreifachen. Um an das Medikament zu gelangen, musste die Redaktorin nur einen Fragebogen zum Zigarettenkonsum beantworten. Dazu kamen einige Fragen zum allgemeinen Gesundheitszustand.
Eine Stunde später kam die schriftliche Antwort des Dr.-Ed-Arztes. Er bot an, ein Rezept für Champix auszustellen – oder das Medikament über eine Versandapotheke nach Hause senden zu lassen.
Für Wolfgang Becker-Brüser, Chefredaktor des Fachblattes «Arznei-Telegramm», ist diese Empfehlung «gesundheitsgefährdend». Champix könne gefährliche Nebenwirkungen auf den Kreislauf haben. Becker-Brüser bemängelt, Dr. Ed erwähne keine Alternativen wie Nikotinpräparate: «Das ist kein Wunder, denn solche Präparate kann man ohne Dr. Ed kaufen.»
«Ich würde Dr. Ed niemandem empfehlen»
Andere Fachleute gehen ebenfalls auf Distanz. Die Ärztin Eva Kaiser aus Binningen BL sagt: «Dr. Ed scheint unter einer Behandlung ausschliesslich das Verabreichen von Medikamenten zu verstehen.» Dieses Vorgehen sei für die meisten gesundheitlichen Probleme völlig unzulänglich. Dazu kommt: Indem Dr. Ed Medikamente erwähnt, verstösst die Internetseite gegen das Werbeverbot für rezeptpflichtige Arzneimittel. Das bestätigt Daniel Lüthi, Sprecher der Heilmittelbehörde Swissmedic.
Dr. Ed bietet auch Folgerezepte für Blutdruckmittel an. Erika Ziltener, Präsidentin des Dach verbands Schweizer Patientenstellen, findet das äusserst problematisch: «In der Regel kann nur ein Arzt, der den Patienten persönlich kennt, entscheiden, ob ein Rezept verlängert werden darf.» Ziltener sieht in der Internetpraxis keinen Nutzen für Patienten: «Ich würde Dr. Ed niemandem empfehlen.»
Ärzte zweifeln, ob man mit Fragebogen den Gesundheitszustand erfassen kann. Alex Steinacher, Präsident der Ostschweizer Haus- und Kinderärzte, sagt: «Es ist unseriös und verantwortungslos, Patienten nur nach dem Ausfüllen eines Fragebogens rezeptpflichtige Medikamente zu verschreiben.» Bei den meisten von Dr. Ed angebotenen Sprechstunden wären ärztliche Untersuchungen oder Labortests zwingend nötig, sagt Steinacher.
Website hat keine Abrechnungsnummer für Krankenkassen
Die Lieferfrist für die Rezepte und Medikamente dauert laut Dr. Ed drei bis vier Tage. Das könne kritisch werden, sagt Alex Steinacher: «Wenn ein Patient mit Blasenentzündung so lange auf das Rezept warten muss, kann sich die harmlose Krankheit zu einer gefährlichen Nierenbeckenentzündung auswachsen.»
Zwar verspricht Dr. Ed, die Krankenkassen würden die Behandlungskosten erstatten. Doch dafür fehlt die Grundlage, wie Silvia Schütz, Sprecherin des Krankenkassenverbandes Santésuisse, erklärt: Die Website habe in der Schweiz keine Abrechnungsnummer, die Ärzte benötigen, damit die Krankenkassen ihre Leistungen vergüten.
Medikamente: Dr. Ed schiebt Verantwortung auf Ärzte ab
In einer Stellungnahme schreibt der Pressesprecher von Dr. Ed, die Information über die verfügbaren Medikamente gehöre zu den Aufgaben jedes Arztes. Das Erwähnen von Medikamenten auf der Website habe keine negative Wirkung auf die Patienten. Die Verantwortung für das Verschreiben eines Medikaments liege beim Arzt. Auf der Homepage und in den individuellen Patienteninformationen beschreibe Dr. Ed mögliche Nebenwirkungen von Champix und erwähne Alternativen zum Rauchstopp-Medikament. Folgerezepte biete die Praxis nur für Patienten an, die bereits mehrere Monate mit Blutdruckmitteln erfolgreich therapiert und bei denen die Leberwerte kontrolliert worden seien.
Dr. Ed räumt ein, dass die Lieferfrist für Rezepte für Patientinnen mit Blasenentzündung zu lange ist. Der Pressesprecher gibt zu, dass Dr. Ed wegen des Sitzes in London nicht mit Schweizer Krankenkassen abrechnen kann.