Letzten November akzeptierte die Pharmafirma Johnson & Johnson von der zuständigen US-Behörde eine Rekordbusse: Der Konzern musste umgerechnet 2 Milliarden Franken bezahlen, weil er den Absatz seines Schizophrenie-Mittels Risperdal und anderer Medikamente jahrelang durch die Zahlung von Schmiergeldern an Ärzte und Apotheker angekurbelt hatte. Zudem vermarktete die Firma Risperdal als Mittel für andere Krankheitsbilder, obwohl es nur gegen Schizophrenie zugelassen war.
Wenig später berichteten US-Medien, dass die Novartis-Tochter Sandoz einen Vergleich mit dem Generalstaatsanwalt des US-Staates Louisiana geschlossen habe. Sandoz zahlte rund 18 Millionen Franken, 24 weitere Hersteller nochmals 60 Millionen Franken. Die Behörden beschuldigten sie, beim staatlichen Medicaid-Programm für Kinder und Behinderte falsche Grosshandelspreise angegeben zu haben – sie waren bis 5000 Mal höher als die realen Kosten.
Das sind keine Einzelfälle. Allein von November 2010 bis Juli 2012 akzeptierten Pharmakonzerne in den USA in 74 Fällen behördliche Bussen von total rund 9 Milliarden Franken. Diese Bilanz zieht Sammy Almashat von der US-Konsumentenorganisation Public Citizen. Er beziffert die ab 1991 verhängten Bussen auf über 27 Milliarden Franken. Die Behörden ahndeten damit meist überrissene Preise zulasten staatlicher Programme. Die höchsten Einzelbussen verhängten sie wegen illegaler Werbung.
Swissmedic gibt die Namen der Gebüssten nicht bekannt
Anders in der Schweiz. Hier haben Pharmafirmen wenig zu befürchten. Die Aufsichtsbehörde Swissmedic hat von August 2004 bis Ende November 2013 insgesamt 74 Verfahren gegen Hersteller eröffnet. Diese hatten etwa Werbeverbote für Medikamente missachtet, Präparate für nicht zugelassene Anwendungen beworben oder Ärzten unzulässige Rabatte gewährt.
Die Fälle sind – bis auf drei Gerichtsverfahren – abgeschlossen. Swissmedic büsste sechs Unternehmen mit je 5000 Franken. Das Gesetz würde Bussen bis 50 000 Franken erlauben. Die anderen Firmen, fast zwei Drittel aus der Schweiz, kamen noch billiger davon. Sie mussten zusammen 128 600 Franken Bussen zahlen, Einzelpersonen weitere 387 080 Franken.
saldo wollte die Namen der Verurteilten wissen. Swissmedic gibt sie nicht bekannt. Das Amt gewichtet den Ruf der Firmen höher als das Interesse von Patienten und Krankenkassen, sich vor Tricksereien zu schützen.
Laut Wolfgang Becker-Brüser, Herausgeber der Zeitschrift «Arznei-Telegramm», unterscheiden sich «die unseriösen Strategien zur Vermarktung von Arzneimitteln international nicht wesentlich voneinander». Gesetzgeber und Behörden gingen jedoch von Land zu Land anders damit um. Viele Schweizer Regelungen sind laut Etzel Gysling, Arzt aus Wil SG und Herausgeber der Zeitschrift «Pharma-Kritik», «industriefreundlicher» als in den USA. Hiesige Behörden tun wenig, um Hersteller daran zu hindern, Ärzte, Apotheker und Spitäler via Rabatte zur Abgabe ihrer Arzneimittel zu animieren (saldo 13/13 und 17/13).
USA: Informanten besser geschützt als in der Schweiz
Schweizer Gesetze lassen auch Angestellte im Regen stehen, die Gesetzesverstösse den Behörden melden. Der Bundesrat lehnt mehr Kündigungsschutz für solche Whistleblower ab: Wer im Betrieb auf Missstände stösst, muss diese laut Bundesrat zuerst seinem Arbeitgeber angeben. Erst wenn dieser nicht reagiert, dürfe man die Behörden informieren.
Die USA ticken anders: Das Gesetz schützt seit 2002 Angestellte vor missbräuchlicher Kündigung, wenn sie staatliche Stellen über unsaubere Praktiken ihrer Firma informieren. Laut Sammy Almashat waren Whistleblower seit 2010 für drei Viertel der Bussen gegen Pharmafirmen verantwortlich.
In den USA stoppen jedoch selbst Milliardenbussen die Pharmakriminalität nicht. Almashat sagt, dass alle grossen Hersteller Wiederholungstäter seien, auch Novartis und Roche. Das liege daran, dass sich illegale «Aktivitäten weiter lohnen». So machten die 27 Milliarden Franken. US-Bussen nur zwei Drittel der Gewinne aus, welche die zehn weltgrössten Pharmafirmen 2010 auswiesen.
Almashat und Becker-Brüser fordern, dass Gerichte verantwortliche Pharmamanager zur Rechenschaft ziehen und sie unter Umständen zu Haftstrafen verurteilen. Denn sie schädigen nicht nur Krankenkassen oder staatliche Gesundheitsprogramme. Becker-Brüser: «Das Fehlverhalten der Firmen kann die Gesundheit von Patienten negativ beeinflussen.»
Novartis und Roche: Häufig Ärger mit der Justiz
Novartis
Das Geschäftsgebaren des Basler Pharmaunternehmens führte in den letzten Jahren zu einer Reihe von Bussen und Strafzahlungen im Ausland:
- Anfang Januar 2014 erhob der Staatsanwalt von Manhattan Klage gegen die US-Tochter des Pharmakonzerns. Sie soll den US-Gesundheitsdienstleister Bio-Scrip fünf Jahre lang bestochen haben, damit er Patienten zum Gebrauch des Medikaments Exjade animiert. Das Präparat senkt den Eisengehalt im Blut. Novartis dementiert.
- Anfang Januar 2014 erstattete das japanische Gesundheitsministerium Strafanzeige gegen eine Tochterfirma von Novartis. Sie soll das Medikament Diovan bewusst mit gefälschten Daten beworben haben. Zwei von Novartis mitfinanzierte Studien japanischer Universitäten hatten die Wirkung des Herzmedikaments offenbar geschönt dargestellt. Novartis dementiert, von den Manipulationen gewusst zu haben.
- Im Dezember 2013 belegte die EU Novartis mit einer Busse von 5 Millionen Franken wegen der verzögerten Einführung eines Schmerzmittelgenerikums in den Niederlanden. Novartis dementiert, rekurriert aber nicht. Aktuell ermitteln Justizbehörden in den USA und China gegen Novartis wegen des Verdachts auf Schmiergeldzahlungen an Ärzte.
- Novartis zahlte laut Public Citizen allein zwischen November 2010 und Juli 2012 total 234 Millionen Franken Bussen und gehört zu den acht grössten Pharmasündern in den USA. Alle Bussen von Novartis in den letzten zwei Jahrzehnten summieren sich auf 720 Millionen Franken.
Roche
Auch der zweite grosse Basler Pharmakonzern musste wiederholt von Behörden verhängte Bussen begleichen:
- In den USA bezahlte Roche im Jahr 2011 18 Millionen Franken Busse. Eine Tochterfirma hatte Ärzte bestochen, damit sie ein Präparat zur Immununterdrückung auch für nicht zugelassene Anwendungen verschreiben.
- Die Europäische Kommission verhängte 2002 gegen Roche wegen Preisabsprachen mit anderen Vitaminherstellern eine Rekordbusse von 570 Millionen Franken.