Wenn Schweizer Konzerne Stellen ins Ausland auslagern, kommt dies bei der Bevölkerung schlecht an. Was aber viele nicht wissen: Auch die Post, die sich zu 100 Prozent in Staatsbesitz befindet, verhält sich nicht als Vorbild. Sie lagert zum Beispiel Stellen nach Vietnam aus. In Ho-Chi-MinhStadt und in Can-Tho-Stadt ­beschäftigt der gelbe Riese insgesamt 1200 Leute.

In den drei Paketzentren in Daillens VD, Frauenfeld TG und Härkingen SO scannen Kameras die Adressen der Sendungen auf den Laufbändern. Gleichzeitig werden diese eingelesenen Adressen mit hinterlegten Adressinformationen abgeglichen. Das geschieht nicht in der Schweiz, sondern in Viet­nam. Die eingescannten Ad­ressen werden in Sekundenbruchteilen übermittelt und von Vietnamesen überprüft. Per Mausklick werden die Pakete in der Schweiz dann weiterspediert. Durch diese Kontrolle vermeidet die Post Zustell­fehler we­gen Adressänderungen oder Nachsendeaufträgen. 

Post-Sprecher Oliver Flüeler bestätigt: «Dank dieser Erfassung können seit letztem Oktober Pakete mit Nachsendeauftrag im Paketzentrum erkannt und ohne Zeitverlust direkt an die aktuell hinterlegte Adresse geschickt werden.» Nicht nur die Adressverarbeitung finde in Vietnam statt, sondern auch die Entwicklung der entsprechenden Software. 

Aber weshalb in Vietnam – und nicht in der Schweiz? Flüeler begründet dies so: Die Sprachkenntnisse der Vietnamesen seien aufgrund der bewegten Vergangen­heit des Landes «ausgezeichnet und vielseitig». Die Bevölkerung in den Städten sei jung und gut aus­gebildet und die Wirtschaft wachse schnell. Zudem bestehe gegenüber Europa ein Zeitvorteil mit der Nachtverarbeitung der Pakete. 

Geht es der Post aber nicht schlicht darum, mit der Auslagerung der Jobs nach Vietnam Lohnkosten zu sparen, um noch höhere Gewinne als bisher zu erzielen? Bei diesem Punkt verweist ­Flüeler auf den Sozial- und Ethikkodex der Post. Dort sind aber lediglich Selbstverständlichkeiten festgehalten wie das Verbot von Sklaven- und Kinderarbeit, die Einhaltung der allgemeinen Menschenrechte und der massgebenden nationalen Gesetze sowie die Bezahlung des landesüblichen Minimallohnes. Dieser beträgt in Ho-Chi-Minh-Stadt gemäss dem Lohn­indikator der Universität Amsterdam umgerechnet 155 Franken monatlich, in Can Tho Fr. 137.50. Zum ­Vergleich: In der Schweiz verdient ein Post-Angestellter minimal 3846 Franken pro Monat. 

«Post nimmt ihre soziale Verantwortung nicht wahr»

Bruno Schmucki von der ­Gewerkschaft Syndicom bestätigt diese Zahlen. Für ihn ist die Politik der Post ein «krasses Beispiel» für das Auslagern von Arbeitsplätzen. Auf diese Weise würden in der Schweiz Jobs für wenig qualifizierte oder gesundheitlich beeinträchtigte Menschen verschwinden. «Die Post nimmt ihre soziale Verantwortung nicht wahr», kritisiert er.

Tatsächlich baut die Post in der Schweiz laufend Stellen ab. Im Jahr 2005 zählte sie noch 39 726 Vollzeitstellen, 2013 waren es 2400 weniger. Umgekehrt verfünffachte der Bundesbetrieb in der gleichen Periode die Zahl der Vollzeitstellen im Ausland von 1347 auf 6779. Der allergrösste Teil der Auslandstellen entfällt auf die Tochtergesellschaft Swiss Post Solutions: Im vergangenen Jahr zählte dieser Konzernbereich rund 7400 Vollzeitstellen – davon lediglich 880 in der Schweiz. 

Zu Swiss Post Solutions gehören auch die Angestellten in Vietnam sowie in acht weiteren Ländern, darunter Grossbritannien, die USA und Deutschland. Das Unternehmen richtet sich laut Sprecher Flüeler an Geschäftskunden in den Branchen Versicherungen, Banken, Telekommunika­tion, Medien, Handel, Energieversorgung sowie Reisen und Transport. Diesen Kunden biete die Post «neue postnahe Dienstleistungen an der Schnittstelle zwischen physischer und digitaler Informationsübermittlung sowie Lösungen für das Outsourcing von Prozessen» an. Dazu zählt die Post das Scannen von Dokumenten, Datenerfassung und -auf-bereitung, Rechnungsstellungsprozesse oder Bildverarbeitung. 

Die Post begründet ihr Engagement im Ausland mit den Vorgaben des Bundesrats: Die Post soll im Ausland profitable Wachstumsmöglichkeiten ausserhalb ihrer Grundversorgungspflichten wahrnehmen. 

Mickrige Rendite und sogar Verluste im Auslandsgeschäft

Doch von Gewinnen kann fast keine Rede sein: Im Jahr 2013 lag der Betriebsgewinn bei gerade mal 5 Millionen Franken, im Vorjahr bei 3 Millionen Franken. Im Jahr 2009 fuhr der Bereich sogar ein Defizit von 25 Millionen Franken ein. 

Zum Vergleich: Allein im Schweiz-Geschäft erzielte die Post 2013 einen Betriebsgewinn von 864 Millionen Franken.

Fazit: Punkto Rendite kann der neue Konzern­bereich der Post nicht auftrumpfen. Das dürfte der Grund dafür sein, dass die Post in Vietnam Kunde des eigenen Unternehmens wurde. Wie gross dort der Anteil von Fremdaufträgen ist, will die Post auf Anfrage von saldo nicht sagen. 

Dass sich die Post in Bezug auf ihre Auslandaktivitäten bedeckt gibt, ist nicht neu. Ende 2011 wollte saldo wissen, wie viel Geld die Post für den Erwerb der einzelnen ausländischen Konzerngesellschaften ausgegeben hat und welche Gewinne oder Verluste die Zukäufe nach sich gezogen haben. Die Post verweigerte die Auskunft. saldo gelangte deshalb ans zuständige Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation. Doch auch dieses lehnte eine Auskunft ab. Begründung: Was nicht im Geschäftsbericht publiziert sei, falle unter das Geschäftsgeheimnis der Post. 

Nach dieser Absage gelangte saldo an den Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten und beantragte gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz die Offenlegung der Zahlen. Der Datenschutzbeauftragte gelangte zum Schluss, dass das Departement gar nicht über die verlangten Informationen verfügt. Deshalb könne der Zugang nicht gewährt werden. 

Das heisst: Der Bund ist zwar Alleinbesitzer der Post, hat aber angeblich keine Kenntnis davon, wie deren ausländische Konzerngesellschaften wirtschaften. 

Forum: Finden Sie es richtig, dass die Post Stellen ins Ausland auslagert? 

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