Der «Tages-Anzeiger» titelte: «Tabubruch der Postfinance.» Und bei der «Berner Zeitung» hiess es: «Negativzins für Reiche.» Grund war die Ankündigung der Postfinance von Anfang November, sie wolle ab Februar 2017 ab einem Guthaben von 1 Million Franken auf Privat- und Sparkonten eine «Guthabengebühr» von 1 Prozent verlangen.
Doch darf Postfinance eine solche Gebühr überhaupt verlangen? Jean-Marc Schaller, Anwalt und Privatdozent für Privat- und Bankenrecht an der Universität Zürich, hat sich intensiv mit rechtlichen Fragen zu sogenannten Negativzinsen im Bankengeschäft befasst. Er kommt zum Schluss, dass gestützt auf die bisherigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), die keine Negativzinsen oder Ähnliches vorsehen, die Einführung von Negativzinsen nur mit Zustimmung des Kunden möglich sei.
Das Gesetz kennt keine Negativzinsen
Die AGB der Postfinance sähen zwar vor, dass die Bank Zinsen und Gebühren festlege und diese jederzeit ändern könne. Das gelte aber nicht für Negativzinsen. Denn: Der Bankenvertrag ist ein Vertrag gemäss Obligationenrecht. Und dieses kennt keine Negativzinsen. Zinsen sind gemäss Schaller immer ein Entgelt für Kapital, das eine Partei der anderen überlässt.
Die Einführung von Negativzinsen sei keine blosse Zinsänderung, sondern eine vertragliche Kehrtwende um 180 Grad: Aus einem verzinslichen Darlehen soll eine kostenpflichtige Hinterlegung werden. «Ohne ausdrückliches Einverständnis des Kunden dürfte das nicht möglich sein.»
Daran ändert gemäss Schaller auch nichts, dass Postfinance von einer «Guthabengebühr» spricht. Denn auch mit den üblichen Anpassungsklauseln für Gebühren könnten nur bestehende Gebühren erhöht und keine völlig neuen eingeführt werden.
Die Einführung von Negativzinsen ist laut Schaller allenfalls möglich, wenn die Bank die Vertragsbeziehung mit dem Kunden kündigt und ihm gleichzeitig eine Offerte mit Negativzinsen unterbreitet.
Die Postfinance gibt in ihrer Stellungnahme ohne nähere Begründung an, die Einführung der «Guthabengebühr» sei gemäss AGB rechtens.
Tipps für betroffene Kunden
Niemand ist gezwungen, die neue Guthabengebühr der Post zu akzeptieren. Senden Sie der Post einen eingeschriebenen Brief und halten Sie fest, dass Sie die neue Gebühr nicht akzeptieren und der bisherige Vertrag deshalb weiterhin gilt.
Verteilen Sie Ihr Geld auf verschiedene Banken. Es gibt auch solche, die dafür noch einen Zins bezahlen. Eine Übersicht zu den Zinsen ist zu finden auf www.saldo.ch -> Service -> Aktuelle Zinsen.
Gemäss einer Umfrage von saldo verlangen unter anderem folgende Banken keine Negativzinsen von Privatkunden: Aargauische Kantonalbank, Basler Kantonalbank, Graubündner Kantonalbank, Schwyzer Kantonalbank, Raiffeisenbank und Thurgauer Kantonalbank.