Preisabsprachen auf Kosten der Kunden
Preisdiktate der Hersteller und Importeure halten die Preise in der Schweiz künstlich hoch. Der Schweiz-Zuschlag wird auf 30 Prozent geschätzt.
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saldo 18/2002
06.11.2002
Ob Fernseher, Waschmaschinen oder Schokoriegel - in der Schweiz ist vieles teurer. Roger Zäch, Professor für Wirtschafts- und Europarecht an der Uni Zürich, spricht von einem «Schweiz-Zuschlag von 30 Prozent». In einzelnen Fällen sind Produkte sogar doppelt so teuer wie im Ausland. Das belegen Stichproben des Instituts für Privat-, Wirtschafts- und Europarecht. Ursache sind laut Zäch oft Gebiets- und Preisabsprachen. Hersteller und Importeure verlangen von Schweizer Händlern für das gl...
Ob Fernseher, Waschmaschinen oder Schokoriegel - in der Schweiz ist vieles teurer. Roger Zäch, Professor für Wirtschafts- und Europarecht an der Uni Zürich, spricht von einem «Schweiz-Zuschlag von 30 Prozent». In einzelnen Fällen sind Produkte sogar doppelt so teuer wie im Ausland. Das belegen Stichproben des Instituts für Privat-, Wirtschafts- und Europarecht. Ursache sind laut Zäch oft Gebiets- und Preisabsprachen. Hersteller und Importeure verlangen von Schweizer Händlern für das gleiche Produkt höhere Preise als von Wiederverkäufern in anderen Staaten.
Philips diktiert die Preise für TV- und DVD-Geräte
René Küng von der Auto Küng Rimag AG im aargauischen Holderbank kann davon ein Lied singen: «Viele Firmen legten für ihre Produkte Mindestverkaufspreise fest.» So schrieb Sony für ein TV-Gerät den Preis von 2990 Franken vor. Küng, der den Fernseher direkt aus Deutschland importierte, verkaufte ihn für 1780 Franken. «Und wir verdienten immer noch daran», sagt er.
So viel Eigeninitiative sahen die Generalimporteure nicht gern. Einige weigerten sich, Küng zu beliefern, wenn er weiter parallel importiere oder sich nicht an Mindestpreise halte. Küng bezieht trotzdem einen Grossteil seiner Ware direkt aus dem Ausland: «Ich hatte die ewigen Verhandlungen und Sanktionsandrohungen satt.» Diese erfolgten übrigens mündlich, schriftlich hatte René Küng kaum je etwas in der Hand.
Bestens dokumentiert hingegen ist Peter Stefani von der Distributis AG in Dietlikon ZH, unter deren Dach Jumbo und Carrefour vereinigt sind. Die Firma Philips diktierte ihm, wie viel er für TV- und DVD-Geräte verlangen dürfe. «Das Nichteinhalten stellt eine Vertragsverletzung dar», heisst es in Offerten. Philips behielt sich sogar vor, vom Vertrag zurückzutreten. Stefani liess sich das nicht bieten und reichte Klage bei der Wettbewerbskommission (Weko) ein.
Was Küng und Stefani erlebten, war jahrelang Usanz. Ende Februar versuchte die Weko den Riegel vorzuschieben. In ihrer Bekanntmachung vom 18. Februar 2002 stellt sie klar: Absprachen, welche die Preisbestimmungsfreiheit der Händler beschränken oder den schweizerischen Markt vom Ausland künstlich abschotten, stellen eine erhebliche Wettbewerbsbeschränkung dar.
Signalwirkung: Firmen nehmen Anpassungen vor
«Es war höchste Zeit, dass solche vertikalen Absprachen als volkswirtschaftlich und sozial schädlich erkannt wurden», kommentiert Roger Zäch, der als Vizepräsident der Weko aktiv an der Neuauslegung gesetzlicher Bestimmungen mitgewirkt hat. «Die Konsumenten werden benachteiligt, weil sie höhere Preise zahlen, und die Händler müssen wachsenden Einkaufstourismus hinnehmen.» 7 bis 9 Milliarden Franken fliessen jährlich ins benachbarte Ausland.
Nachteile erleiden vielfach auch kleine und mittlere Produktionsbetriebe. Sie müssen für Werkzeuge und Komponenten mehr bezahlen als die ausländische Konkurrenz.
Der Entscheid der Weko hatte Signalwirkung. «Zahlreiche Firmen nehmen von sich aus Anpassungen vor», erklärt Weko-Vizedirektor Patrick Krauskopf.
Sony: Nur noch unverbindliche Preisempfehlungen
Unternehmen, die bislang unverblümt Preise diktierten, geben sich nun zurückhaltend. Das Weko-Verfahren gegen Philips ist noch nicht abgeschlossen, doch Ruedi Haeny, Direktor von Philips, Consumer Electronics, versichert: «Wir halten uns eng an die neuen Bestimmungen. Es gibt jetzt keine Vorschriften oder Anbindungen mehr.»
Ähnlich klingt es bei Sony. «Wir geben nur noch unverbindliche Preisempfehlungen ab», sagt Finanzdirektor Bernhard Hostetter. Sony arbeite zudem an einer europaweiten Preisharmonisierung. Ausgelöst wurde diese jedoch durch den Euro. Die Einheitswährung erleichtert nämlich den Konsumenten den Preisvergleich.
Dass diese Aussagen mehr sind als Schönfärberei, bestätigt Peter Stefani. «Wenn ich Ware über den Parallelmarkt beschaffte oder Preisvorschriften ignorierte, wurde ich immer abgemahnt. Jetzt lässt man mich gewähren.»
Weko: Seit März über 100 Anzeigen erhalten
Weit über 100 Anzeigen wegen unzulässiger Preisabsprachen sind seit März bei der Weko eingegangen. Sie betreffen sämtliche Branchen. Ein grosser Teil der Beschwerden sei berechtigt, sagt Patrick Krauskopf. Er fordert kleine Händler auf, selbstbewusster aufzutreten und die Möglichkeiten auszureizen.
Peter Stefani jedenfalls wittert Morgenluft. «Ich werde die neue Situation nutzen.» Begünstigt wird sein Vorpreschen durch das wirtschaftliche Umfeld. Viele Hersteller sitzen auf vollen Lagern. Stefani: «In der Unterhaltungselektronik ist man mit den Umsätzen so unter Druck, dass man Boykotte gegen aufmüpfige Händler gar nicht durchhalten kann.»
Sigrid Cariola
Preisvergleiche schwer gemacht
Laien verlieren beim Markt für Haushalt- und Elektrogeräte schnell die Übersicht. Die Händler locken mit zahlreichen, schnell wechselnden Aktionen. Doch nicht immer stecken hinter Aktionen wirklich günstige Angebote. In der Regel sind nämlich auch die normalen Listenpreise, die so genannten Bruttopreise, verhandelbar. «Bei einer Waschmaschine, die 4000 Franken kostet, liegen immer 30 Prozent drin», meint Roland Murbach von Siemens.
Trotz dieser Rabatte lohnt sich ein Blick ins Ausland. Beispiel: die Waschmaschine AEG Oekolavamat 88840. Das beste Angebot, das Leser Christoph Meier aus der Schweiz bekam: 2550 Franken, ohne Montage. Ein deutscher Händler bot ihm das gleiche Gerät 1000 Franken günstiger, Lieferung inklusive.
Ein Preisvergleich über die Grenze hinweg ist allerdings aufwändig: «Einige Hersteller verwenden für die gleichen Geräte in der Schweiz ganz andere Bezeichnungen als in Deutschland», weiss Turgay Cetin, Verkäufer beim Elektrofachgeschäft Hettler in Waldshut (D).
Wer sich dafür entscheidet, ein Gerät zu importieren, muss weder hohe Zölle noch Einbussen bei der Garantieleistung befürchten. Importe aus dem EU-Raum für den Privatgebrauch sind zollfrei. An der Grenze muss nur die Schweizer Mehrwertsteuer (7,6 Prozent) auf den Nettopreis entrichtet werden. Die deutsche Mehrwertsteuer (16 Prozent) kann man vom Händler zurückfordern. Namhafte Hersteller wie Siemens, Bosch, Philips, Miele usw. kennen eine europaweite Garantie. Defekte Geräte werden von allen Servicecentern angenommen - auch von jenen in der Schweiz.