Jahr für Jahr klagen die Bundesbahnen über drückende Schuldenlasten. Ende 2011 betrug die Verschuldung laut dem neusten Geschäftsbericht fast 18 Milliarden Franken.

Das wiederholte Jammern über den angeblichen Schuldenberg macht es natürlich leichter, für Bundesunterstützung zu weibeln, wenn Investitionen in Infrastruktur und Rollmaterial anstehen. Auch die häufigen Tarifaufschläge lassen sich so in  der Öffentlichkeit einfacher verkaufen.

Allerdings: Die SBB sind längst nicht so arm, wie sie glauben machen wollen. Von den 18 Milliarden Schulden entfallen nämlich gut 10 Milliarden auf Darlehen der öffentlichen Hand – also der Steuer­zahler – zur Finanzierung der Bahn-Infrastruktur. Und diese Darlehen müssen die Bundesbahnen höchstens im Fall ihrer Auflösung zurückzahlen. Das hat das Verkehrs­departement dem K-Tipp bestätigt.


Einer der grössten Immobilienbesitzer

Dazu kommt: Die SBB geben das Vermögen in ihrer Bilanz unrealistisch tief an. Sie gehören zu den grössten Immobilienbesitzern der Schweiz. Ihre Division Immobilien bewirtschaftet rund 3500 Gebäude und 4000 Grundstücke mit ­einer Gesamtfläche von 17 Quadratkilometern. Im Total umfasst der Grundbesitz der Bundesbahnen inklusive Schienennetz 97,2 Quadratkilometer. Bezahlt haben sie dafür keinen Rappen, der Boden wurde ihnen bei der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft per Anfang 1999 vom Bund überschrieben.


Keine Zahlen mehr zum Marktwert

Den Marktwert ihrer Immobilien bezifferten die SBB im Geschäftsbericht 2008 auf insgesamt 7,1 Milliarden Franken. Ende 2009 gaben SBB-Vertreter den Marktwert an einer Fachtagung mit nur noch 6,3 Milliarden Franken an. Und in den jüngsten Geschäftsberichten sind gar keine Zahlen zum Marktwert mehr zu finden.

Die SBB bilanzieren ihre Grundstücke und Gebäude darin zum Buchwert, also zum Anschaffungswert abzüglich Abschreibungen. Und dieser Wert betrug per Ende 2011 lediglich knapp 3,9 Mil­liarden.

Kein Wunder, wird da Kritik laut: «Ich bin überzeugt, dass bei den SBB-Immobilien stille Reserven in Milliardenhöhe vorhanden sind», bringt es der ehemalige FDP-Ständerat Rolf Büttiker auf den Punkt. Denn die Objekte lägen meist an strategisch wichtigen und damit lukrativen Orten. Ihr Marktwert wurde in der Sendung «Eco» des Schweizer Fernsehens schon vor zwei ­Jahren auf total 7 bis 9 Milliarden veranschlagt. Ein Immobilienfachmann rechnete vor, dass die SBB allein ihre rund 800 Bahnhöfe um bis zu 1,7 Milliarden Franken zu tief bewerteten. Aus den Geschäftsberichten geht hervor, dass die SBB von 2006 bis und mit 2011 mit dem Verkauf von Liegenschaften rund 663 Millionen Franken eingenommen haben.    


Schlechte Bewirtschaftung

Experten sind ferner der Ansicht, dass die SBB-Liegenschaften zum Teil unter ihrem Wert bewirtschaftet werden. In der Railcity am Zürcher Hauptbahnhof etwa erzielten die SBB 2010 einen Umsatz von 330 Millionen Franken – möglich wären rund 650 Millionen, erklärt Marc-Christian Riebe, Chef der auf Standortberatung spezialisierten Firma Location Group. Mit 2000 bis 3000 Franken pro Quadratmeter und Jahr seien die Mietpreise im Hauptbahnhof tief, gerade auch im Vergleich zur Zürcher Bahnhofstrasse, wo über 10 000 Franken pro Quadratmeter zu zahlen sind.

Laut Riebe schöpfen die Bundesbahnen in anderen Railcitys das Ertragspotenzial ebenfalls bei weitem nicht aus. Es fehle ihnen an professionellem Detailhandelswissen für die Bewirtschaftung und Vermarktung von Verkaufs­flächen. Das zeige sich auch bei der Grossüberbauung Europaallee.

Unter diesem Namen realisieren die SBB nahe beim Zürcher Hauptbahnhof quasi ein neues Stadtquartier. Nach aktuellem Stand werden darin weniger als 10 000 Quadratmeter Verkaufsfläche vermietet, wobei das Potenzial und die Nachfrage für mehr als 40 000 Quadratmeter vorhanden wären, sagt Riebe. Die Planungskommission sei vor fünf Jahren davon ausgegangen, dass man mit Büroflächen mehr Ertrag erziele als mit Detailhandelsflächen, was völlig unlogisch sei. Riebes Fazit: «Auch hier werden Hunderte Millionen Immobilienwerte unangetastet liegen gelassen.» Die Zeche zahlen Bahnpassagiere und Steuerzahler. Wer sonst.


SBB schweigen zu den Zahlen


Die SBB gehören noch immer zu 100 Prozent dem Bund. Trotzdem wollen sie sich nicht öffentlich zu finanziellen Fragen äussern. Fragen des K-Tipp zur Bewertung und Bewirtschaftung ihrer Gebäude und Grundstücke beantworteten die Bundesbahnen nicht. Der K-Tipp, so die Pressestelle, möge sich «an die veröffentlichten Publikationen der SBB» halten, insbesondere an die Geschäftsberichte.