Schlechte Gläser können ins Auge gehen
Im Neuzustand bieten sie perfekten UV-Schutz. Mit dem Alter lässt aber die Wirkung vieler Sonnenbrillen nach.
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K-Tipp 11/2003
04.06.2003
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Wie die menschliche Haut reagiert auch das Auge empfindlich auf Sonnenlicht, insbesondere auf die UV-Strahlung. Forscher befürchten Langzeitschäden für Augen, die immer wieder starker Strahlung ausgesetzt sind. Je mehr Sport im Freien getrieben wird, je weiter sich das Ozonloch öffnet, desto wichtiger wird die Sonnenbrille als ständiger Begleiter.
Einerseits schützen Brillen die Augen vor gefährlichen UV-Strahlen, anderseits sind sie auch ein Modeaccessoire geworden, das si...
Wie die menschliche Haut reagiert auch das Auge empfindlich auf Sonnenlicht, insbesondere auf die UV-Strahlung. Forscher befürchten Langzeitschäden für Augen, die immer wieder starker Strahlung ausgesetzt sind. Je mehr Sport im Freien getrieben wird, je weiter sich das Ozonloch öffnet, desto wichtiger wird die Sonnenbrille als ständiger Begleiter.
Einerseits schützen Brillen die Augen vor gefährlichen UV-Strahlen, anderseits sind sie auch ein Modeaccessoire geworden, das sich Mann und Frau in die Haare stecken. Beim Kauf fragen sich die wenigsten Kunden, ob die Sonnenbrille in ihren Händen einen ausreichenden Sonnenschutz bietet. Dank klarer internationaler Normen ist das glücklicherweise auch weniger nötig als noch vor ein paar Jahren.
«Heute können wir als Vertreiber gar keine Gläser mehr einkaufen, die keinen guten Sonnenschutz bieten», sagt Edy Pluznik. Er ist Geschäftsleiter der Lunetta AG, die ihre Sonnenbrillen unter dem Suva-Label Suvasol vertreibt. Auch in der Schweizer Armee sind diese Brillen zu zehntausenden im Einsatz. Europäische Normen mit strengen und klaren Anforderungen haben zu einem hohen Niveau beim UV-Schutz geführt. Diese Aussage von Pluznik bestätigt sich im vorliegenden K-Tipp-Test - wenn auch nur für neue, noch nicht dem Sonnenlicht ausgesetzte Brillengläser.
Der K-Tipp hat 14 Brillen der meistverkauften Marken eingekauft, dazu aber auch sehr günstige (H & M), teure (Gucci) und bekannte Marken (Ray Ban), und sie beim deutschen Ipi-Institut für Produktforschung und Information untersuchen lassen. Kriterien im umfassenden Labortest waren:
Schutz gegen UV-Strahlung
- Schützen die Sonnenbrillen ausreichend im ganzen Bereich der UV-Strahlung (bis 400 Nanometer)?
- Schützen die Brillen auch noch, nachdem sie während längerer Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt waren? Statt 20 Prozent Verschlechterung des UV-Schutzes, wie es die europäische Norm für Sonnenbrillen erlaubt, hat der K-Tipp die Messlatte höher gelegt. Mehr als 10 Prozent Abweichung wurde mit «ungenügend» bewertet. Ipi-Leiter Karl-Heinz Baumann: «Diese Toleranz ist leicht einzuhalten; bei 12 der 14 getesteten Brillen haben wir weniger als 5 Prozent Abweichung gemessen.»
Blendschutz
- Bieten beide Gläser durch die Tönung den gleichen Blendschutz?
- Entspricht die tatsächliche Filterung des sichtbaren, blendenden Lichts der Angabe der Kategorie (siehe Box)?
- Ist die Brille für den Strassenverkehr geeignet? Wird zu viel Licht gefiltert, können Farben nicht mehr erkannt werden. Zu dunkle Gläser sind auch bei Lichtwechsel, zum Beispiel bei Einfahrt in Tunnels, gefährlich.
Optische Qualität der Gläser
- Ist das Bild verzogen oder verschwommen? Bei einer ungeschliffenen Sonnenbrille darf dies nicht vorkommen.
- Verschlechtert sich die optische Qualität dadurch, dass die Brillen dem Sonnenlicht ausgesetzt wurden?
Mechanische Qualität der Gläser
- Wird das Glas beschädigt, wenn ein Steinchen gegen die Brille geschleudert wird?
- Sind die Gläser kratzfest?
- Gehen sie kaputt, wenn die Brille zu Boden fällt?
Qualität und Anpassungsfähigkeit des Rahmens
- Hat der Rahmen keine scharfen Kanten und leichtgängige, aber stabile Scharniere?
- Sind die Auflagekissen auf der Nase einstellbar, die Bügel formbar, die Scharniere mit einer Überdehnfeder ausgerüstet?
Für die Schutzfunktion beim Kauf erhielten alle Prüflinge die Bestnote. Das gilt nicht nur für den Schutz vor UV-Strahlung, sondern auch im Spektrum des sichtbaren Lichts (400-760 Nanometer). Die Auswirkungen auf das menschliche Auge sind zwar umstritten. Dennoch empfehlen Mediziner und die Suva nur Brillen, die auch vor den Wellen des sichtbaren Lichts schützen.
Werden die Gläser über lange Zeit der Sonne ausgesetzt, nimmt ihre Schutzwirkung ab. Nach dem Alterungstest liess bei der Hälfte der Brillen die Wirkung nach. Trägt man also eine Brille über Monate, kann dies für das Auge eine Belastung darstellen.
Die H & M-Brille schneidet schlecht ab
Am schlechtesten in diesem Punkt abgeschnitten hat «H & M Divided», die günstigste Brille im Test, mit einer Abnahme der UV-Filterung um 20 Prozent. Die Ladenkette Hennes & Mauritz bezog zu den Resultaten keine Stellung. Auch eine Brille von Fielmann zeigte einen auffällig starken Verlust des UV-Schutzes. Die Gucci-Brille war in diesem Punkt gerade noch «gut», in dieser Preislage dürfte man eine bessere Qualität erwarten.
Das Sonnenlicht kann nicht nur den UV-Schutz einer Brille längerfristig beeinträchtigen. Je nach Qualität der Gläser kann eine Brille die einfallenden Lichtstrahlen immer schlechter bündeln und gibt zunehmend Streulicht Richtung Auge ab. Auch hier bildet die H & M-Brille das Schlusslicht.
Bei der Untersuchung im Neuzustand zeigten sich weitere Unterschiede der optischen Qualität. Dennoch gewährleisten alle Brillen ungebraucht ein scharfes Bild ohne inakzeptable Verzerrungen oder Fehler. Bei einem der vier Teiltests der optischen Qualität erfüllte die Bijou-Flirt-Brille allerdings nur knapp den Wert, den die Norm vorschreibt.
Nicht nur vor schädlichen UV-Strahlen sollen Sonnenbrillen schützen, sondern auch vor dem sichtbaren Licht, seien es Sonnenstrahlen oder Spiegelungen im Schnee und auf dem Wasser. Je dunkler die Gläser, desto besser ist zwar die Filterung des blendenden Lichts. Stark gedunkelte Gläser bergen aber Risiken: Im Strassenverkehr erkennt man kaum noch die Ampelfarben. Gläser, die nur schwach getönt sind, bieten hingegen nur einen unzureichenden Blendschutz. Viele Hersteller geben die Filterkategorie an, damit die Käufer wissen, wie stark die Brille das sichtbare Licht herausfiltert (siehe Box).
Die Gläser des Cerjo-Modells 023.532 waren so stark getönt, dass die Brille statt der deklarierten Kategorie 3 der Kategorie 4 zuzuordnen ist. Die Sicht bei normalem Sonnenlicht ist damit zu stark abgedunkelt. Das ist nicht nur gesundheits-, sondern lebensgefährlich: Brillen der Kategorie 4 dürfen nicht im Strassenverkehr getragen werden.
Cerjo bestreitet die Richtigkeit der gemessenen Werte: Sowohl das Zertifikat des chinesischen Herstellers wie auch die eigenen Cerjo-Messungen würden beweisen, dass die Filterwirkung der Kategorie 3 entspreche.
Der K-Tipp hat deshalb die Messungen überprüft und zusätzlich zwei weitere Brillen nachmessen lassen. Das ursprüngliche Resultat wurde bestätigt: Prüfling 1 und 2 gehören entgegen der Deklaration in die Kategorie 4, der 3. Prüfling zwar in die Kategorie 3, knapp an der Grenze zu Kategorie 4.
Auch Polaroid hat beim Modell «Inkognito trends» den falschen Filter deklariert. Daniel Cochard, der Marketing-Manager für Europa, hat sogleich reagiert: «Es ist uns bei der Deklaration ein Fehler unterlaufen, den wir unverzüglich korrigieren werden.»
Kunststoffgläser sind sehr kratzanfällig
Auffällig ist, dass die beiden grössten Anbieter, Polaroid und Cerjo, neben je einem «sehr guten» ein deutlich schlechteres Produkt mit Verlauffilter anbieten. Hier zeigt sich, dass Verlauffilter (oben dunkel, gegen unten heller werdend) schwerlich den Standard der gleichmässig getönten Gläser erreichen.
Beim Testkriterium «Robustheit der Gläser» hatte Ray Ban, die einzige Brille aus Glas, die Nase vorn. Alle Kunststoffgläser liessen sich leicht verkratzen.
Vier Brillen erreichten das Urteil «sehr gut». Welchem Modell man den Vorzug gibt, hängt primär vom eigenen Geschmack und dem Portemonnaie ab.
Die Sonnenbrille, dein treuer Strahlenschützer
- Brillen mit dem CE-Zeichen und den Angaben wie «UV 400 100 % Protection» oder «400 nm» schützen zuverlässig vor UV-Strahlung.
- Angaben wie «Cat. 3» sagen aus, wie stark die Gläser getönt sind: 0 für sehr schwache Sonneneinstrahlung; 1 für schwache Sonneneinstrahlung; 2 für all-gemeinen Gebrauch; 3 für starke Sonneneinstrahlung; 4 für sehr starke Sonneneinstrahlung (nicht verkehrstauglich!).
Auch Brillen der dritten Kategorie sind fürs Autofahren nur mit Einschränkungen geeignet. Gefährlich wirds bei Tunnelfahrten.
Im Mittelland ist Kategorie 2 in den meisten Fällen genügend. Für Skitouren oder auf dem Wasser ist Kategorie 3 ideal.
- Bei langem Aufenthalt im Freien, auch bei bewölktem Himmel, eine Sonnenbrille tragen. Die UV-Strahlung dringt zum grossen Teil durch die Wolken hindurch.
- Für Kinder und Jugendliche ist der Schutz der Augen besonders wichtig; ihre Linsen lassen UV-Licht viel stärker durch als diejenigen von Erwachsenen.
- Eine Sonnenbrille muss gut sitzen. Vor allem Kinder werden sie nicht tragen, wenn sie unbequem ist.
- Die optische Qualität einer Brille lässt sich prüfen, indem man mit gestrecktem Arm durch die Brille sieht, eine Linie fixiert und die Fassung hin- und herbewegt. Die Linie darf nicht verzerren oder verschwimmen.
- Grosse Gläser schützen die Augen besser als kleine.
- Sitzt die Brille auf der Nase, darf der kleine Finger nicht zwischen Augenbrauen und Rahmen passen. Sonst kann zu viel Sonnenlicht direkt zum Auge vordringen.
- Seitlich abgeschlossene Brillen sind zwar gut für den Schutz der Augen, aber für den Verkehr ungeeignet. Sie schränken die Sicht ein.
- Brille im Auto nie auf dem Armaturenbrett liegen lassen. Bei Temperaturen von über 80 °C können die Gläser Schaden nehmen.
- Schmutzige Brille nicht mit einem Tüchlein putzen, sie wird von den Schmutzpartikeln zerkratzt. Zuerst mit Wasser spülen.
(rom)