Schweizer Milchverarbeiter wie Emmi und Cremo horten über 4000 Tonnen Butter in Kühlhäusern, 1700 Tonnen mehr als vor einem Jahr. Normalerweise sinken die Preise, wenn das Angebot grösser ist als die Nachfrage. Für Milchprodukte gilt das nicht. Die Konsumenten zahlen laut dem Bundesamt für Landwirtschaft zurzeit für 250 g Butter 15 Rappen mehr als vor 12 Monaten.
Der Butterberg wächst, weil es zu viel Milch gibt. Das hat einen Grund: Die Bauern erhielten im Januar etwa 5 Rappen mehr pro Liter «Industriemilch» als vor einem Jahr. Folge: Sie produzieren mehr Milch – genau 4,5 Prozent mehr. Viele Landwirte geben den Kühen mehr Kraftfutter und behalten ältere Tiere länger, statt sie zu schlachten. Zudem verkaufen sie die Milch, die sie normalerweise an Kälber verfüttern. Für die zusätzliche Milch gibt es in der Schweiz aber keinen Bedarf.
Gründung einer neuen Firma, um Milchpreis hoch zu halten
Das weiss auch der Verband Schweizer Milchproduzenten. Er gründete zusammen mit zehn Milchvermarktern kürzlich die Firma Lacto-fama. Sie soll die im Frühjahr anfallende überschüssige Milch verarbeiten lassen und exportieren. Das hält den einheimischen Milchpreis hoch. Laut Emmi zahlt Lactofama für überschüssige Milch bis zu 19 Rappen mehr, als die Bauern bisher dafür bekamen. Für Martin Haab, Präsident der bäuerlichen Vereinigung BIG-M, ist das ein «Fehlanreiz». Damit würden die Bauern für die Überproduktion von Milch belohnt. Laut Kurt Nüesch von den Schweizer Milchproduzenten soll die neue Firma nur die «witterungs- und naturbedingten saisonalen Ungleichgewichte» abfedern.
Die Exporte in die Europäische Union sind ein Minusgeschäft
So funktioniert der Export: Die Lactofama übernimmt überflüssige Milch, lässt sie von inländischen Herstellern zu Butter, Milchpulver oder Rahm verarbeiten, um diese dann zu exportieren.
Die Produkte lassen sich im Ausland jedoch nur mit Verlust verkaufen. Beispiel Butter: Peter Ryser von der Branchenorganisation Butter – einer «Plattform» der Milchproduzenten und -verarbeiter – rechnet mit Herstellungskosten von über 10 Franken pro Kilogramm. Abnehmer in der EU würden dafür nur etwa 4 Franken zahlen. Lactofama trägt die Verluste.
Laut Insidern verfügt die Exportfirma über Reserven in «zweistelliger Millionenhöhe». Das Geld stammt nach Angaben der Schweizer Milchproduzenten von den Bauern. Sie haben es früher in einen Fonds einbezahlt, der den Milchpreis hochhalten sollte. Dank der Vereinbarung mit Lactofama erhalten sie jetzt über den höheren Milchpreis einen Teil des Geldes wieder zurück.
Bauernvertreter Martin Haab wirft dem Verband Schweizer Milchproduzenten vor, mit seiner Politik vor allem den Interessen der milchverarbeitenden Industrie und des Milchhandels zu dienen: «Sie können so ihre Kapazitäten im Inland besser auslasten.» Die durch die Butterproduktion und den Export entstehenden Zusatzkosten müssten allein die Bauern und Konsumenten tragen.
Kurt Nüesch von den Schweizer Milchproduzenten erwidert, dass der Export zu einem «stabilen Milchmarkt« und «angemessenen Preisen» in der Schweiz beitrage.
Tatsache ist: Butter kommt die Konsumenten in der Schweiz immer teurer zu stehen. Ein Vergleich mit dem umliegenden Ausland zeigt: Schweizer Butter kostet laut dem Bundesamt für Landwirtschaft im Durchschnitt fast 60 Prozent mehr als in Frankreich, 75 Prozent mehr als in Österreich und sogar 120 Prozent mehr als in Deutschland.
Die Konsumenten in der Schweiz zahlen aber nicht nur einen höheren Ladenpreis, sondern auch noch über die Bundessteuern Agrarsubventionen, welche die Bauern und die Industrie aus der Bundeskasse kassieren (saldo 19/12).