Stilnox nicht besser als andere Schlafmittel
Das Schlafmittel Stilnox gilt als Alternative zu Valium und anderen umstrittenen Pillen. Doch immer mehr zeigt sich: Stilnox zieht die gleichen Probleme nach sich: Abhängigkeit, Schlafwandeln und Müdigkeit tagsüber.
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saldo 10/2013
29.05.2013
Christian Egg
Albert Forster (Name geändert) nimmt jeden Abend um halb elf eine halbe Tablette des Schlafmittels Stilnox. «Sonst könnte ich nicht einschlafen», sagt der 70-Jährige. Stilnox kam in den 1990er-Jahren auf den Markt, zusammen mit anderen Mitteln mit ähnlicher chemischer Struktur.
Damals setzten Ärzte und Patienten grosse Hoffnungen in die neuen Medikamente. Denn die bisherigen Pillen wie Valium oder Temesta sind problematisch: Diese sogenannten Be...
Albert Forster (Name geändert) nimmt jeden Abend um halb elf eine halbe Tablette des Schlafmittels Stilnox. «Sonst könnte ich nicht einschlafen», sagt der 70-Jährige. Stilnox kam in den 1990er-Jahren auf den Markt, zusammen mit anderen Mitteln mit ähnlicher chemischer Struktur.
Damals setzten Ärzte und Patienten grosse Hoffnungen in die neuen Medikamente. Denn die bisherigen Pillen wie Valium oder Temesta sind problematisch: Diese sogenannten Benzodiazepine können abhängig machen. Jetzt zeigt sich immer mehr: Stilnox und die anderen neuen Medikamente sind nicht besser.
Das musste auch Albert Forster erfahren. Seit zwanzig Jahren nimmt er Stilnox. «Ich mache mir nichts vor», sagt er. «Ich bin abhängig.» Absurd: Trotz des Medikaments schläft Forster nicht durch. Regelmässig wacht er um drei Uhr morgens auf. Um weiterschlafen zu können, nimmt er erneut eine halbe Tablette. Grund: Stilnox wirkt kürzer als die älteren Medikamente. Nach zwei bis drei Stunden hat der Körper den Wirkstoff schon zur Hälfte abgebaut.
Am Morgen erst nach einer halben Stunde richtig wach
Stilnox kann auch Schlafwandeln begünstigen. Wer das Mittel eingenommen hat, geht im Haus herum, verletzt sich oder steigt gar ins Auto. In den USA sind mehrere Fälle von Menschen bekannt, die unter dem Einfluss von Stilnox einen Unfall verursachten.
Für Schlagzeilen sorgte die Lehrerin Brenda Pobre aus Salinas im Bundesstaat Kalifornien: Am Morgen fand sie oft Schokoladepapier und Essensreste neben Bett und Kühlschrank. Erst verdächtigte sie die Söhne und ihren Mann, bis ihr klar wurde, dass sie im Schlaf wahre Fressgelage veranstaltete.
Allen Fällen gemeinsam ist: Die Betroffenen können sich am Morgen an nichts erinnern. Laut Etzel Gysling, Arzt in Wil SG und Herausgeber der Fachzeitschrift «Pharma-Kritik», führen gerade die kurz wirkenden Schlafmittel wie Stilnox relativ oft zu Schlafwandeln und Gedächnisverlust.
Albert Forster wacht zwischen sieben und acht Uhr morgens auf. «Aber ich bin nicht erholt», sagt er. Erst nach einer gewissen Anlaufzeit, «etwa einer halben Stunde», ist er richtig wach.
Auch das ist typisch für Stilnox: Es wirkt am nächsten Morgen nach. Das kann gefährlich sein, etwa wenn jemand mit dem Auto zur Arbeit fährt. Jetzt schlägt die amerikanische Gesundheitsbehörde Alarm: Immer mehr Menschen landen wegen Stilnox in den Notfallabteilungen der Spitäler. Im Jahr 2005 waren es landesweit noch 6000 Fälle. Fünf Jahre später hat sich die Zahl bereits auf 19 000 verdreifacht.
Zwei Drittel der Opfer waren Frauen. Sie bauen das Schlafmittel langsamer ab als Männer und sind deshalb besonders gefährdet. Die US-Behörden änderten deshalb bereits im Januar die Vorschriften für Stilnox: Frauen sollen jetzt nur noch 5 statt der bisher empfohlenen 10 Milligramm einnehmen. Auch bei Männern sollten Ärzte die tiefere Dosis in Erwägung ziehen («Gesundheitstipp» 2/13).
Nebenwirkungen: Hersteller verweist auf Fachinformation
Herstellerin von Stilnox ist der französische Pharmakonzern Sanofi-Aventis. Gegenüber saldo verweist das Unternehmen auf die Fachinformation zu Stilnox. Demnach dürfe die Behandlung nicht länger als vier Wochen dauern. «Das muss der Arzt beim Verschreiben berücksichtigen», so Sanofi-Sprecher Jacques Weidmann. Auch die anderen Nebenwirkungen «sind allesamt in der Fachinformation angegeben».
Etzel Gysling empfiehlt seinen Patienten, wenn überhaupt, eher ein Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine, etwa Seresta. «Aber auch das sollte man nicht dauerhaft nehmen, sondern nur kurzfristig oder an wenigen Abenden pro Monat.»
Denn für Gysling ist klar: «Medikamente sind keine gute Lösung gegen Schlafstörungen.» Besser ist, das eigene Verhalten zu ändern (siehe Kasten links).
Albert Forster möchte von Stilnox wegkommen. Zusammen mit seinem Hausarzt will er die Dosis schrittweise verringern und auf ein anderes Schlafmittel wechseln. Er rechnet damit, dass die Umstellung mehrere Monate dauern wird.
Tipps: Das hilft bei Schlafproblemen
- Gestalten Sie den Abend ruhig, dämpfen Sie das Licht.
- Vermeiden Sie am Abend intensiven Sport, Koffein, Nikotin und schweres Essen.
- Schalten Sie Fernseher und Computer eine Stunde vor dem Schlafen aus.
- Honigmilch, ein Bad oder eine warme Bettflasche entspannen.
- Seien Sie viel draussen bei Tageslicht. Das regelt die Produktion von Schlaf- und Wachhormonen.
- Gehen Sie nicht zu früh ins Bett. Den meisten Menschen genügen 7 bis 8 Stunden Schlaf – Mittagsschlaf inklusive.
- Versuchen Sie es mit pflanzlichen Medikamenten. Sie machen nicht abhängig.
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