Mit seinen Produktionsrichtlinien «Qualitätsmanagement Schweizer Fleisch» (QM) will der Schweizerische Bauernverband laut eigenen Angaben das Image der Fleischwirtschaft verbessern. Und das Vertrauen der Konsumenten ins Schweizer Fleisch stärken. Im Laden wird QM-Fleisch unter dem Label «Suisse Garantie» verkauft.
Wie wenig dieses Gütezeichen wert ist, zeigt die schriftliche Urteilsbegründung des Kreisgerichts Toggenburg in einem kürzlich abgeschlossenen Strafverfahren.
Angeklagt waren drei Bauern. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen warf ihnen Betrug, Urkundenfälschung sowie Verstösse gegen das Tierschutz- und Heilmittelgesetz vor. Der Schweinemäster soll gezielt die amtlichen Kontrollen umgangen sowie das Managementsystem von QM Schweizer Fleisch getäuscht und sich unrechtmässig bereichert haben.
Der Pächter erhielt die Qualitätsetiketten vom Vorgänger
Der Sachverhalt: Der Betreiber einer Schweinemast in Wängi TG verwendete beim Verkauf seiner Schlachttiere die QM-Etikette seines Vorgängers. Dieser hatte ihm den Hof verpachtet, sich bei QM aber nicht abgemeldet. Deshalb erhielt er die QM-Etiketten weiterhin und gab sie dem neuen Schweinemäster weiter. Dieser brachte sie auf den Transportpapieren und den obligatorischen Gesundheitsmeldungen an. Von 2008 bis 2010 verkaufte er so über 1200 falsch gekennzeichnete Schweine an einen Schlachtbetrieb in Bazenheid SG, die nur Tiere von QM-Züchtern annimmt. Die Schlachterei verkaufte das Fleisch dann weiter an die Migros-Tochter Micarna und die Fleischverarbeitungsfirma Ernst Sutter AG in Gossau SG.
Das Kreisgericht verurteilte den Schweinemastbetreiber wegen Urkundenfälschung, sprach ihn aber vom Betrug frei. Begründung: Der Schweinemäster habe seine Tiere grundsätzlich nach den QM-Normen gehalten. Das zeige sich daran, «dass die von der Labelorganisation verlangten Kontrollen durch den Betrieb ohne weiteres bestanden wurden». QM hatte Ende 2008 eine – telefonisch angemeldete! – Betriebskontrolle im Schweinestall durchführen lassen. Micarna und die Ernst Sutter AG sowie die Konsumenten hätten somit QM-Fleisch erhalten und seien nicht getäuscht worden.
Pikant: Laut dem Gerichtsurteil verpflichtet sich ein QM-Produzent lediglich dazu, die Schweizer Gesetze einzuhalten. Diese Gesetze – so das Gericht – würden aber ohnehin für jeden Produzenten gelten. Zudem basiere das QM-System hauptsächlich auf Selbstkontrollen. Externe Kontrollen würden nur selten durchgeführt. Und laut den QM-Richtlinien würden nach der Eingangskontrolle erst spätestens nach vier Jahren Folgekontrollen durchgeführt. Das Kreisgericht folgert: «Eine Garantie, dass die Gesetze tatsächlich immer eingehalten wurden, hat der Konsument weder beim konventionell produzierten Fleisch noch beim QM Schweizer Fleisch.»
Daniel Albiez, Leiter von QM Schweizer Fleisch, ist gleicher Ansicht: «Eine Garantie, dass jemand die Gesetze immer einhält, hat man nirgends.» Deshalb brauche es Kontrollen. Zusätzlich zu den mindestens alle vier Jahre stattfindenden angekündigten Folgekontrollen fänden sogenannte «Oberkontrollen» statt. Diese erfolgten unangekündigt bei mindestens zwei Prozent zufällig ausgewählter Betriebe.
Urkundenfälschung, Tierquälerei, Verstoss gegen Heilmittelgesetz
Der Fall Wängi zeigt, dass das QM-Fleisch nicht einmal das Wenige hielt, das das Label verlangt: die Einhaltung der Schweizer Gesetze. Der Verpächter wurde wegen Gehilfenschaft zur Urkundenfälschung verurteilt, der Tierhalter wegen Urkundenfälschung und der mehrfachen vorsätzlichen Übertretung des Heilmittelgesetzes, der Tierbetreuer wegen Urkundenfälschung, fahrlässiger Tierquälerei und vorsätzlicher Übertretung des Heilmittelgesetzes. Die Bussen betragen 1800 bis 2500 Franken, die bedingten Geldstrafen 800 bis 2400 Franken. Die Entscheide sind noch nicht rechtskräftig.
Das Urteil zeigt anschaulich, was das Label «Suisse Garantie» Wert ist: Seitenlang listet es auf, in welchem Zustand die Schweine im Schlachthof abgeliefert wurden. Und dies trotz eines Grosseinsatzes von Medikamenten – ohne dass der Tierarzt den Stall besucht hatte.
Eine Liste des Grauens
Vom 3. Juli 2008 bis am 1. Juli 2010 brachte der Bauer aus Wängi TG 1282 Mastschweine in den Schlachtbetrieb Bazenheid. 231 dieser Schweine wiesen Gesundheitsschäden auf. Das zeigten die tierärztlichen Kontrollen vor Ort. In der schriftlichen Urteilsbegründung des Kreisgerichts Toggenburg werden die Schäden unter dem Titel «Mehrfache vorsätzliche Übertretung des Tierschutzgesetzes» fein säuberlich aufgezählt – eine siebenseitige Liste des Grauens. Ein Auszug:
Festgestellt wurden unter anderem:
- 46 Leberschäden (u. a. Abszesse, Verwurmungen, Verwachsungen)
- 50 Herzschäden (u. a. Herzbeutelentzündung, Herzklappenrotlauf)
- 24 Lungenschäden
- 35 Lungenfellentzündungen
- 58 Brustfellentzündungen
- 2 Bauchfellentzündungen
- 31 Innere Abszesse
- 16 Wirbelabszesse
- 13 Beckenabszesse
- 6 Arthritisfälle
Liste: Sieben Seiten lange Aufzählung - Kiloweise Arzneimittel
Von Oktober 2008 bis Sommer 2012 wies der Bauer aus Wängi TG seinen Mitarbeiter regelmässig an, Tierarzneimittel in einer Tierarztpraxis zu beziehen. Im schriftlichen Urteil sind sie unter dem Titel «Mehrfache vorsätzliche Übertretung des Heilmittelgesetzes» aufgeführt.
Die aufgeführten Arzneimittel gehören zur Anwendungskategorie A und B. Das heisst: Sie dürfen nur angewendet werden, wenn der Tierarzt zweimal pro Jahr die aktuelle Gesundheitssituation der Tiere überprüft. Solche Kontrollen fanden laut Urteil aber nicht statt.
Kommentare zu diesem Artikel
Bitte melden Sie sich an, um einen Kommentar hinzuzufügen
Sind Sie bereits Abonnent, dann melden Sie sich bitte an.
Nichtabonnenten können sich kostenlos registrieren.
Besten Dank für Ihre Registration
Sie erhalten eine E-Mail mit einem Link zur Bestätigung Ihrer Registration.
Keine Kommentare vorhanden