In den Regalen der Sportgeschäfte liegt ein neues Gerät: eine schwarze Rolle. Mit ihr soll man die Faszien trainieren können. Faszien – so heisst das Bindegewebe, das den ganzen Körper durchzieht und Muskeln, Knochen und Organe umhüllt.
Die Sportabteilung der Migros preist die «Blackroll» als Mittel an, «um sich abends vom langen Sitzen am Schreibtisch zu erholen». Auch soll sie «nach einem anstrengenden Training im Fitnessstudio aktiv zur Entspannung Ihrer Muskeln» beitragen. Ausserdem könne sie «ganz leicht für Pilates-, Yoga-, Dehnungs- und Kräftigungsübungen» genutzt werden. So werde die Faszienrolle zu einem «platzsparenden Trainingsgerät, mit dem Sie Ihren Körper auch im Wohnzimmer in Form bringen können».
Doch Fachleute warnen: Wenn Ungeübte mit der Rolle trainieren, kann es zu Schäden kommen. Senta Bitter, Physiotherapeutin in der Zürcher Sport-Clinic Puls 5, sagt: «Wer bei Problemen am Bewegungsapparat die Rolle auf eigene Faust ausprobiert, riskiert, dass sich bestehende Entzündungen verschlimmern und Blutergüsse entstehen.» Auch Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser hält von der Faszienrolle im Hobbybereich nicht viel. Die Behandlung des Bindegewebes setzte viel Wissen über Haltung und Bewegung voraus, sagt er. «Ein unspezifisches Ausquetschen des Hüllgewebes kann Haltungs- und Bewegungsschäden verschlimmern.» Auch Fitnessberater Fritz Bebie warnt: Zu Hause könne niemand überprüfen, ob man mit der Faszienrolle richtig trainiert: «Wer nach Ausdauer- und Krafttraining oder Stretching noch Zeit hat, soll lieber ein gutes Buch lesen statt über eine solche Rolle zu rollen.»
Dass es Faszien gibt, ist in der Medizin schon lange bekannt. Sie geben dem Körper Zusammenhalt, übernehmen einen Teil der Spannung, die für aufrechtes Stehen und Gehen nötig ist, und entlasten die Muskeln. Das Fasziennetz kann aus dem Gleichgewicht geraten, zum Beispiel wegen Verletzungen. Das führt zu Verspannungen, Abnutzung und Schmerzen.
Vor dem Trainieren eine Fachperson fragen
«Viele Fachleute haben stets unterschätzt, wie wichtig Faszien sind», sagt Physiotherapeutin Senta Bitter. Die Faszienrolle helfe bei Beschwerden der Muskulatur und des Bindegewebes. Wer die Rolle als Trainingsgerät benutzen wolle, solle vorher eine Fachperson fragen, sagt Bitter. Wer das Gerät richtig anwende, könne die Regeneration beschleunigen.
Einer der bekanntesten Verkäufer des Faszientrainings ist der deutsche Biologe Robert Schleip. Er leitet die «Fascia Research Group» an der Universität Ulm und hat ein Faszientraining mitentwickelt, zu dem es noch keine abgeschlossenen Studien gibt. Schleip hat Bücher verfasst und vertreibt Utensilien und Rollen. Er hält das Training mit der Faszienrolle zu Hause für kaum problematisch. Sie rege den Stoffwechsel an, führe zu besserer Durchblutung und presse die Faszien wie einen Schwamm aus, sodass sie sich mit frischem Gewebewasser vollsaugen könnten. Schleip: «Mein Eindruck ist, dass gesundheitliche oder kosmetische Schäden extrem selten sind.»
Migros-Sprecherin Monika Weibel sagt: «Wir empfehlen das Selbsttraining nur gesunden Personen.»
Tipps: Das hilft zur Erholung
- Planen Sie nach dem Ausdauertraining ein langsames Abkühlen ein.
- Dehnen Sie die beanspruchten Muskeln.
- Bestreiten Sie nie zwei Tage hintereinander ein volles Trainingsprogramm.
- Wechselbäder fördern die Durchblutung.
- Massage, Sauna und genügend Schlaf tragen zur Erholung bei.