Letzten Sommer verreiste Milena Häusler (Name geändert) aus Bern für ein halbes Jahr. Vor ihrer Abreise versäumte sie es, die Rechnung für ihr Swisscom-Handyabo zu bezahlen. Mitte Oktober traf an ihrem Wohnort eine erste Mahnung ein. Die Eltern öffneten die Post nicht. So bemerkten sie nicht, dass die Swisscom eine Zahlungsfrist von nur zehn Tagen angesetzt hatte und schon mit einer Inkassofirma drohte.
Rechnung inklusive «Verzugsschaden»
Kurz darauf lag ein Brief der Inkassofirma Alphapay im Briefkasten. Die Eltern wurden stutzig und öffneten das Schreiben. Es enthielt eine Zahlungsaufforderung – und zwar nicht nur für den ausstehenden Betrag, sondern auch für den Verzugszins sowie einen angeblichen «Verzugsschaden». Milena Häuslers Vater zahlte den ausstehenden Betrag samt Verzugszins. Gleichzeitig teilte er der Inkassofirma mit, dass er den Verzugsschaden von Fr. 96.70 nicht bezahlen werde.
Die Inkassofirma reagierte mit zwei Briefen: Im einen drohte der Alphapay-Jurist Daniel Bucklar mit der Betreibung. Im anderen schrieb er von «verschiedenen Aktivitäten», die Kosten verursacht hätten.
Der K-Tipp wollte es genauer wissen. Nach mehreren Anfragen antwortete Bucklar schliesslich. Die Antworten enthielten falsche Behauptungen. So schrieb er, Kosten seien wegen «nicht einbringbarer Forderungen» entstanden, wegen Gesprächen, die angeblich geführt werden mussten, wegen Abzahlungsvereinbarungen oder Teilzahlungen.
Doch all das traf auf den Fall Häusler nicht zu. Zuletzt gab Bucklar klein bei: «Bei Frau Häusler verzichten wir einmalig und unpräjudiziell auf die Durchsetzung des Verzugsschadens.»
Swisscom drohte mit «Zusatzkosten»
Eine unrühmliche Rolle spielte in der ganzen Angelegenheit auch die Swisscom. Sie schrieb schon in der Mahnung, dass Milena Häusler mit «Zusatzkosten von bis zu mehreren hundert Franken» rechnen müsse. Gegenüber demK-Tipp gab die Swisscom jedoch zu: «In aller Regel kann der Verzugsschaden rechtlich nicht eingefordert werden.»
Verzugsschaden: Das steht im Gesetz
Wenn die Inkassofirmen einen Verzugsschaden geltend machen, beziehen sie sich auf Artikel 106 des Obligationenrechts. Dort steht: «Hat der Gläubiger einen grösseren Schaden erlitten, als ihm durch die Verzugszinse vergütet wird, so ist der Schuldner zum Ersatze auch dieses Schadens verpflichtet, wenn er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.»
Konkret bedeutet das: Die Inkassofirma müsste beweisen, dass ihr Schaden höher ist als der Verzugszins. Das ist bei 0 Prozent Zins auf dem Konto kaum denkbar. Denn dem Gläubiger entsteht durch eine verspätete Zahlung kein finanzieller Nachteil. Trotzdem machen die Inkassofirmen oft einen pauschalen Verzugsschaden geltend. Das ist unzulässig.
Zudem verbietet der Artikel 27 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes, dass die Kosten des betreibungsrechtlichen Inkassoverfahrens «dem Schuldner überbunden werden». Deshalb gilt: Nicht zahlen!