Spar wirbt für den Ripasso Valpolicella von Lamberti mit einer Medaille. Der italienische Wein holte an der Internationalen Weinprämierung Zürich Silber. Verliehen wurde die Auszeichnung von den Organisatoren der Weinausstellung Expovina. Bei der Degustation des «K-Tipp» fiel der Ripasso jedoch durch: Er brachte es nur auf ein «ungenügend». Ebenso der italienische «Sessantanni Primitivo di Manduria», der auf der Berliner Wein Trophy Gold gewonnen hatte.
Etliche prämierte Weine erhalten von den fünf Experten der «K-Tipp»-Jury nur mässige oder schlechte Noten. Das zeigt: Für den Konsumenten ist eine Medaille kein Garant für guten Wein. Für Weinhändler hingegen sind solche Auszeichnungen lukrativ, sie fördern den Absatz. Aldi, Coop, Denner oder Lidl werben häufig mit Medaillen, Diplomen oder Punkten.
Die Zahl der Prämierungen steigt stetig: Ein Experte geht von weltweit rund 1000 Auszeichnungen aus. Es werden massenweise Weine degustiert. Die Berliner Juroren der Wein Trophy testeten dieses Jahr 11 538 Weine. Davon erhielten 3643 (31,6 Prozent) eine Medaille. 3018 bekamen «Gold» oder, noch besser, «Grosses Gold». Die Silbermedaille gab es für «nur» 625 Weine. Die Zürcher Expovina-Fachjury bewertete diesen Sommer 2141 Weine. 708 bekamen ein Diplom, also 33 Prozent.
Eigentlich sehen die Reglemente in Berlin und Zürich vor, dass maximal 30 Prozent der Weine eine Auszeichnung erhalten. Die Veranstalter setzen die Schwellen aber so an, dass immer mindestens 30 Prozent eine Medaille erhalten. Je nach Wettbewerb werden also Hunderte oder Tausende von Weinen ausgezeichnet.
Auch die Schweizer Weinjournalistin Chandra Kurt setzt in ihrem jährlichen «Weinseller» auf Masse. Sie empfiehlt etwa 80 Prozent der degustierten Weine zum Kauf. Das Buch umfasst jeweils rund 550 Weine.
Fachjuroren verkosten Dutzende von Weinen pro Tag
Die Zahl der Weine überfordert die Jurys. In Berlin und Zürich degustiert ein einzelner Juror bis zu 50 Weine pro Tag – aufgeteilt in vier Blöcke mit Pausen dazwischen. Da fragt sich, ob etwa die Bewertung des 34. Weines noch genauso präzis ausfällt wie die des ersten. Laut Experte Hans Bättig von der Zürcher Weinprämierung ist das «Trainingssache». Als Jurymitglieder würden einzig geübte Experten zugelassen, die nicht nur über «Sprinter-, sondern auch Marathonqualitäten» verfügten. Zum Vergleich: Beim «Swiss Beer Award» im September durfte ein Experte maximal 16 Biere bewerten. Chandra Kurt degustiert nie mehr als 30 Weine pro Tag.
Positiv: In Berlin und Zürich beurteilt eine Jury aus mindestens fünf Mitgliedern die Weine. Die Verkostung findet blind statt. Die Jury kennt nur Rebsorte und Produktionsgebiet.
Chandra Kurt dagegen degustiert nicht blind. Sie weiss also, welchen Wein sie trinkt und wie viel er kostet. Das kann ihr Urteil beeinflussen. Sie argumentiert, dass Blinddegustationen nur sinnvoll seien, wenn Gleiches mit Gleichem verglichen werde. Sie hingegen probiere jeweils verschiedene Weine aufs Mal. Und für den Konsumenten sei es von Vorteil, dass sie allein teste: Er könne sich an einer Einzelmeinung «besser orientieren» als an einem Team-Urteil.
Der Weinhändler Philipp Schwander trägt den begehrten internationalen Titel «Master of Wine». Er hat eine klare Meinung zu Weinprämierungen: «Grundsätzlich sagen Medaillen nicht allzu viel aus.» Die Qualität der Auszeichnungen sei «sehr unterschiedlich». Er verbietet seinen Produzenten, Medaillen auf die Flaschen zu kleben.
«Eine Täuschung ist möglich»
Die Juroren der Weinwettbewerbe in Berlin und Zürich degustieren nur Weine, die ihnen die Händler zusenden. Die Produzenten und Händler könnten ihnen also einfach einen qualitativ besseren Wein mit falschem Etikett unterjubeln. Laut Peter Antony von der Berliner Wein Trophy sind solche Betrügereien «in der Realität durchaus schon öfter vorgekommen». Seit 2012 lassen die Veranstalter deshalb alle Medaillengewinner in einem Labor analysieren. Bevor ein Händler die Medaille auf seine Flaschen kleben darf, muss er nochmals Proben ins Labor schicken. Nur wenn die Analyseergebnisse übereinstimmen, erhält er grünes Licht. Zudem führt die Wein Trophy gelegentlich Stichproben in Läden durch. So habe man das Problem beseitigen können, sagt Antony.
In Zürich verlassen sich die Veranstalter auf die Papiere, das Gesamtbild und Erfahrungen mit den Betrieben. «Das Missbrauchspotenzial kann ich nicht negieren», sagt Jury-Vorsteher Hans Bättig, «eine Täuschung ist möglich.»