Der Slogan ist bekannt: «Schweizer Fleisch – alles andere ist Beilage.» Die Werbekampagne läuft seit zehn Jahren. Bezahlt wird sie unter anderem aus Steuergeldern. Der Bund unterstützt die Schweizer Fleischindustrie jährlich mit mehreren Millionen Franken – 2014 waren es laut Bundesamt für Landwirtschaft 6,1 Millionen.
Doch diese Zahlungen an den Branchenverband Proviande – dem unter anderem auch Migros und Coop angehören – sind umstritten. Nationalräte reichten dazu kritische Vorstösse ein, mit der Frage: Warum unterstützt der Staat Werbung für Schweizer Fleisch? Der Bundesrat antwortete im März sehr allgemein: Die Konsumenten sollen so über «die Vorteile von einheimischem Fleisch in den Bereichen Nachhaltigkeit und Tierwohl» informiert werden.
In einer weiteren Antwort hebt der Bundesrat immer wieder die hohen schweizerischen Standards beim Tierschutz hervor: «Die Schweizer Wirtschaft zeichnet sich durch hohe Qualität und strenge Produktionsvorschriften bezüglich Tierschutz, Ökologie und Lebensmittelsicherheit aus.»
Tierwohl: Studie widerlegt Bundesrat
Die bundesrätliche Botschaft ist klar: Schweizer Fleisch sei besonders tierfreundlich produziert – und deshalb auch teurer. Und das rechtfertige auch die Finanzierung von Fleischwerbung durch die Steuerzahler.
Nur: Ausgerechnet eine Studie im Auftrag des Bundesamtes für Landwirtschaft von 2013 widerspricht den bundesrätlichen Aussagen zum Tierwohl massiv. Die Studie verglich den Tierschutz in der Schweiz mit demjenigen anderer europäischer Länder: «Auch wenn der Tierschutz im Vergleich zu anderen Ländern fortgeschritten ist, stellen die konkreten Vorschriften (...) Kompromisse dar, die zu Gunsten wirtschaftlicher Überlegungen ausgereizt sind. Die Ausführungsbestimmungen des Tierschutzrechts legen nicht fest, was tiergerecht ist, sondern was dem Tier noch zugemutet werden kann.» Konkret: Die Vorschriften definieren lediglich die Grenze zur Tierquälerei.
Diesen Befund teilt Hans-Ulrich Huber, Geschäftsführer beim Schweizer Tierschutz: «Rindermast und die Haltungsbedingungen für Mastschweine grenzen an Tierquälerei und unterscheiden sich in der Schweiz nicht gross vom Ausland.» Hubers Kritik zielt vor allem auf die konventionelle Tierhaltung – bei Bio- oder Labelfleisch würden bessere Bedingungen für die Tiere herrschen. Huber fordert deshalb: «Keine Subventionen mehr für Fleisch aus konventioneller Haltung. Wenn schon, sollten ausschliesslich Bio- und Labelfleisch gefördert werden.»
Kommt dazu: Tierschutzgesetze nützen nur etwas, wenn die Vorschriften streng kontrolliert werden. Das passiert zwar – aber: «90 Prozent der Nutztierkontrollen finden nach Voranmeldung statt, sogar bei Bio Suisse», kritisiert Huber. Somit hätten die Bauern genügend Zeit, um allfällige Missstände zu korrigieren.
«Verstösse sind schwer zu beweisen»
Zudem gibt es laut Huber etliche Vorschriften zugunsten des Tierwohls, die kaum zu überprüfen seien. Beispiel Anbindehaltung bei Rindern und Kühen: «Diese Tiere müssen laut Gesetz mindestens 90 Mal im Jahr Auslauf haben. Verstösse sind aber sehr schwer zu beweisen.»
Ein Gerichtsurteil aus der Ostschweiz zeigte kürzlich, wie lasch Kontrollen in der Realität sind («Saldo» 1/2015): Von 1282 Schweinen, die der verurteilte Bauer dem Schlachtbetrieb innert zweier Jahre ablieferte, waren 231 krank – fast jedes fünfte Tier. Auf der Liste des Gerichts waren Schäden an Herz, Lunge und Leber sowie Entzündungen und Abszesse erwähnt. Pikant: Der Bauer verkaufte seine Tiere unter dem Label «Suisse Garantie». Dieses verlangt die Einhaltung der Richtlinien «Qualitätsmanagement Schweizer Fleisch». Laut dem Gerichtsurteil basiert dieses System allerdings hauptsächlich auf Selbstkontrollen. Externe Kontrollen würden nur selten durchgeführt.