«Wie ein Sturz aus dem vierten Stock»

Kinder bis zu zwei Jahren sollten im Auto gegen die Fahrtrichtung sitzen. So kann man gravierende Verletzungen verhindern. Neue Sitzsysteme machen das möglich.

Inhalt

K-Tipp 03/2013

13.02.2013

Darko Cetojevic

Kostenpflichtiger Artikel

Melden Sie sich bitte an oder wählen Sie eines unserer Print- oder Online-Abos mit kostenloser Rechtsberatung und vielen weiteren Vorteilen.

Abo ab 8 Franken

Anmelden

Kinder unter zwölf Jahren müssen im Auto in speziellen Sitzen mitfahren, wenn sie kleiner als 1,5 Meter sind. Babys fahren heute schon in einer Schale mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Doch sobald das Kind sitzen kann, wird es in einem speziellen Sitz in Fahrtrichtung transportiert.

Das birgt Risiken. Denn rund die Hälfte aller gefährlichen Kollisionen von Autos erfolgt frontal. Dabei können Kinder in den in Fahrtrichtung montierten Kindersitzen schwere Verletzungen erleiden.

Zu diesem Schluss kommen Autounfallforscher der renommierten Zürcher Arbeitsgruppe für Unfallmechanik (AGU). Besonders betroffen sind Kinder bis zwei Jahre. Der Grund: Ihr Kopf ist vergleichsweise schwer, ihre Nackenmuskulatur und ihre Wirbelsäule sind in diesem Alter noch nicht richtig ausgebildet. Bei einer Frontal-kollision wird der Kopf des Kindes nach vorne geschleudert. Dabei halten die Gurte die Schultern zurück, und es kann laut der AGU zu «kritischen Halswirbelsäulen-Belastungen» kommen.

Die Verletzungsrisiken sind enorm: «Bei einem Frontalaufprall mit 50 km/h auf ein stehendes Hindernis entspricht die Aufprallwucht für ein 20 Kilogramm schweres Kind einem Sturz aus dem vierten Stock eines Wohnhauses auf eine Betonplatte», schreibt der Deutsche Automobilclub (ADAC). Die Wucht eines solchen Aufpralls kann die Halswirbelsäule nicht auffangen. Die AGU empfiehlt deshalb: Kinder sollen «solange es möglich ist, am besten bis 18 oder 24 Monate», in rückwärtsgerichteten Sitzen mitfahren, sogenannten Reboard-Sitzen. Diese können das Risiko von schweren Verletzungen deutlich verringern. Diese Sitze wirken wie ein Schutzschild. Sie verteilen die Aufprallwucht gleichmässiger über den Körper des Kindes und stützen den Kopf besser. Dies zeigen Erfahrungen aus Schweden, wo die rückwärts gerichteten Sitze seit Jahren Standard sind. Der Nachteil: Sie sind ohne die speziellen Isofix-Verankerungen komplizierter einzubauen und in der Regel teurer als vergleichbare vorwärts gerichtete Sitze. Beispiel: Ein Reboarder mit Isofix von Cybex kostet mit 600 Franken rund doppelt so viel wie ein vorwärts gerichteter Sitz derselben Marke.

Wichtig zu wissen: Rückwärts gerichtete Sitze werden demnächst für Kinder bis 15 Monate obligatorisch. In etwa einem halben Jahr tritt in der EU eine entsprechende Regelung definitiv in Kraft. Christoph Rohner vom Bundesamt für Strassen bestätigt: «Die Schweiz wird diese Regelung voraussichtlich ein paar Monate später ins Landesrecht übernehmen.»

Kaum Reboarder im Handel

In den Läden sind die Reboarder allerdings noch Mangelware, wie eine aktuelle K-Tipp-Stichprobe zeigt. Von zehn Fachgeschäften war nur in dreien je ein Reboard-Sitz zu finden – nämlich bei HW Babycenter in Sargans SG, Babyhaus Wehrli in Dietlikon ZH sowie Babyjoe.ch in Wil SG. Im Internet verkauft 4mybaby.ch drei Modelle.

Kindersitze: Vor dem Kauf probeweise einbauen

Bei Auto-Kindersitzen muss man folgende Punkte beachten:

Bei der Anschaffung eines Autos sollte man darauf achten, dass es mit dem Verankerungssystem Isofix ausgerüstet ist. Damit lassen sich Kindersitze und Schalen am sichersten fixieren.
Doch nicht alle Autos haben diese Verankerungen eingebaut. Fehlen sie, muss man auf Universal-Kindersitze zurückgreifen. Diese werden nur mit dem Sicherheitsgurt befestigt.
Ob Isofix oder Universal – vor dem Kauf sollte man den Kindersitz unbedingt probeweise im eigenen Auto einbauen und das Kind hineinsetzen. Der Sitz darf weder rutschen noch kippen. Der Testeinbau ist vor allem bei Universal-Kindersitzen wichtig. Hier sind nämlich für manche Kindersitze die Sicherheitsgurte zu kurz, um als Befestigungen zu dienen.
Wer den Kindersitz rückwärts gerichtet platziert, hat das Kind nicht mehr im Blickfeld. Dieses Problem lässt sich mit einem speziellen Babyspiegel beheben. Diesen kann man an der Kopfstütze des Rücksitzes montieren – er ist ab 30 Franken zu haben.
Bei den Sicherheitsgurten in den Babyschalen und den Kindersitzen darf zwischen Kind und Gurt nur eine flache Hand passen.
Seitliche Airbags bieten auch für Kinder zusätzlichen Schutz – aber nur, wenn sie aufrecht sitzen. Bei einer schrägen Schlafstellung hin zur Tür kann der Airbag Kopf- oder Halswirbel verletzen.
Auf www.agu.ch/pdf/Autokindersitze.pdf sind Empfehlungen der Zürcher Arbeitsgruppe für Unfalldynamik nachzulesen.

Bitte aktivieren Sie Javascript um diese Seite optimal nutzen zu können.

Inhalt

Kostenpflichtiger Artikel

Das könnte Sie ebenfalls interessieren

Einstieg in die E-Mobilität

Die Romandie entdecken

Besser leben im Alter