Aber bitte mit Sahne - und ohne Kolibakterien
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11 von 30 Schlagrahmproben aus Restaurants enthielten zum Teil massiv mehr Keime als zugelassen. Der Berner Kantonschemiker will nun durchgreifen.
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K-Tipp 13/2003
20.08.2003
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Die Geschichte wiederholt sich. Jedes Jahr. Die Lebensmittelinspektoren der kantonalen Laboratorien nehmen bei Kontrollen in Restaurants Schlagrahmproben mit und lassen sie untersuchen. Regelmässig werden Toleranzwerte der Gesamtkeimzahl und von Entero- und Kolibakterien überschritten (siehe Kasten). Musste das Kantonslabor im Kanton Bern in den letzten zwei Jahren 21 und 43 Prozent der Proben beanstanden, fand das Zürcher Labor im Jahr 2001 sogar bei über 50 Prozent der Proben zu viele Keim...
Die Geschichte wiederholt sich. Jedes Jahr. Die Lebensmittelinspektoren der kantonalen Laboratorien nehmen bei Kontrollen in Restaurants Schlagrahmproben mit und lassen sie untersuchen. Regelmässig werden Toleranzwerte der Gesamtkeimzahl und von Entero- und Kolibakterien überschritten (siehe Kasten). Musste das Kantonslabor im Kanton Bern in den letzten zwei Jahren 21 und 43 Prozent der Proben beanstanden, fand das Zürcher Labor im Jahr 2001 sogar bei über 50 Prozent der Proben zu viele Keime.
Die Konsequenzen sind aber milde. Den Wirten blühen keine saftigen Strafen, sondern nur Verfügungen, in denen sie aufgefordert werden, besser zu putzen.
Rahmkontrollen werden zwar in den meisten Kantonen regelmässig durchgeführt. Die Resultate aus den Kontrollen der kantonalen Labors sind zwar öffentlich zugänglich, die Namen der Sünder bleiben aber Geheimnis der Behörden.
Für den K-Tipp war das schöne Ausflugswetter Anlass herauszufinden, wo der Schlagrahm auf dem Coupe nicht ganz so appetitlich ist, wie er aussieht. In 30 Restaurants und Cafés bestellten K-Tipp-Redaktoren eine Kugel Glace mit Schlagrahm. Fein säuberlich schaufelten sie den Rahm ab, verpackten die geschlagene Masse in sterilisierte Becher und brachten sie gekühlt zur Analyse ins Labor Veritas in Zürich.
Zehn Analyse-Ergebnisse waren tadellos - Urteil «sehr gut». Weitere neun Gastbetriebe erreichten aus hygienischer und gesundheitlicher Sicht absolut unbedenkliche Resultate, auch wenn die Gesamtkeimzahl im messbaren Bereich liegt. Auch sie erfüllen die gesetzlichen Vorgaben - achtmal Urteil «gut», fürs Café Heini in Luzern «genügend».
Elf Betriebe oder rund ein Drittel haben die Toleranzwerte überschritten (siehe Tabelle), entweder bei der Gesamtkeimzahl oder bei den Entero- (für UHT-Rahm) beziehungsweise Kolibakterien (für Pastrahm). Unter ihnen finden sich klingende Namen: Starbucks in Basel, Restaurant Dählhölzli in Bern und gar das bekannte Waldhaus Dolder am Zürichberg. Besonders unerfreulich waren die Ergebnisse vom Zürcher Zoorestaurant Outpost und vom Basler Tea Room Schiesser: Die Pastrahm-Proben enthielten zirka 1000 KBE/g der Fäkalbakterien E. coli.
Schuld ist meist die Rahmmaschine
Die Betriebe haben auf die Resultate mehrheitlich mit dem Versprechen reagiert, die Reinigungsmethoden zu überprüfen und zu verbessern. So hat das Restaurant Dählhölzli dem K-Tipp umgehend eine detaillierte Mängelanalyse zugeschickt mit Auflistung der Massnahmen. Das Waldhaus Dolder will mit einem Prüflabor abklären, ob es sich um ein technisches Problem oder um eine unzureichende Reinigung der Rahmmaschine handelt.
Die Rahmmaschine ist denn auch in aller Regel die Ursache von unappetitlichem Schlagrahm. Denn die Reinigung ist anspruchsvoll. Der stellvertretende Berner Kantonschemiker Erhard Walter betont, dass viele kleine Betriebe diese aufwändige Arbeit kaum zu leisten vermögen.
Auch beim Gastgewerbeverband Gastrosuisse ist man sich der Problematik bewusst und behandelt sie vertieft in Kursen. Verbandsdirektor Florian Hew schätzt, dass Reinigung, Desinfektion und laufende Betreuung einer Rahmmaschine mehr als eine halbe Stunde Arbeit täglich in Anspruch nehmen. Hew verweist aber auch auf ein technisches Problem: Da der Rahm am Ausgabestutzen nicht gekühlt wird, können sich dort Bakterien schnell vermehren.
Offensichtlich nützen jedoch Ermahnungen nichts, egal ob sie von den Kantonslabors oder von Gastrosuisse kommen. Nun haben die Chefs des Berner Kantonslabors die Nase voll. «Jahrelang haben wir fehlbare Wirte gemahnt, geändert hat sich aber nichts», ärgert sich Erhard Walter. Seit dieser Saison greifen die Berner durch.
«Überschreitet ein Gastbetrieb die Toleranzwerte, darf er die Rahmmaschine nicht mehr verwenden», so Walter. Der Betrieb müsse Auflagen erfüllen wie Revision der Rahmmaschine, Schulung der Mitarbeiter, bessere Anleitungen für die Reinigung und Desinfektion der Maschinen. Erst wenn die Gaststätte alle Auflagen erfüllt habe und Beweise dafür vorlege, könne sie die Rahmmaschine wieder in Betrieb nehmen. «In der Zwischenzeit müsse sich der Betrieb mit Schlagrahm aus dem Rahmbläser oder aus der Dose behelfen.»
Weshalb so viele Restaurants trotz der aufwändigen Arbeit und den Scherereien mit den kantonalen Labors nicht auf die Rahmmaschine verzichten, ist schwer nachvollziehbar. «Kleinere Unternehmen sind gut beraten, auf Rahm aus der Dose oder aus dem Rahmbläser umzustellen», sagt Gastrosuisse-Direktor Hew.
Das St. Galler Restaurant Bierfalken hat bereits vor ein paar Jahren auf Dosenrahm umgestellt - aus Hygienegründen. «Zuvor hatten wir immer Probleme mit der Rahmmaschine», sagt Pächter René Rechsteiner. Für ihn geht die Rechnung auf: weniger Reinigungsaufwand, keine Schulungen für die Mitarbeiter. «Den höheren Preis für die Dosen nehme ich in Kauf.» Dieses Vorgehen hat sich gelohnt: Sein Schlagrahm gab im K-Tipp-Test zu keiner Kritik Anlass.
Kolibakterien als Gradmesser für Hygiene
Gastbetriebe müssen dafür sorgen, dass die Lebensmittel «nicht durch Mikroorganismen beeinträchtigt werden». So stehts in der Hygieneverordnung. Bei geschlagenem Rahm definiert die Verordnung Höchstwerte, die bei sachgerechtem Verarbeiten und Aufbewahren des Rahms vom Melken der Kuh bis zum Servieren auf dem Coupe nicht überschritten werden dürfen.
Die Hygieneverordnung legt Toleranzwerte fest für die Gesamtkeimzahl, für Entero- und Kolibakterien sowie für Staphylokokken. Die verwendete Einheit für Mikroorganismen ist die koloniebildende Einheit pro Gramm (KBE/g).
- Bei UHT-Rahm ist der Toleranzwert für die Gesamtkeimzahl auf 100 000 KBE/ g festgelegt. Eine erhöhte Keimzahl kann durch mangelnde Hygiene bei der Herstellung oder im Restaurant entstehen, aber auch, wenn der Rahm nicht permanent ausreichend gekühlt wurde. Mit gesundheitlichen Folgen ist in der Regel nicht zu rechnen.
- Bei Pastrahm beträgt der Toleranzwert für die Gesamtkeimzahl 1 Million KBE/g. Weil beim Pasteurisieren nicht alle Keime abgetötet werden, lässt die Verordnung hier eine deutlich höhere Keimzahl zu. Es können sich im Rahm auch zu viele Keime bilden, wenn der Hersteller das Haltbarkeitsdatum zu grosszügig bemisst.
- UHT-Rahm darf nicht mehr als 10 KBE/g Enterobakterien enthalten, Pastrahm nicht mehr als 10 KBE/g Kolibakterien (Fäkalbakterium E. coli). Koli- wie Enterobakterien sind gute Gradmesser für die Hygiene bei der Herstellung des geschlagenen Rahms in der Küche.
- Staphylokokken (Eiterbakterien) sind der gesundheitlich bedenklichste Mikroorganismus im Rahm. Bei keiner der Proben, die der K-Tipp genommen hat, wurde die Nachweisgrenze von 100 KBE/g erreicht.
(rom)