Am Verfallsdatum verfallen
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K-Tipp 8/2001
25.04.2001
Fertig-Teigwaren unter dem Mikroskop 2 von 23 Stichproben waren am Ablauftag ungeniessbar
Vorgekochte Teigwarenprodukte sind praktisch. Doch die Express-Mahlzeiten haben ihre Tücken. Ein Härtetest des K-Tipp zeigt: Am Verfallstag waren nicht mehr alle einwandfrei.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Beutel aufschneiden, Tortelloni ins kochende Wasser geben, nach zwei Minuten Wasser abschütten und mit etwas Butter servieren. Ob Ravioli, Tortelloni, Cappe...
Fertig-Teigwaren unter dem Mikroskop 2 von 23 Stichproben waren am Ablauftag ungeniessbar
Vorgekochte Teigwarenprodukte sind praktisch. Doch die Express-Mahlzeiten haben ihre Tücken. Ein Härtetest des K-Tipp zeigt: Am Verfallstag waren nicht mehr alle einwandfrei.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Beutel aufschneiden, Tortelloni ins kochende Wasser geben, nach zwei Minuten Wasser abschütten und mit etwas Butter servieren. Ob Ravioli, Tortelloni, Cappelletti mit Fleisch-, Gemüse- oder Ricottafüllung, als Alternative Gnocchi oder Eierspätzli - Fertigteigwaren aus dem Beutel sind einfach zuzubereiten.
Frisch sind die gebrauchsfertigen Teigwaren - offiziell Nassteigwaren genannt - aber nicht: Beim Hersteller wurden sie gekocht und pasteurisiert, oft sogar zweimal, dann liegen sie tage- oder gar wochenlang im Laden und im Kühlschrank.
Die Hygieneverordnung legt fest, wie viele Keime und mögliche Krankheitserreger gebrauchsfertige Teigwaren enthalten dürfen.
Darauf gestützt wollte der K-Tipp wissen, ob den Teigwaren zu trauen ist. Im Interlabor Belp liessen wir die Proben von 23 Produkten (15 Gnocchi und gefüllte Teigwaren, 8 Spätzli) auf die Keimzahlen untersuchen.
Die Proben wanderten gleich nach dem Einkauf in eine Kühlbox und kamen so mit einer Temperatur von 8 Grad im Labor an. Um die Dauer eines Einkaufs zu simulieren, lagerten die Prüfer die Proben während dreier Stunden bei Raumtemperatur. Anschliessend kamen sie bis zum Verfallsdatum in den Kühlschrank.
Das Labor hat dann jede Probe am jeweiligen aufgedruckten Verfallstag untersucht. Geprüft hat es die Proben nicht nur auf die Gesamtzahl der Keime, sondern auch auf Krankheitserreger, die zu Durchfall und Erbrechen führen können.
Das Ergebnis: Krankheitserreger fand das Labor in keiner Probe.
Bei der Gesamtkeimzahl fand das Labor jedoch deutliche Unterschiede. Die Spanne reichte von 27 bis 990 000 Keimen pro Gramm bei den Spätzli, von 40 Keimen bis 74 Millionen bei den anderen Teigwaren. Der Toleranzwert gemäss Hygieneverordnung liegt bei einer Million Keime pro Gramm.
Für die immensen Unterschiede kommen zwei Gründe in Frage: unterschiedliche Keimbelastung bei der Herstellung sowie erhebliche Abweichungen bei der Lagertemperatur während des Transports oder im Verkaufsregal.
Die Anforderungen nicht erfüllt haben
- Kartoffel-Gnocchi von Traiteur Seiler mit 74 Millionen gemessenen Keimen pro Gramm, gekauft im Volg Hinwil ZH
- Tortelloni mit Fleischfüllung von Coop - am Verfallstag war das Probeexemplar sichtbar verschimmelt.
Den Belastungstest nur knapp bestanden haben
- Tortelloni Fiorentina von Traiteur Seiler, eingekauft bei Waro Volketswil ZH, mit einer Gesamtkeimzahl von 1 Million pro Gramm
- 500-Gramm-Packung Eier-Spätzli von Coop mit 990 000 Keimen.
Die Anbieter der beanstandeten Tortelloni und Kartoffel-Gnocchi kritisieren die Testbedingungen. Wegen der Lagerung bei Zimmertemperatur sei eine Erhöhung der Gesamtkeimzahl «nicht verwunderlich, sondern zu erwarten», äussert sich Robert Büchler, Geschäftsführer der Firma Pastinella, welche die Traiteur-Seiler-Produkte herstellt.
Zusätzlich müsse wohl ein Unterbruch in der Kühlkette aufgetreten sein; andernfalls wären derart hohe Keimzahlen kaum möglich gewesen.
Auch Coop stört sich daran, dass die Beutel während dreier Stunden ungekühlt waren. «Das Analyseresultat wurde dadurch klar verfälscht», kommentiert Coop-Pressesprecher Karl Weisskopf das Resultat. Coop wirft dem K-Tipp vor, «de facto die gesetzlichen Vorschriften zu verschärfen».
Ernst Jakob vom Prüflabor räumt zwar ein, dass bei amtlichen Kontrollen die Prüflinge immer gekühlt blieben. «Der Schimmelpilz beim Coop-Produkt wäre aber auch ohne Unterbruch der Kühlung gewachsen.»
Weisskopf vermutet weiter, dass der Coop-Beutel im Laden oder nach dem Kauf beschädigt worden sei, da «nur eine Stelle verschimmelt war und alle anderen Werte einwandfrei sind».
Laut Testlabor war die Packung allerdings «ungeöffnet und absolut intakt». In der Produktion müsse beim Pasteurisieren mindestens eine Pilzspore überlebt haben. Nachdem die Tester die verschimmelte Stelle entfernt hatten, erzielte die Probe tatsächlich ein gutes Ergebnis. Das sei aber irrelevant, denn «bei einer von Auge sichtbaren Verschimmelung ist die Probe nicht mehr einwandfrei».
Für Lebensmittelingenieur Jakob zeigen solche Resultate, dass die Haltbarkeitsfristen oft «total ausgereizt» würden. Denn: Wenn die Hersteller das Verfallsdatum so weit hinauszögern, halten die Produkte nur noch unter optimalen Lagerbedingungen.
Dieser Meinung ist auch der Berner Kantonschemiker Urs Müller; er kritisiert «eine zu lange Datierung» bei vorgekochten Speisen wie Fertig-Spätzli und -Ravioli.
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So halten Sie die Keimzahl tief
- Befördern Sie die Einkäufe möglichst schnell vom Laden in den eigenen Kühlschrank.
- Transportieren Sie die Waren wenn möglich in einer Kühltasche oder Kühlbox.
- Verzehren Sie die Teigwaren bald nach dem Einkauf, nicht erst am Verfallsdatum oder kurz davor.
- Legen Sie heikle Lebensmittel unten in den Kühlschrank, am besten über die Gemüseschublade.
- Kontrollieren Sie regelmässig die Kühlschrank-Temperatur. Sie sollte im mittleren Fach zirka 5 Grad betragen.