Bei Belastung Bruch
Von 14 getesteten Nordic-Walking-Stöcken sind bloss drei «gut». Viele Stöcke überzeugten im Praxis- oder Labortest nicht, zwei wurden gar aus dem Verkehr gezogen.
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K-Tipp 8/2006
19.04.2006
Rolf Muntwyler - rolf.muntwyler@ktipp.ch
Vor ein paar Jahren wunderte man sich über Leute, meist Frauen, die mit zackigem Schritt und schwingenden Armen durch Städte und Dörfer marschierten. Dieses so genannte Walking wurde und wird von vielen belächelt.
Ganz anders das Nordic Walking: Das Laufen mit Stöcken auf schneefreiem Untergrund hat sich innert vier Jahren zum Volkssport entwickelt. «Gerade für Männer ist diese Bewegungsform attraktiv, nicht zuletzt, weil sie für sportliche Betätigungen gerne Sportgerät...
Vor ein paar Jahren wunderte man sich über Leute, meist Frauen, die mit zackigem Schritt und schwingenden Armen durch Städte und Dörfer marschierten. Dieses so genannte Walking wurde und wird von vielen belächelt.
Ganz anders das Nordic Walking: Das Laufen mit Stöcken auf schneefreiem Untergrund hat sich innert vier Jahren zum Volkssport entwickelt. «Gerade für Männer ist diese Bewegungsform attraktiv, nicht zuletzt, weil sie für sportliche Betätigungen gerne Sportgeräte benutzen», begründet Beat Ackermann, Geschäftsführer von Allez hop, diese Entwicklung.
Allez hop steht für ein nationales Programm, das inaktive Menschen zu mehr Bewegung animieren will.
Walking hier, Nordic Walking dort: Die Unterschiede sind gar nicht so gross. Keine der beiden Bewegungsformen fordert zu sportlichen Höchstleistungen heraus. Man braucht sich nicht «auszukotzen», muss sich nicht an fixe Trainingszeiten halten und kann von der Haustür aus loslaufen. Die Gelenke werden nur minim belastet, die Anstrengung ist aber ausreichend für einen positiven gesundheitlichen Effekt.
Rund 600 Muskeln werden trainiert
Ein grosses Plus bietet aber die nordische Variante des Marschierens im Vergleich zum herkömmlichen Walking: Beine, Arme und Rumpf werden gleichermassen auf Trab gehalten. Dank der ausholenden Armbewegungen setzen sich 90 Prozent des Muskelapparats in Bewegung - das sind rund 600 Muskeln.
Die Attraktion von Nordic Walking lässt sich an den Allez-hop-Kursen ablesen. «Die Zahl der Teilnehmer dürfte sich um die 20 000 pro Jahr bewegen», so Beat Ackermann. Die Verkaufszahlen sind entsprechend hoch: Gegen 170 000 Paar Stöcke dürften es letztes Jahr gewesen sein, schätzt René Urfer von Leki. «Und die Zahlen im ersten Quartal 2006 deuten auf eine weitere Steigerung hin.»
Einen Kurs zu belegen, macht Sinn. «Nur mit der richtigen Technik trainiert man auch Arm- und Rückenmuskulatur», sagt Instruktorin Cornelia Nigg von Lifetime Health in Zürich, die Kurse im Bereich der Gesundheitsförderung anbietet. Ohne Anleitung gewöhne man sich falsche Bewegungen an.
Fürs Nordic Walking braucht es ein Paar gute Laufschuhe, bequeme Kleidung - und natürlich ein Paar Stöcke. Die Preisspanne bei den angebotenen Stöcken ist immens. Grund genug, sich eine Auswahl der meistverkauften Stöcke genauer anzusehen.
Das Prüflabor TÜV Süd in München hat für K-Tipp und Kassensturz 14 Walking-Stöcke von 20 bis 200 Franken - 3 ausziehbare und 11 mit fixer Länge - im Labor auf ihre Robustheit untersucht. Ausserdem wurden sie von Anfängern und erfahrenen Walkern in der Praxis bewertet.
Sowohl im Labor- wie auch im Praxistest sind die Unterschiede riesig. Nur drei Stöcke überzeugten und schnitten mit dem Gesamturteil «gut» ab.
Verletzungsrisiko beim One Way Mania
Schon im Labortest zeigten viele Modelle Schwächen. Hier wurden die Stöcke mit Druck belastet (Kriterium Haltbarkeit): Bei mässigem Druck soll sich der Stock zwar verformen - er muss sich aber anschliessend in die ursprüngliche Form zurückbewegen.
Schwach war hier Exel NW Family, vor allem aber Fizan NW Route, der nach dem Test verformt blieb.
In einem zweiten Test mit grösserem Druck wurde der Stock belastet, bis er nicht mehr standhalten konnte. Dabei darf er knicken oder zerbrechen, aber nicht gefährlich splittern.
One Way Mania splitterte an der Bruchstelle und zerfiel in zwei Teile mit scharfkantigen Enden. Andere Stöcke zerbrachen, aber ohne gefährliche Bruchstellen. One Way will das Resultat nicht gelten lassen. Andreas Bennert, Präsident von One Way Sport in Helsinki (Finnland), schreibt als Reaktion auf das K-Tipp-Resultat, hochwertige Carbon-Stöcke würden bei Brüchen oft zu «abstehenden Teilen» führen. «Bricht ein Stock gradlinig ab, liegt eine deutlich mindere Qualität in der Herstellung vor.»
Beim TÜV Süd hält man diese Einschätzung nicht für plausibel und stuft die Bruchstellen als eindeutig verletzungsgefährdend ein.
Firma nimmt Exel-NW- Family-Stöcke zurück
Der - ausziehbare - Teleskopstock Exel NW Family bekam im Belastungstest schlechte Noten, weil er zu früh brach. Exel reagiert auf die unbefriedigenden Testresultate: «Käufer können Exel-Family-Stöcke über den Fachhandel zurückgeben.» Verarbeitungsfehler hätten zu diesem schlechten Resultat geführt. Der Stock sei «als Zwischenlösung» hergestellt worden, weil man die Nachfrage befriedigen wollte. Die Produktion werde eingestellt.
Das Labor untersuchte auch, wie gut der Halt auf Asphalt (mit dem entsprechenden Aufsatz) und Eis (mit der Spitze) ist. Keines der Sportgeräte konnte hier voll überzeugen.
Bei den drei ausziehbaren Modellen wurde zusätzlich untersucht, ob die eingestellte Stockhöhe unter Belastung bestehen bleibt. Der Fizan NW Route konnte diese Anforderung nicht erfüllen.
Ein robuster Stock nützt aber nichts, wenn er im Praxistest versagt. Deshalb probierten 13 wenig geübte Mitglieder der Walking-Gruppe in St. Gallen und 6 Nordic-Walking-Instruktoren der Firma Lifetime Health jeden der 14 Stöcke aus und verteilten Noten: erstens für Griff und Schlaufe, zweitens für den Stock.
Ein einziges Modell erhielt für beide Praxiskriterien eine positive Bewertung: Leki Platinum. Dieses Leki-Modell ist denn auch einer der drei Stöcke, denen es zu einem «guten» Gesamturteil reichte.
Griff und Schlaufe wurden von den Test-Sportlern oft als störend empfunden. Liegt der Griff schlecht in der Hand oder ist die Schlaufe zu gross, vergällt das die Freude am Walken. Auch kann ein schlechter Übergang von der Schlaufe zum Griff zu Blasen zwischen Daumen und Zeigefinger führen.
In diesem Kriterium stuften die Testpersonen Reebok Tech Walk, Fizan M-Budget und Ontario Expert als unbefriedigend ein.
Das Gleiche gilt bei den längenverstellbaren Teleskopstöcken für den Fizan NW Route.
Einstimmig war das Urteil im Praxistest beim Ontario Expert: Die erreichten 7 Punkte für «Griff und Schlaufe» entsprechen der Schulnote 1,4. Die Schlaufe sei «schlecht», «lausig» oder «unbrauchbar», weil sie nicht einstellbar sei, so einige Kommentare der Testpersonen. Dieser Mangel führt dazu, dass die Hand beim Schwung nach hinten aus der Schlaufe rutscht.
Ochsner Sport schreibt dem K-Tipp: «Ihre Anmerkungen nehmen wir ernst und haben beim Produzenten reklamiert.» Die Ladenkette hat aber auch gleich Konsequenzen gezogen und den Stock sofort aus dem Verkauf genommen.
Gewicht macht sich negativ bemerkbar
Beim Kriterium «Stock» ging es vor allem um Federung und Vibration. Ist er zu starr, überträgt sich jeder Stockeinsatz unangenehm in die Arme; ist er zu weich, stört die Vibration.
Auch hier verpassten die Tester zwei Modellen mit fixer Länge (Fizan M-Budget und Ontario Expert) sowie allen drei Teleskopstöcken ungenügende Noten. In diese Noten floss auch das höhere Gewicht der ausziehbaren Stöcke ein, das einige der Testpersonen als Kritikpunkte notierten. Die deutlichen Gewichtsunterschiede (173 bis 240 Gramm) entgingen ihnen also nicht.
Ein Blick auf die Preise zeigt: Es lohnt sich kaum, mit Billigstöcken einzusteigen. Der günstigste «gute» Stock kostet 149 Franken, der preiswerteste «genügende» knapp 100 Franken. Für einmal gilt, dass es teurer zu stehen kommt, wenn man billig einkauft.
Von guten und schlechten Stöcken
Fürs Nordic Walking benötigen Sie praktisch keine Ausrüstung. Umso mehr lohnt sich die sorgfältige Wahl der richtigen Stöcke - wie die vielen mittelmässigen und schlechten Noten im Praxistest beweisen.
Drei Stocktypen stehen zur Auswahl:
- Stöcke mit fixer Länge
- Teleskopstöcke sind ausziehbar und können deshalb von verschiedenen Personen benutzt werden.
- Vario-Stöcke. Sie sind nur in einem kleinen Bereich verstellbar und können dem Gelände angepasst werden.
Der Test zeigt, dass Teleskopstöcke einige Nachteile mit sich bringen. Für Anfänger dürften sich deshalb Stöcke mit fixer Länge am besten eignen.
- Stocklänge: Im Stand sollten Ober- und Unterarm einen rechten oder etwas grösseren Winkel bilden. Sind die Stöcke länger, kann das zu Verspannungen beim Walken führen.
- Modelle aus Karbon oder Fiberglas sind leichter und stabiler als solche aus Aluminium.
- Griffe sollen schlank und ergonomisch geformt sein.
- Optimal sind Griffe aus natürlichen Materialien wie Kork und Kautschuk. Griffe mit Schnickschnack, wie speziell geformte Kunststoffgriffe, kann auf die Dauer eher stören als nützen.
- Schlaufen müssen ohne Druckstellen perfekt - das heisst eng - sitzen. Das Material sollte weich und doch stabil sein.
- Stufenloses Verstellen der Schlaufen ist ein Muss, wenn möglich mittels Klettband.
- Linke und rechte Schlaufe sollten seitenverkehrt geformt sein.
- Stock mit auswechselbarer Spitze kaufen, damit stumpfe Spitzen ersetzt werden können.
- Mit den Stöcken im Laden eine Runde drehen und sie ein paar Minuten in den Händen halten.
(rom)
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