Ski- und Snowboardhelme gehen in der kalten Jahreszeit weg wie warme Semmeln. Gemäss Schätzungen wurden letzten Winter gegen 300 000 Stück verkauft.
Beim Kauf kann man nicht abschätzen, ob ein Helm seine Funktion tadellos erfüllt - den Kopf bestmöglich zu schützen. Zwar sind die meisten Modelle auf dem Schweizer Markt nach der Europäischen Norm (EN 1077) geprüft, dennoch zeigt sich in Tests, dass viele Helme mangelhaft sind.
Auch im neuen K-Tipp-Test war es nicht anders - drei Modelle haben versagt.
K-Tipp und Kassensturz hatten zwölf Ski- und Snowboardhelme gekauft, hauptsächlich solche, die sich laut Angaben von Herstellern und Händlern gut verkaufen. Die Preise der getesteten Helme liegen zwischen 79 und 289 Franken.
Die Helme kamen bei der Empa St. Gallen unter den Hammer - und das im wörtlichen Sinn: In einer Prüfung werden sie auf einen Prüfkopf gesetzt, dann knallen sie mit Wucht auf den Amboss.
Erfreuliches Ergebnis des Tests: Carrera Nerve für Fr. 220.- ist «sehr gut», vier weitere Helme sind «gut». Darunter auch günstige Modelle wie Rossignol Toxic Blue für Fr. 89.- und Obscure Inmould für Fr. 79.-.
Auf der Schattenseite stehen drei Helme mit bedenklichen Messwerten: Sie haben im wohl wichtigsten Teiltest, der Stossdämpfung, versagt und damit die Anforderungen gemäss Norm nicht bestanden:
- Head Pro, eingekauft bei Coop Bau+Hobby für Fr. 129.-
- Alpina Nuts, eingekauft bei Ochsner Sport für Fr. 139.90
- CP Greyhound, eingekauft bei Manor für Fr. 149.-
Head Pro hat den tolerierbaren Stossdämpfungswert von 250 g - g steht für Erdbeschleunigung - knapp überschritten. Die Firma schreibt dem K-Tipp, man werde die Helme nachtesten lassen, «um herauszufinden, ob der vorliegende Messwert einen Einzelfall darstellt». Die geringe Überschreitung liege aber innerhalb der Messtoleranz von 2 Prozent, der «laut dem deutschen Prüflabor TÜV für Wiederholungstests angewendet wird».
Die Empa weicht auch bei Nachtests nicht von den Vorgaben der Norm ab.
Eine Toleranz zu Ungunsten der Sicherheit ist umso fragwürdiger, als die Norm in diesem Punkt nicht sehr streng ist. Der Test imitiert nämlich eine Aufprallgeschwindigkeit von nur zirka 20 km/h.
Auf der Piste ist das Tempo mit Sicherheit in den meisten Fällen höher - sei es beim Aufprall auf einer eisigen Fläche oder bei einem Zusammenstoss mit einem anderen Fahrer.
Den erlaubten Stossdämpfungswert von 250 g deutlich überschritten hat Alpina Nuts (266 g), gar massiv CP Greyhound (329 g). Die Vertreiberin beider Helme, Alpina Sport+Optik, schreibt dem K-Tipp, sie habe «umgehend weitere Tests und Kontrollen» angeordnet. Alle Nachtests hätten «einen korrekten Dämpfungswert ergeben». Allerdings stammten diese nachgetesteten Helme aus der aktuellen Produktion.
CP Greyhound bildet das Schlusslicht
Am besten abgeschnitten hat in diesem Kriterium (wie auch im gesamten Test) der Helm von Carrera. Der schlechteste von vier gemessenen Werten bei der Stossdämpfung lag bei ausgezeichneten 177 g.
Beim Prüfpunkt Durchdringfestigkeit sticht bloss ein Resultat ins Auge: Die Stahlspitze hat beim CP-Helm Greyhound erst 2 Millimeter vor dem Prüfkopf Halt gemacht.
Doch wie kommt es, dass immer wieder Helme, die den Normtest bestanden haben, in unabhängigen Tests durchfallen? Dafür gibt es drei mögliche Erklärungen:
- Will ein Hersteller einen Helm auf dem europäischen Markt verkaufen, verlangt das Gesetz bloss eine «Baumusterprüfung». Dieser einmalige Test wird mit einer begrenzten Zahl Helme durchgeführt. Hat ein Helmmodell diesen einen Test bestanden, darf es das Normzeichen EN 1077 ohne andere Kontrollen tragen. Doch Produktionsschwankungen können ohne weiteres zu abweichenden Resultaten führen.
- Die Hersteller nehmen Saison für Saison kleinere Änderungen an ihren Helmmodellen vor. Dadurch kann sich die Sicherheit eines Helms verschlechtern. Deshalb ist es notwendig, dass die Hersteller ihre Helme immer wieder intern nachtesten lassen.
Nur Helme mit Prüfsiegel kaufen
Die Norm verlangt, dass ein Helm an jenen Stellen getestet wird, wo die Prüfer einen Schwachpunkt vermuten. Das lässt den Prüflaboratorien, die die Helme zertifizieren, einen gewissen Spielraum, der die Resultate beeinflusst.
Trotz aller Verwirrung gilt weiterhin die Empfehlung, ausschliesslich Helme mit diesem Prüfsiegel zu kaufen. Denn man geht davon aus, dass Helme ohne die EN-1077-Prüfung viel schlechter abschneiden würden.
Auf jeden Fall reduzieren Helme bei einem Unfall des Sportlers das Risiko von Kopfverletzungen. Klare Zahlen gibt es zwar nicht, aber die BfU gelangt mit Hochrechnungen zum Schluss, dass sich dank der aktuellen Helmtragquoten jährlich rund 2500 Kopfverletzungen vermeiden lassen. Damit können geschätzte 60 Millionen Franken an Unfall- und -folgekosten gespart werden.
Die Zunahme von Helmträgern ist frappant: Waren es in der Saison 2002/03 noch 16 von 100 Personen, die mit Kopfschutz auf den Pisten unterwegs waren, erhöhte sich die Zahl auf 30 Personen in der Saison 2004/05 und gar auf 42 im letzten Winter.
Spitzenwerte erreichen die unter 17-Jährigen: 73 von 100 Kindern und Jugendlichen fahren laut BfU mit einem Helm. Je älter die Fahrer, desto grösser die Abneigung, einen Helm zu tragen. Bei über 65-Jährigen Wintersportbegeisterten ziehen bloss 15 von 100 einen Helm über. Und Snowboarder (49 von 100) tragen eher einen Kopfschutz als Skifahrer (40).
Behelmte Prüfköpfe mit Sensoren knallen auf einen Amboss
Der K-Tipp hat von jedem Helmmodell vier Stück eingekauft und in der Empa in St. Gallen nach der für Skihelme gültigen Norm EN 1077 untersuchen lassen. Die Normtests betreffen Stossdämpfung, Durchdringfestigkeit und wie gut Bändel und Verschluss halten.
- Stossdämpfung: Kann der Helm einen Zusammenstoss mit einem anderen Fahrer, einem festen Gegenstand oder einen Sturz auf eisigen Boden ausreichend dämpfen? Der Aufprall entspricht einem Tempo von zirka 20 Kilometern pro Stunde.
Um diese Situation zu imitieren, schnallt das Testlabor jeden Helm auf einen Prüfkopf. Alle Helme wurden gleich markiert und unter gleichen Voraussetzungen geprüft.
Jedes Modell wird samt Prüfkopf kontrolliert auf einen Amboss fallen gelassen. Ein Sensor im Innern des Prüfkopfs misst den Aufprall. Wird der in der Norm noch erlaubte Verzögerungswert von 250 g überschritten, gilt der Test als nicht bestanden.
- Durchdringfestigkeit: Diese Prüfung simuliert den Zusammenstoss mit einem spitzen Gegenstand (Skistock, Skispitze, Ast usw.). Die Testfachleute lassen einen kegelförmigen, spitzen Stahlkörper auf den Helm fallen. Er darf den Prüfkopf nicht berühren. Je weiter weg die Stahlspitze vom Prüfkopf, desto höher die Punktzahl.
- Abstreiftest: Die Profis testen, ob Bändel und Verschluss den Helm sicher auf dem Kopf fixieren. Die Tester befestigen ein Stahlseil am Helm. Mit einem Ruck wird er nach oben gerissen. Der Helm muss auf dem Prüfkopf bleiben, Bändel und Verschluss dürfen keinen Schaden nehmen.
Damit der Helm richtig sitzt
- Nur Helme mit EN-1077-Signet kaufen. Andere Helme erreichen diesen Standard kaum.
- Überhaupt nicht geeignet für Schneesport sind Softhelme (mit weicher Schale), die heute fast nur noch als Occasionen erhältlich sein dürften.
- Zeit zum Anprobieren nehmen. Nur ein gut sitzender Helm schützt optimal.
- Anprobieren: 1. Helm aufsetzen, Kinnband offen lassen, Kopf schütteln und mit dem Kopf nicken. Der Helm darf nicht wackeln. 2. Bändel richtig einstellen, eventuell mit Sonnen- oder Skibrille testen.
- Will Ihnen der Verkäufer einen Helm wegen des geringen Gewichts schmackhaft machen: Die Gewichtsunterschiede sind zu gering, als dass sie ein sinnvolles Kaufkriterium wären.
- Das Gleiche gilt für Lüftungslöcher: Bei kaltem Wetter oder Schneefall bieten die Lüftungslöcher keinen Vorteil, weil sie sowieso geschlossen werden. Die Sicherheit wird durch grosse Löcher aber eindeutig vermindert.
- Beim Fahren: Kinngurt immer schliessen.
- Auch mit Helm den Fähigkeiten angemessenes Tempo fahren.
- Beim Losfahren auf der Piste immer zuerst zurückschauen.