Der Lack ist ab - giftige Stoffe!
Finger weg bei 6 von 15 getesteten Nagellacken: Sie enthalten zum Teil grosse Mengen bedenklicher Stoffe.
Inhalt
K-Tipp 5/2004
10.03.2004
Letzte Aktualisierung:
11.11.2009
Patrick Gut - pgut@ktipp.ch
Die einen tragen ihn nur für spezielle Anlässe auf, für die anderen gehört er zum Alltag: der Nagellack. Rund 35 Millionen Franken - so eine Branchenschätzung - geben Schweizerinnen pro Jahr dafür aus.
Wer sich die Fingernägel lackiert, läuft Gefahr, mit bedenklichen Stoffen in Kontakt zu kommen. Der K-Tipp wollte wissen, mit welchen Lacken Frauen ihre Nägel sorglos verschönern können.
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Die einen tragen ihn nur für spezielle Anlässe auf, für die anderen gehört er zum Alltag: der Nagellack. Rund 35 Millionen Franken - so eine Branchenschätzung - geben Schweizerinnen pro Jahr dafür aus.
Wer sich die Fingernägel lackiert, läuft Gefahr, mit bedenklichen Stoffen in Kontakt zu kommen. Der K-Tipp wollte wissen, mit welchen Lacken Frauen ihre Nägel sorglos verschönern können.
Beim Einkauf wurden Produkte aus den meistverkauften Linien der Marken Maybelline, Nivea, L'Oréal und Astor berücksichtigt. Hinzu kamen die Migros-Marken Cover Girl, Manhattan und N° 7. Ein paar besonders günstige (z. B. Lucia Fun, Lynn Merill), einige Luxusprodukte (wie Dior und Estée Lauder) sowie das Naturkosmetik-Produkt von Santé rundeten die Auswahl ab.
Das deutsche Umweltlabor Wiertz-Eggert-Jörissen analysierte die Produkte. Das Interesse der Tester galt folgenden Stoffen:
- Formaldehyd: Steht im Verdacht, Krebs auszulösen. Ausserdem wird ein Zusammenhang mit Allergien vermutet.
- Phthalate: Sie können Leber, Nieren und Fortpflanzungsorgane schädigen. Im Nagellack werden Phthalate eingesetzt, um die Lackschicht biegsam zu halten. Sie sollen verhindern, dass der Lack abblättert.
- Aromatische Kohlenwasserstoffe: Diese Lösungsmittel können innere Organe und das Nervensystem schädigen. Im Vordergrund steht Toluol. Es kann schon in kleinen Mengen Verwirrtheit und Müdigkeit auslösen.
- Halogenorganische Verbindungen: Einige darunter gelten als allergieauslösend und krebserzeugend.
- Acrylate: Das sind Verunreinigungen des Acryl-lacks. Sie können Allergien hervorrufen.
Mit Abstand am schlechtesten schnitt der geprüfte Nagellack von Lynn Merill ab. Das Labor fand darin so ziemlich alles, was nicht in einen Nagellack gehört. Mit einem Gehalt von mehr als 3 Gramm Formaldehyd pro Kilogramm enthält dieses Produkt weitaus am meisten des krebsverdächtigen Stoffs. Wenig erfreulich auch die hohen Phthalatwerte und ein Anteil von 20 Prozent des aromatischen Kohlenwasserstoffs Toluol. «Die im Labor gefundenen Stoffe sind leider in diesen Quantitäten enthalten», gibt Coop-Sprecher Jörg Birnstiel zu. Coop habe die Marke Lynn Merill von der Epa übernommen und werde «Massnahmen zum Eliminieren der schädlichen Inhaltsstoffe veranlassen».
Der Astor-Nagellack landete mit dem höchsten Toluol-Wert (25 Prozent) und der grössten Acrylatmenge bei den getesteten Produkten auf dem zweitletzten Platz. «Die im Untersuchungsergebnis aufgelisteten Stoffe entsprechen in ihrer Art und Konzentration der gültigen EU-Kosmetikrichtlinie und der Schweizer Kosmetikverordnung», heissts bei der Astor-Vertriebsfirma Coty lapidar. Die kosmetischen Mittel seien auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit untersucht und «sicher für den Konsumenten».
Cover Girl ab Herbst ohne Dibutylphthalat
Der Cover-Girl-Hersteller Procter&Gamble bestätigt die Verwendung von Phthalat. Die Konzentration sei von Experten aber «als sicher bewertet worden». Trotzdem werden neue Produkte, «die ab Herbst hergestellt werden, kein Dibutylphthalat mehr enthalten».
Die übrigen Hersteller der als «ungenügend» bewerteten Nagellacke - Clinique, L'Oréal und Maybelline - nahmen keine Stellung zu den Analyseresultaten.
Das Labor fand übrigens in allen Nagellacken geringe Mengen aromatischer Kohlenwasserstoffe. Mehrere Hersteller machen geltend, diese Stoffe seien kein Bestandteil der Rezeptur. Es müsse sich also um Verunreinigungen der Rohstoffe handeln. «Mit höherer Reinheit steigt der Preis überproportional», sagt etwa der Hersteller des Manhattan-Nagellacks von der Migros. Bis zu einem Gramm aromatische Kohlenwasserstoffe pro Kilogramm Nagellack (das entspricht einem Promille) wurden in der K-Tipp-Bewertung als Spuren toleriert und führten nicht zu einer Abwertung der Schlussnoten.
Zweitgünstigster Lack schnitt gut ab
Die Firma Boots, Herstellerin des «genügenden» N° 7, war «überrascht von den Resultaten der Laboranalyse, da sich einige der gefundenen Substanzen nicht im Nagellack befinden sollten». Für die positiven Befunde betreffend Formaldehyd und Phthalate hat die Firma noch keine Erklärung.
Schlechter als erwartet, schnitt schliesslich das Naturkosmetik-Produkt aus dem Hause Santé ab. Hier fand das Labor Formaldehyd und Acrylate in Mengen, die Abwertungen nach sich zogen.
Unter dem Strich blieb nur das Gesamturteil «genügend». Die Santé Naturkosmetik GmbH «zweifelt die Analyseresultate mit aller Entschiedenheit an». Die Firma verweist auf eigene Analysen und solche des deutschen Magazins «Ökotest». Dort war das Produkt als «sehr gut» bewertet worden.
Immerhin: 7 der 15 Nagellacke kann man sich «gut» auf die Nägel streichen. Sie wurden einzig entweder wegen Acrylat oder geringer Mengen Formaldehyd um eine Stufe abgewertet. «Gut» waren unter anderem sowohl die teuren Produkte von Dior und Estée Lauder als auch günstigere Lacke von Lucia Fun, Manhattan und Nivea Beauté.
Fazit: Der Preis hat nichts zu tun mit der Verwendung bedenklicher Inhaltsstoffe. Mit Lucia Fun gehört der zweitgünstigste Nagellack zu den «guten».
Hände weg vom Gesicht
Nagellack-Allergien sind seltener geworden, aber nicht verschwunden.
«Problematisch können Acrylate und Formaldehyd im Nagellack sein», sagt Dermatologe und Allergologe Jürg Fäh aus Wetzikon ZH. Die Erfahrung zeige, dass die Menge eines heiklen Stoffes keine Rolle spiele, sobald eine allergische Reaktion aufgetreten ist. «Auch kleine Konzentrationen können Symptome hervorrufen - zum Beispiel Rötungen, Juckreiz, Bläschen oder Hautschuppung», so Fäh. «Diese gibts in der Regel rund um den Nagel.» Dann sollte man sein Gesicht nicht berühren, weil man sonst ein Ekzem auslösen kann. Besonders gefährdet sind die Augenlider.
Wer Probleme hat, sollte den Nagellack entfernen und zur Abklärung einen Allergologen aufsuchen.
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