Die Braven sparen, die Unfallfahrer blechen
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K-Tipp 5/2002
06.03.2002
Autohaftpflicht-Versicherungen im Test: Wer vergleicht, kommt günstiger weg
Praktisch die gleiche Leistung, aber bis 40 Prozent billiger: Diese Vorteile können Sie nutzen, wenn Sie bei der obligatorischen Autoversicherung Prämienvergleiche anstellen und sich richtig entscheiden.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Der Brief liess nichts Gutes erahnen: «Wir haben festgestellt, dass Ihr Vertrag eine überdurchschnittlich hohe Belastung aufweist»,...
Autohaftpflicht-Versicherungen im Test: Wer vergleicht, kommt günstiger weg
Praktisch die gleiche Leistung, aber bis 40 Prozent billiger: Diese Vorteile können Sie nutzen, wenn Sie bei der obligatorischen Autoversicherung Prämienvergleiche anstellen und sich richtig entscheiden.
Ernst Meierhofer emeierhofer@ktipp.ch
Der Brief liess nichts Gutes erahnen: «Wir haben festgestellt, dass Ihr Vertrag eine überdurchschnittlich hohe Belastung aufweist», schrieb die Basler Versicherung ihrer Kundin Daniela D. im Dezember. Deswegen gebe es bei der Prämie «eine entsprechende Anpassung».
Als die Versicherungsnehmerin nachrechnete, war sie entsetzt: Die Grundprämie ihrer Autohaftpflicht-Versicherung stieg für das Jahr 2002 um 20 Prozent.
Würde ein solcher Aufschlag öffentlich verkündet, wären negative Schlagzeilen garantiert. Doch die Basler hat vorgesorgt: Sie hat die Tarife für 2002 grundsätzlich unverändert belassen; das macht in der Öffentlichkeit einen guten Eindruck. Dafür bittet sie die Unfallfahrer individuell und gezielt viel stärker zur Kasse als vorher. In der Tat hatte Daniela D. zwei Unfälle verursacht, für welche die Versicherung zahlen musste.
Dieser Vorgang ist typisch für die Autohaftpflicht-Versicherung: Bei keinem anderen Versicherungszweig spielt das individuelle Profil und Verhalten der Kundinnen und Kunden für die Prämie eine so wichtige Rolle wie in der Autoversicherung.
Kurz und salopp formuliert: Die Braven sparen, die Unfallfahrer blechen.
Alle Autoversicherten haben also eine individuelle Prämie. Dabei schätzen die Versicherungen das Unfallrisiko des Kunden ein - und zwar nach etlichen Kriterien:
- Alter des häufigsten Lenkers: Jüngere zahlen mehr als Ältere, weil sie gemäss Statistik häufiger Unfälle bauen und damit für die Versicherung ein schlechteres Risiko darstellen.
- Geschlecht: Einige Versicherer geben Frauen Rabatte zwischen 5 und 15 Prozent.
- Nationalität: Bei Antragstellern aus osteuropäischen oder südlichen Ländern können die Prämien geradezu explodieren, weil diese Versichertengruppe gemäss Statistik häufiger Unfälle verursacht.
- Wohnort: Die meisten Versicherer haben die Prämien auch nach Kantonen differenziert. Schlechtere Risiken sind zum Beispiel Kunden, die in der Westschweiz, im Tessin und in einer Grenzregion wohnen.
- Fahrkilometer pro Jahr: Wer viele Kilometer abspult, zahlt mehr als Sonntagsfahrer. Die Grenze liegt meist bei 10 000 Kilometern.
- Verwendung: Wer den Wagen nur privat einsetzt, zahlt weniger als Fahrer, die mit dem Privatauto auch an den Arbeitsort fahren oder es gar für berufliche Fahrten verwenden.
- Autotyp: Neben den genannten persönlichen Faktoren bestimmen natürlich auch Marke, Hubraum und Anzahl PS des Autos die Grundprämie. Grössere und stärkere Wagen kosten mehr. Eine bessere Sicherheitsausstattung wie ABS und Airbag kann den Tarif senken.
Für Konsumentinnen und Konsumenten heisst das: Wer eine Versicherung sucht, muss Offerten einholen und vergleichen. Erst dann wird klar, was die Versicherung letzten Endes kostet - unter anderem auch deshalb, weil die einzelnen Gesellschaften die diversen Risikofaktoren unterschiedlich gewichten und damit unterschiedliche Fahrertypen suchen oder abschrecken.
Besonders krass ist dies bei der Züritel: Weil diese Gesellschaft jüngere, risikoreichere Fahrer nicht will, hat sie den Faktor Alter derart stark gewichtet, dass ihre Prämien für junge Lenker abweisend hoch sind.
Die Vergleiche in diesem Test geben nur Näherungswerte an. Das VZ Vermögens-Zentrum hat Prämienofferten für fünf verschiedene Fahrertypen eingeholt. Beim Lesen der Vergleiche müssen Sie also Folgendes beachten:
- Die von den Gesellschaften offerierten Prämien sind präzis auf das in den Vergleichen definierte Fahrerprofil zugeschnitten. Schon bei kleinsten Abweichungen könnte die Prämie anders ausfallen.
- Es handelt sich um Nettoprämien. Das heisst: Die offerierte Prämie entspricht nicht unbedingt der Grundprämie, sondern ist meist durch einen Bonus verbilligt. Neben den Prämienangaben finden Sie die jeweilige offerierte Bonusstufe in Prozent der Grundprämie.
- Die Selbstbehalte sind ebenfalls in den Vergleichen aufgeführt. Sie ähneln sich bei allen Gesellschaften. Es lohnt sich nicht, die Autohaftpflicht freiwillig mit einem höheren Selbstbehalt abzuschliessen: Die Einsparung ist in der Regel gering.
- Der Deckungsumfang ist bei allen Gesellschaften weitgehend gleich. Einer der wenigen Unterschiede: Es gibt Versicherer, die den Fahrer verschonen, wenn er grob fahrlässig einen Unfall verursacht, also beispielsweise das Vortrittsrecht missachtet hat. Andere Gesellschaften nehmen in solchen Fällen immer Regress auf den Fahrer, bei anderen kann man diesen Regress gegen Mehrprämie ausschliessen. Doch Vorsicht: Ist Alkohol im Spiel, müssen Fahrer immer mit Regress-Forderungen rechnen.
- Ein weiterer Unterschied ist der Bonusschutz: Nach dem Motto «Ein Schaden ist kein Schaden» verzichten etliche Anbieter darauf, die Prämie nach einem Unfall zu erhöhen. Bei anderen Versicherern kann man einen solchen Bonusschutz gegen Mehrprämie einbauen.
In der nächsten Ausgabe des K-Tipp finden Sie einen grossen Test der freiwilligen Teil- und Vollkasko-Versicherung.
So finden Sie das passende Angebot
- Offerten: Holen Sie bei mehreren Gesellschaften Offerten ein. Prämienunterschiede bis zu 40 Prozent sind keine Seltenheit, wie die Vergleiche (links) zeigen. Achten Sie darauf, ob in den offerierten Prämien die gesetzlichen Gebühren inbegriffen sind (Stempel, Unfallverhütungsbeitrag und Parkschadenfonds).
- Antrag: Halten Sie sich beim Ausfüllen des Antrags peinlich genau an die Wahrheit. Verschweigen Sie keine Schäden. Schieben Sie als Mann nicht zum Prämiensparen einen anderen Lenker vor - zum Beispiel Ehefrau oder Konkubinatspartnerin -, wenn Sie selber den Wagen am meisten benutzen. Das kann Sie teuer zu stehen kommen, wenn die Versicherungsgesellschaft im Schadenfall den Schwindel entdeckt.
- Rabatte: Verhandeln Sie mit der Versicherung über Ihre Bonusstufe. Die Gesellschaften können Ihnen beim Bonusrabatt entgegenkommen - besonders, wenn Sie etliche schadenfreie Jahre vorweisen können und wenn Sie bei dieser Gesellschaft noch andere Policen haben. Die Vergleiche zeigen, dass selbst Junglenker nicht mehr unbedingt auf der Stufe 100 Prozent anfangen müssen.
- Bonusstufe: Lassen Sie sich nicht von einer attraktiv tiefen Bonusstufe blenden. Wenn Sie den tiefen Anfangsbonus von einer sonst teuren Gesellschaft erhalten, zahlen Sie nach dem ersten Unfall überproportional mehr.
- Bonusschutz: Achten Sie bei der Wahl der Gesellschaft auch auf die konkrete Ausgestaltung des Bonus-Malus-Systems. Fragen Sie nach dem Bonusschutz, falls Sie schon vom maximalen Rabatt profitieren. Achten Sie ausserdem darauf, ob die Gesellschaft bei Grobfahrlässigkeit auf ihre Regress-Möglichkeit verzichtet.
- Vertragsdauer: Schliessen Sie nur Einjahresverträge ab, die sich automatisch um je ein weiteres Jahr verlängern. Schliessen Sie keinen Vertrag mit Gesellschaften ab, die auf längeren Vertragsdauern pochen und deshalb für Einjahres-Verträge einen Zuschlag verlangen.
- Versicherungsabschluss: Es ist nicht notwendig, die Haftpflicht- und die Kaskoversicherung bei der gleichen Versicherungsgesellschaft abzuschliessen. Wählen Sie für jede der beiden Versicherungen jene Gesellschaft mit dem besten Angebot aus.
- Spezielle Angebote: Junglenker sollten sich nach speziellen Produkten erkundigen, wie sie beispielsweise Auto-TCS anbietet. Sie profitieren von Prämienreduktionen, reduziertem Selbstbehalt oder geringerem Bonusverlust im Schadenfall, wenn sie einen Verkehrssicherheits-Kurs absolvieren.
- Kollektivverträge: Einige grössere Firmen und Vereine haben Kollektivverträge mit Gesellschaften. Mitarbeiter oder Vereinsmitglieder profitieren so von besseren Konditionen.
Stichworte - Was Sie über die Autohaftpflicht wissen müssen
Die Autohaftpflicht-Versicherung ist obligatorisch und zahlt dann, wenn der Halter oder ein anderer berechtigter Lenker mit dem versicherten Fahrzeug fremde Sachen beschädigt und/oder Drittpersonen einen Schaden zufügt. Als Drittpersonen gelten Mitfahrer (auch Ehepartner) ebenso wie andere Verkehrsteilnehmer wie Velofahrer, Fussgänger und andere Autofahrer. Schäden am eigenen Auto zahlt die Haftpflichtpolice nicht, dazu braucht es eine freiwillige Kaskoversicherung.
Grundprämie
Die Grundprämie der Versicherung ist die 100-Prozent-Ausgangsprämie, von der aus die Gesellschaft die Prämie des Kunden rechnet. Die 100-Prozent-Grundprämie ist aber selten das, was der Kunde effektiv zahlt. Genauso ausschlaggebend ist das Bonus-Malus-System. Erst diese beiden Faktoren zusammen machen den Frankenbetrag aus, den der Versicherungsnehmer auf seiner Prämienrechnung vorfindet.
Bonus-Malus-System
Der Bonus ist ein Rabatt, den unfallfreie Fahrer bezogen auf die Grundprämie erhalten. Die Bonusstufe (ausgedrückt in Prozent) ist derjenige Wert, den Sie in Prozent der Grundprämie effektiv noch zahlen.
Beispiel: Ein Fahrer, der nach ein paar unfallfreien Jahren auf der Bonusstufe 60 Prozent angelangt ist, zahlt 60 Prozent der Grundprämie. Sein Prämienrabatt beträgt somit 40 Prozent.
Pro schadenfreies Jahr erreicht der Kunde automatisch die nächsthöhere Bonusstufe, bis der maximale Rabatt erreicht ist.
Wer hingegen einen Unfall hat, verliert den Bonus teilweise oder ganz oder landet gar im Malus. Wer im Malus ist, zahlt entsprechend mehr als 100 Prozent der Grundprämie.
Wichtig: Die Bonusstufe ist Verhandlungssache!
Bonusschutz
Wer einen Bonusschutz versichert hat, muss nach einem oder allenfalls auch nach mehreren Unfällen mit keiner oder nur einer geringeren Prämienerhöhung rechnen.
Bei einigen Gesellschaften ist der Bonusschutz automatisch inbegriffen, wenn man auf der tiefsten Bonusstufe angelangt ist, bei den anderen (Ausnahme Coop Versicherung) kann man ihn gegen Mehrprämie versichern.
Regress
Hat ein Autofahrer einen Unfall grob fahrlässig verursacht, kann die Gesellschaft ihre Zahlungen je nach Schwere des Verschuldens kürzen - genauer: Die Geschädigten erhalten zwar alles, was sie zur Deckung ihres Schadens zugut haben, aber die Versicherung kann auf ihren Versicherten Rückgriff (Regress) nehmen und bei ihm einen Teil des ausbezahlten Geldes eintreiben.
Fünf Beispiele für Netto-Jahresprämien im Vergleich
Die fünf unten stehenden Vergleiche zeigen die offerierten Netto-Jahresprämien für Einjahresverträge in Franken für bisher unfallfreie Neukunden mit einem Neuwagen. Die Prämien verstehen sich inklusive gesetzliche Abgaben und unbegrenzte Versicherungssumme. Die Prozentzahl neben der Prämie gibt an, auf welcher Bonusstufe die offerierte Prämie basiert.
Die Prämien zeigen lediglich Grössenordnungen, weil der Tarif im Einzelfall vom genauen persönlichen Risikoprofil sowie vom präzis definierten Autotyp abhängig ist. Bei Auto-TCS kommt noch die TCS-Mitgliedsgebühr dazu.
Die Prämien der Garanta beinhalten einen Neuwagen-Rabatt von 5 Prozent sowie einen Service-Rabatt von ebenfalls 5 Prozent; diesen Service-Rabatt erhalten nur Versicherte, die jedes Jahr in einer AGVS-Verbandsgarage einen Service machen lassen.
Die Selbstbehalte entsprechen weitgehend der Branchenusanz: 1000 Franken für Junglenker bis 25, 500 Franken für Neulenker mit weniger als zwei Jahren Fahrpraxis, kein Selbstbehalt für die übrigen Lenker.
Die Prämien sind ohne Bonusschutz gerechnet. Allerdings: Bei Alpina, Helvetia-Patria und National ist der Bonusschutz auf der tiefsten Bonusstufe immer inbegriffen und kann nicht ausgeschlossen werden. Der Zuschlag für den Bonusschutz kostet bei den fünf definierten Fahrertypen in den Tabellen je nach Gesellschaft zwischen 29 und 144 Franken.
Die Prämien sind ohne Verzicht auf Regress bei Grobfahrlässigkeit gerechnet. Bei Helvetia-Patria, La Suisse und National ist der Regress-Verzicht immer automatisch inbegriffen.
Quelle für die Vergleiche: VZ VermögensZentrum, Stand Februar 2002. Berücksichtigt wurden die zehn grössten Gesellschaften sowie fünf bekannte kleinere Anbieter.