Einen guten Helm gibts für 149 Franken
Bei der Stossdämpfung erreichen die meisten Helme gute Werte. Beim günstigsten Modell zerbrach allerdings die Verankerung des Bändels.
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K-Tipp 20/2008
24.11.2008
Letzte Aktualisierung:
08.01.2009
Rolf Muntwyler
Viele Skifahrer und Snowboarder tragen mittlerweile einen Helm – und doch gibt es nicht weniger Kopfverletzte. «Unser Spital weist seit Jahren eine gleichbleibende Zahl an Kopfverletzungen auf», sagt Christian Ryf, Chefarzt Chirurgie/Orthopädie am Spital Davos.
Wie ist das möglich? Mit den höheren Geschwindigkeiten auf den Skipisten und den riskanteren Aktionen vieler Snowboarder ist auch die Verletzungsgefahr gestiegen. «Wir sehen immer wied...
Viele Skifahrer und Snowboarder tragen mittlerweile einen Helm – und doch gibt es nicht weniger Kopfverletzte. «Unser Spital weist seit Jahren eine gleichbleibende Zahl an Kopfverletzungen auf», sagt Christian Ryf, Chefarzt Chirurgie/Orthopädie am Spital Davos.
Wie ist das möglich? Mit den höheren Geschwindigkeiten auf den Skipisten und den riskanteren Aktionen vieler Snowboarder ist auch die Verletzungsgefahr gestiegen. «Wir sehen immer wieder gespaltene und zersplitterte Helme», so Ryf. Und trotzdem laute die Diagnose in solchen Fällen häufig bloss «leichte Hirnerschütterung».
Dass ein Helm in die Brüche geht, ist deshalb nicht unbedingt ein Qualitätsmangel: Entscheidend ist, dass er den Aufschlag dämpft. «Gerade bei Stürzen mit hohem Tempo mildern Helme den Aufprall des Kopfes stark», bestätigt Unfall-Experte Othmar Brügger von der BfU. Und dass Helme die Köpfe wirklich schützen, hätten verschiedene Studien aufgezeigt.
Nun haben K-Tipp und «Kassensturz» die aktuellen Modelle getestet. Preisspanne: von rund 35 bis 250 Franken.
Geprüft wurden die wichtigsten Sicherheitsaspekte – Stossdämpfung, Schutz gegen spitze Gegenstände und fester Sitz auf dem Kopf (siehe Kasten «So wurde getestet» unten).
Qualität: Hersteller haben dazugelernt
Die gute Nachricht: Bis auf einen Helm haben alle Modelle den Test mit «genügend» bis «gut» bestanden. Das war nicht immer so. Im letzten K-Tipp-Test verpassten gleich drei Helme die Anforderungen an die Stossdämpfung (siehe K-Tipp 20/06).
Offenbar haben Hersteller und Sporthändler begriffen, dass mit der Qualität von Helmen nicht zu spassen ist. Zwei der Versager aus dem letzten Test – Alpina und CP – stellen dieses Mal die besten Helme. Head hat immerhin eine «genügende» Note geschafft.
Die schlechte Nachricht: Kein einziger Helm ist «sehr gut», und kein «gutes» Modell ist wirklich günstig. Das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bietet der Scott Shadow II für 149 Franken.
Der einzige Helm, der die Anforderungen der europäischen Norm für Ski- und Snowboardhelme verpasst hat, ist der billigste untersuchte Helm, VS 600 aus dem Jumbo für Fr. 34.90. Er bestand den Abstreiftest nicht: Die Kunststoffverankerung des Bändels brach, der Tragriemen wurde aus der Helmschale gezogen, und der Helm fiel vom Prüfkopf. Mediensprecher Peter Stefani sagt, Jumbo werde den VS 600 aus dem Verkauf nehmen, es handle sich ohnehin um ein Auslaufmodell.
Zwei Helme schwerer als deklariert
Auch der zweite günstige Helm, Obscure VS 618, schnitt punkto Stossdämpfung mässig ab und bekommt nur das Gesamt- urteil «genügend». Auffällig bei diesem Helm von SportXX (Migros) ist auch das falsch deklarierte Gewicht: Statt 420 g wog jedes der vier getesteten Obscure-Modelle mindestens 500 g. Das ist deshalb störend, weil Verkäufer ein tiefes Helmgewicht gerne als Verkaufsargument ins Feld führen.
Doch immer wieder geben Hersteller bei allen Helmen das Gewicht der kleinsten Grösse an. Migros zeigt sich überrascht: «Es ist überhaupt nicht in unserem Sinn, dass die Gewichtsangabe um 80 Gramm abweicht», schreibt Mediensprecherin Monika Weibel. Die Migros wolle dies mit dem Lieferanten verbessern. Auch der Uvex X-Ride Motion fiel mit der um fast 40 Gramm zu niedrigen Angabe negativ auf.
Sieben der zehn Helme kommen aus China. Laut Klischee ist Ware aus China qualitativ schlechter. Bei den Skihelmen im Test ist es tatsächlich so, dass zwei Helme aus europäischer Produktion die ersten beiden und Modelle aus China die sechs hinteren Plätze belegen.
Ski- und Snowboard-Helme: So wurde getestet
Die Empa St. Gallen hat für K-Tipp und «Kassensturz» zehn Helme untersucht. Sie führte den Test nach der für Skihelme gültigen Norm EN 1077 durch. Die Norm verlangt die Prüfung auf Stossdämpfung, Durchstossfestigkeit und darauf, ob Riemen und Verschluss halten. Trägt ein Helm das Label «EN 1077», muss er diese drei Kriterien erfüllen.
Stossdämpfung
Dämpft der Helm ausreichend, wenn man mit jemandem zusammenstösst oder auf eisigen Boden stürzt? Der Aufprall des Kopfs entspricht dabei einem Tempo von etwa 20 Stundenkilometern.
Um diese Situation zu imitieren, schnallt das Testlabor jeden Helm auf einen Prüfkopf und lässt ihn fallen. Alle Helme werden an vier unterschiedlichen Punkten getestet (hinten, vorne, seitlich). Ein Sensor im Innern des Prüfkopfs misst die Verzögerung beim Aufprall. Wird der in der Norm noch erlaubte Wert überschritten, hat der Helm den Test nicht bestanden.
Durchstossfestigkeit
Diese Prüfung simuliert den Zusammenstoss mit einem spitzen Gegenstand (Skistock, Skispitze, Ast usw.). Die Prüfexperten lassen einen kegelförmigen, spitzen Stahlkörper auf den Helm fallen. Er darf den Prüfkopf nicht berühren. Je weiter weg vom Prüfkopf die Stahlspitze stecken bleibt, desto besser die Note.
Abstreiftest
Die Prüfer testen, ob Riemen und Verschluss den Helm sicher auf dem Kopf fixieren. Dazu befestigen sie ein Stahlseil am Helm. Mit einem Ruck wird dieser nun nach oben gerissen. Er muss auf dem Prüfkopf bleiben, Bändel und Verschluss dürfen keinen Schaden nehmen.