Um den Ruf des Olivenöls ist es schlecht bestellt: Ermittlungen wegen Betrügereien in Italien und hohe Schadstoffmengen bei Tests in Deutschland sorgten in den vergangenen Monaten in ganz Europa für Negativschlagzeilen. Dabei müsste man sich als Konsument eigentlich freuen: Schaut man bei den Grossverteilern in die Regale, sind fast alle Flaschen mit der höchsten Güteklasse «extra vergine» ausgezeichnet. Dies bei höchst unterschiedlichen Literpreisen – von 4 bis zu 30 Franken.
Wie hochwertig sind die Olivenöle wirklich? Der K-Tipp liess 16 der in der Schweiz meistverkauften «Extra vergine»-Öle der Grossverteiler von einem spezialisierten Labor chemisch analysieren. Im Zentrum standen diese Fragen: Wie viel an problematischen Stoffen wie Weichmachern, Pestiziden und Mineralölbestandteilen steckt in den Produkten? Haben die Hersteller qualitativ gute Oliven verwendet und diese auch sorgfältig verarbeitet?
Kein Bestandteil des Tests war die Frage, ob die Öle die geschmacklichen Anforderungen an «extra vergine» erfüllen. Der K-Tipp unterscheidet klar zwischen Tests und Degustationen.
Ergebnis der Laboruntersuchungen: Alle Olivenöle waren mit Rückständen belastet. Diese können aus der Landwirtschaft, aus der Produktion in den Ölmühlen oder in Abfüllbetrieben in die Öle gelangen – aber auch durch Verpackungsmaterial oder über Abgase.
Sabo-Öl: Sieben heikle Rückstände
Immerhin: Von den einzelnen Rückständen geht keine unmittelbare gesundheitliche Gefährdung aus. Die meisten gemessenen Werte lagen im tiefen Bereich. Am besten schnitt im Test das griechische Bio-Olivenöl der Migros ab. Auf Platz zwei und drei landeten die beiden Produkte von Lidl.
Bedenklich ist jedoch die Vielzahl an heiklen Inhaltsstoffen. In zehn Olivenölen fand das Labor verschiedene Rückstände von Mineralölbestandteilen, Pestiziden und Weichmachern aus Kunststoffen. Gleich sieben verschiedene Rückstände entdeckte das Labor im italienischen Olivenöl der Marke Sabo. Noch ist nicht erforscht, welche Wechselwirkungen mit den Rückständen verbunden sind. Aus der Wissenschaft gibt es Hinweise, dass sich die Stoffe gegenseitig verstärken können.
Olivenöl gilt als gesund und wird deshalb sehr häufig konsumiert. Umso wichtiger sind deshalb Produkte mit möglichst wenig Rückständen. Die Höhe der Notenabzüge bei den Rückständen orientiert sich in der Tabelle deshalb nicht an der Menge der einzelnen Substanzen, sondern an der Zahl der verschiedenen Stoffe.
Die europäischen Grenzwerte für Olivenöl halten alle getesteten Produkte ein. Das erstaunt kaum: Denn die europäische Olivenöl-Verordnung ist ein politischer Kompromiss zwischen vielen Ländern und definiert zwar Standardanforderungen, nicht aber Spitzenqualität. Die Kriterien werden unter anderem von politischen Funktionären festgelegt, die die ölproduzierenden Länder vertreten – nicht von Gesundheitsexperten («Saldo» 2/2016).
Beispiel Alkylester: Das sind chemische Verbindungen, die in hohem Masse entstehen, wenn der Ölhersteller beschädigte, überreife Oliven presst oder die Produktion sonstwie fehlerhaft ist.
Sorgfältig hergestelltes «Extra vergine»-Öl enthält nach dem Pressen nur 10 bis 15 Milligramm (mg) Alkylester pro Kilo Öl. In der Schweiz dürfen zurzeit aber Öle noch mit 75 mg Alkylester pro Kilo als «extra vergine» verkauft werden.
Fast 45 mg Alkylester in Bertolli-Produkt
Italien ist deutlich strenger: Hier gilt ein Grenzwert von 30 mg pro Kilo. Der K-Tipp orientierte sich bei seiner Bewertung am strengen italienischen Alkylester-Grenzwert und zog bei erhöhten Werten von deutlich über 35 Milligramm zwei Noten ab. Elf Olivenöle belegen, dass es durchaus möglich, ist die Alkylester-Werte unter 20 Milligramm zu halten. Dagegen wurde im Öl von Bertolli fast 45 Milligramm Alkylester nachgewiesen.
Insgesamt schneiden acht Produkte bei den geprüften chemischen Kriterien gut ab.
Fünf Öle mit erhöhtem Alkylester-Gehalt und meh- reren Rückständen hat der K-Tipp als ungenügend bewertet – darunter auch das griechische Naturaplan-Produkt von Coop: Es erhielt in der Gesamtnote zusätzlich eine halbe Note Abzug, weil es den höchsten DEHP-Gehalt von allen Ölen aufwies. Dieser Weichmacher kann sich negativ auf die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen auswirken. Zum Vergleich: Im Durchschnitt enthielten die geprüften Öle nicht ganz
1 Milligramm DEHP pro Kilo. Beim Naturaplan-Öl wurde fast vier Mal so viel gemessen.
Aldi nimmt Castello-Öl aus dem Verkauf
Hersteller wie Aldi, Lidl, Coop, Migros, Sabo, Deoleo und De Cecco verweisen darauf, dass ihre Öle die geltenden schweizerischen und europäischen Bestimmungen einhalten und problemlos konsumiert werden könnten.
Filippo Berio schreibt dem K-Tipp, es gebe keine gesetzlich bindenden Limiten für Rückstände von Weichmachern in Ölen. Die gemessenen Mengen bei den einzelnen Substanzen seien gering. Die Produktionskette werde in Bezug auf eine mögliche Mineralöl-Kontamination überwacht.
Laut Aldi wurde das Castello-Öl mittlerweile aus dem Sortiment entfernt. Einzig Restmengen würden noch verkauft. Denner hält zum ungenügenden Ybarra-Öl fest: «Wo gesetzlich festgelegte Höchstwerte definiert sind, werden diese eingehalten – auf eine Stellungnahme verzichten wir.»
Die Migros will die Ursache der nachgewiesenen Weichmacher bei den Lieferanten abklären. Coop schreibt, dass bei jeder neuen Ernte von allen Lieferanten Analyse-Zertifikate angefordert werden. Aufgrund der Resultate habe man die Hersteller aufgefordert, den Grund für die vorhandenen Mineralölrückstände und Phthalate zu klären.
Laut Bertolli-Hersteller Deoleo gibt es verschiedene Analyseverfahren für Weichmacher. Diese Stoffe stecken laut Deoleo auch in vielen anderen Lebensmitteln. Die gefundenen Weichmacher-Werte seien tief, wie alle anderen gemessenen Daten auch.
Wichtig zu wissen: Chemisch saubere Olivenöle können geschmacklich trotzdem durchfallen. Das zeigte die letzte Degustation des K-Tipp (Ausgabe 15/2013). Mit dem Geschmack und Geruch von Olivenölen befasst sich der «Kassensturz» in der Sendung vom 3. Mai. Sensorik-Fachleute werden Olivenöle aus dem Grosshandel degustieren.
Tipps zum Kauf von Olivenöl
Schöne Etiketten sind keine Qualitätsgarantie für Olivenöl. Ebenso wenig Aussagen wie «kaltgepresst» und «direkt aus reifen Oliven aus den sonnigen Mittelmeerländern gewonnen». Die Tipps: Ein qualitativ hochwertiges Olivenöl wird hauptsächlich aus grünen, noch nicht ganz reifen Früchten gewonnen. Die Oliven müssen unbeschädigt und frisch sein, wenn sie in der Ölmühle ankommen. Und: «Kaltgepresst» sagt nichts mehr aus über die Qualität von Olivenölen. In allen Top-Mühlen wird die Temperatur konstant bei 20 bis 25 Grad Celsius gehalten.
Darauf sollte man beim Olivenöl-Kauf achten:
- Erntedatum: Es sollte aufgeführt sein. Steht nur ein Mindesthaltbarkeitsdatum auf der Flasche, weiss man nicht, wie alt das eingefüllte Öl ist. Olivenöl ist ein Frischprodukt. Länger als ein Jahr sollte es nicht aufbewahrt werden. Je frischer ein Öl, desto intakter sind die wertvollen pflanzlichen Inhaltsstoffe.
- Herkunft: Sie muss in der EU auf der Frontetikette gut lesbar sein. In der Schweiz gilt diese Bestimmung noch nicht: Die Herkunft ist oft nur klein auf der Rückseite vermerkt. Bei vielen Ölen handelt es sich um einen Verschnitt von Ölen verschiedener Länder, obwohl die Etikette etwas anderes vorgaukelt.
- Geruch: Gutes Öl riecht wie frisches Gras, nach Gartenkräutern, grünen Bananen, Blattgemüse, Artischocken oder Tomatenblättern. Qualitativ minderwertiges Öl riecht nach ranziger Butter, alten Nüssen, Heu, Käse oder nach eingelegten Oliven. Im Mund gelten ein grünfruchtiger, pfeffriger Geschmack und eine bittere Schärfe als positive Eigenschaften.
- Lagerung: Olivenöl muss lichtgeschützt gelagert werden. Lichtdurchlässige Behälter sind ungeeignet. Es gibt jedoch Spitzenproduzenten wie Comincioli, die ihre Öle in durchsichtige Flaschen verpacken.