Finger weg und Luft anhalten!
Von 8 untersuchten Tonern für Laserdrucker hat nur einer eine weisse Weste. Die meisten enthalten viel giftiges Styrol und Benzol.
Inhalt
K-Tipp 9/2004
05.05.2004
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Am Anfang dachte er sich nichts Böses. Er litt an einem Schnupfen, ging zum Arzt. Ein halbes Jahr später diagnostizierte dieser Asthma, nach sieben Jahren wurde Hans-Joachim Stelting aus Hamburg wegen seines Lungenschadens frühpensioniert.
Als erster Fall, bei dem Tonerstaub medizinisch als Ursache für Gesundheitsschäden offiziell anerkannt wurde, ging Stelting durch die Medien. Seit Jahren kämpft er als Sprecher der deutschen «Interessengemeinschaft Tonergeschädigter» (I...
Am Anfang dachte er sich nichts Böses. Er litt an einem Schnupfen, ging zum Arzt. Ein halbes Jahr später diagnostizierte dieser Asthma, nach sieben Jahren wurde Hans-Joachim Stelting aus Hamburg wegen seines Lungenschadens frühpensioniert.
Als erster Fall, bei dem Tonerstaub medizinisch als Ursache für Gesundheitsschäden offiziell anerkannt wurde, ging Stelting durch die Medien. Seit Jahren kämpft er als Sprecher der deutschen «Interessengemeinschaft Tonergeschädigter» (ITG) dafür, dass Tonerstaub als Ursache von Gesundheitsschäden anerkannt wird.
«Bereits über 600 Tonergeschädigte sind bei der ITG dokumentiert, bei 60 ist der Zusammenhang zum Toner klar», so Stelting. Zwei der dokumentierten 600 Fälle kommen aus der Schweiz. Das deutsche Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua) hat kürzlich in einer Studie nachgewiesen, dass Tonerstaub bei Tieren Krebs verursacht.
Tonerstaub tritt auch bei guter Wartung aus
Welche Stoffe zu allergieähnlichen Reaktionen wie bei Stelting führen, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall enthalten Tonerpulver mehrere giftige Chemikalien. Der K-Tipp hat beim Prüfinstitut LGA im bayrischen Nürnberg acht häufig verkaufte Drucker-Toner auf die bedenklichsten Stoffe untersuchen lassen:
- Benzol ist beim Menschen krebserregend. Der flüchtige Stoff tritt beim Drucken aus.
- Styrol gehört wie Benzol zu den aromatischen Kohlenwasserstoffen. Im Körper wird es zu Stoffen umgewandelt, die im Tierversuch krebserregend sind.
Aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol und Styrol können zudem das Nervensystem und innere Organe schädigen. Je mehr davon im Toner, desto mehr wird freigesetzt.
- Die Gesamtsumme der flüchtigen Stoffe (TVOC) umfasst neben Benzol und Styrol weitere mehr oder weniger bedenkliche Stoffe.
- Nickel ist beim Menschen, Kobalt im Tierversuch krebserregend. Die zwei Schwermetalle werden zwar beim Drucken und Kopieren in der Regel nicht direkt freigesetzt. Doch auch bei guter und sorgfältiger Wartung tritt früher oder später Tonerstaub aus und belastet die Raumluft.
In der K-Tipp-Bewertung führten Überschreitungen der Grenzwerte, die ein Toner für das Gütesiegel «schadstoffgeprüft» erfüllen muss, nach Zugabe einer Fehlertoleranz zur Abwertung.
Gröbere Überschreitungen des LGA-Benzol-Grenzwertes von 0,2 mg/kg führten direkt zum Gesamturteil «ungenügend», weil Benzol erwiesenermassen krebserregend ist. Eine relativ geringe Überschreitung führte zur Abwertung um eine Stufe (siehe Fussnoten Tabelle).
Die Resultate der K-Tipp-Untersuchung sind erschreckend: Nur gerade ein Toner hätte vom Prüfinstitut das Gütesiegel «LGA-schadstoffgeprüft» erhalten.
Ausgerechnet beim Benzol, dem bedenklichsten aller Schadstoffe, fand das Labor die massivsten Überschreitungen: ums 7fache beim HP-Toner, ums 22fache bei der Silver-Reed-Patrone, ums 50fache beim Lexmark-Toner für Optra-S-Drucker. «Ein Skandal, dass ein solcher Stoff überhaupt in Tonern vorkommt», so das Urteil von Opfer Stelting.
Die so genannten Fremdanbieter, die für Drucker anderer Marken Toner verkaufen, schnitten alle schlecht ab: Pelikan, Silver Reed und Verbatim. Sind die Toner dieser Firmen generell schlechter?
Dem widerspricht René Signer von Pelikan heftig: «Wir haben einige unserer Toner beim LGA untersuchen lassen, acht davon haben die Prüfung bestanden.» Das LGA bestätigt dies. Signer bedauert, dass der K-Tipp einen Toner untersuchen liess, dessen Zusammensetzung noch nicht verbessert wurde. Auch Silver Reed hat Anfang Jahr Toner im LGA untersuchen lassen und will nach eigenen Angaben «die gesundheitsschädlichen Stoffe auf das Minimum nach LGA-Richtwerten reduzieren oder ganz eliminieren». Verbatim hat keine Stellung bezogen.
Im Gegensatz zu den Fremdanbietern gaben die meisten etablierten Hersteller nicht einmal einen Kommentar zum Test ab. Einzig Hewlett Packard nahm postwendend Stellung. Man müsse die tatsächliche Abgabe der Schadstoffe an die Luft messen, nicht die Inhaltsstoffe im Toner: «HP steht Messmethoden, die nicht unter Realbedingungen stattfinden, kritisch gegenüber.» Bei HP-internen Messungen sei kein Benzol freigesetzt worden.
Auf der Suche nach dem schuldigen Stoff
Das lässt Frank Jungnickel, Direktor der Fachzentrumsleiter beim LGA, nicht gelten: «Enthält ein Toner Benzol und Styrol, werden diese Stoffe früher oder später freigesetzt.»
Auch für Opfer Stelting von der ITG haben Tests, wie sie Hersteller lieber hätten, wenig mit der Realität zu tun. «Entscheidend ist die Wirkung des Schadstoffmixes auf die Gesundheit.» Stelting, der im Beruf Kriminalhauptkommissar war, ist mit seinen Recherchen noch nicht am Ende: «Mit engagierten Fachärzten, Wissenschaftlern und Unternehmen wollen wir herausfinden, was am Toner der Gesundheit schadet.» Um das zu erreichen, hat die ITG das Projekt «Sicher drucken» ins Leben gerufen.
Mit Tonerkartuschen richtig umgehen
Krebsgefahr, Kopfschmerzen, Bronchitis: Während die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Tonerstaub ein Risiko für die Gesundheit darstellt, geben sich die Behörden gelassen. Kein Bundesamt ist so richtig zuständig. Die Suva schreibt dem K-Tipp, dass «Fotokopierer und Laserdrucker in Einzelfällen Beschwerden auslösen können».
Eine Zusammenfassung von Tipps vom deutschen Bundesamt Baua und der ITG im Umgang mit Tonern:
- Zu Hause keine Lasergeräte aufstellen, schon gar nicht im Schlafbereich. Tintenstrahldrucker vorziehen.
- Beim Kauf: Geräte mit schadstoffgeprüften Tonern mit Gütezeichen für schadstoffarmen Toner vorziehen.
- Kein Tonereinsatz in der Nähe von Kindern, Schwangeren, Kranken.
- Tonerbehälter auf keinen Fall selber öffnen.
- Bei tonerhaltigen Geräten im Raum: Gut und oft lüften. In grosse Räume stellen.
- Geräte gut und regelmässig nach Vorgaben des Herstellers warten.
- Sollte Tonerpulver verschüttet werden, umgehend mit einem feuchten Tuch aufnehmen. Auf keinen Fall aufwirbeln.
- Tonerpatronen für Kinder unerreichbar aufbewahren.
- Bei Kopfschmerzen, Erkältungssymptomen, Bindehautreizungen während und nach der Arbeit: Überlegen, ob Zusammenhang mit Toner möglich.
- Bei länger anhaltenden Beschwerden: Zum Arzt gehen.
Tonerproblematik im Web Interessengemeinschaft Tonergeschädigter: www.krank-durch-toner.de; Prüfanstalt LGA, Infos zu Toneranalysen: www.lga.de; Studie zu Krebsgefahr durch Feinstaub: www.baua.de.
(rom)
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