Spätestens vor einer steilen Steigung hört der Spass am Velofahren für viele auf. Mit einem Elektrovelo hingegen lassen sich Hügel ohne Schweissperlen auf der Stirn meistern. Gefährlich wird es nur, wenn man erst auf der Abfahrt merkt, dass die Bremsen nicht richtig ziehen.
Der K-Tipp wollte deshalb wissen, wie es um die Qualität günstiger E-Bikes bestellt ist. Er hat dazu die zum Testzeitpunkt günstigsten Modelle auf dem Markt ins spezialisierte deutsche Labor Velotech. de GmbH geschickt. Bei den Tests lag das Hauptaugenmerk auf den mechanischen Belastungsprüfungen und nicht auf subjektiven Fahreindrücken von Testpersonen, wie das bei Bike-Tests in anderen Medien üblich ist (siehe Kasten «So wurde getestet» auf Seite 15). Mit der K-Tipp-Methode können sicherheitsrelevante Teile objektiv beurteilt werden.
Der K-Tipp testete zehn Modelle mit Tiefeinstieg und einer Tretunterstützung bis 25 km/h. Diese Bikes gehören zur langsamen Klasse und werden in der Schweiz mit Abstand am häufigsten verkauft. Eine Helmpflicht besteht nicht. Der Bund hat diese langsamen Elektrovelos in die Kategorie der Leicht-motorfahrräder eingeteilt. Wer ein solches E-Bike fahren will und älter als 16 Jahre ist, benötigt keine Mofaprüfung. Solche E-Bikes sehen fast wie normale Stadtvelos aus. Tatsächlich wirken aber aufgrund des höheren Gewichts und der Energie des Motors weit stärkere Kräfte auf Kurbeln, Bremsen, Lenker und Gabeln als bei einem rein muskelbetriebenen Velo.
Viele Bauteile sind zu wenig robust
Der Test hat gezeigt, dass man auch bei E-Bikes nicht vom Preis auf die Qualität schliessen sollte. Beispiel: Das Sachs Basix von Coop kostet mit 1290 Franken nur halb so viel wie das Hercules Roberta von Ochsner Sport, schneidet insgesamt aber gleich gut ab.
Positiv: Die Motoren und die Elektronik hielten im Test bei allen Modellen durch. Hier haben die Hersteller offenbar nachgebessert. Deutlich wurde aber auch, dass viele andere Teile der E-Bikes zu schwach ausgelegt sind. Kein Velo überstand die Prüfungen ohne Mangel, weshalb auch kein Modell nur annähernd in die Nähe einer sehr guten Note kam.
Acht von zehn Bikes wiesen mindestens einen grossen Mangel auf. Und: Drei Modelle haben klar ungenügende Bremsen. Weil dies sicherheitsrelevant ist, konnten diese Bikes auch in der Gesamtnote nicht genügend sein.
Der K-Tipp war bei der Bewertung des Dauertest-ergebnisses streng: Für jeden behebbaren Schaden gab es eine halbe Note Abzug. Bei einem unreparierbaren Schaden wie zum Beispiel einem Lenkerbruch wurde eine ganze Note abgezogen. Nur gerade das Staiger Nexus der Migros-Tochter m-way für 2599 Franken und das California E-Concept von Jumbo für 1690 Franken überstanden den Dauertest über 16 000 Kilometer schadlos. Bei anderen Prüfungen fielen hingegen beide durch, weshalb es beiden Velos nicht zu einer Spitzennote reichte.
Gebrochene Speichen, verbogene Gabeln
Die Testergebnisse im Detail: Das Gesamturteil «gut» erreichten folgende Modelle mit der Note 4,9 knapp: Sachs Basix von Coop und Hercules Roberta 125 von Ochsner Sport. Ohne Mängel waren aber auch sie nicht: So brach beim Sachs der Lenker. Weil dies aber erst am Ende der im Dauertest simulierten Lebensdauer von zehn Jahren geschah, fiel das beim Gesamturteil nicht entscheidend ins Gewicht. Beim Hercules wiederum brachen während des Dauertests mehrmals Speichen.
«Genügend» mit Noten von 4,7 bis 4,2 sind das California E-Concept von Jumbo, das Watts Eco aus dem Fachhandel und das Crosswave E-Bike Comfort aus der Migros.
Das E-Concept und das Watts sind robuste Bikes. Schäden gab es keine oder nur unbedeutende. Das E-Concept verpasste eine bessere Note aufgrund der stark verbogenen Gabel beim Stosstest.
Das Modell Eco verfügt über nur mittelmässige Bremsen. Beim Crosswave gab es während des Dauertests einige Defekte am Hinterrad sowie an der Schaltung. Schliesslich ging auch das Kurbelgewinde kaputt.
Wegen zu schwacher Bremsen insgesamt ungenügend sind das California E-Move von Jumbo, das Xtra von Landi und das Staiger Sinus B1 7-G von m-way. Die Bremskraft bei diesen Elektrovelos ist für ein Gesamtgewicht zwischen 61 und 77 Kilogramm lediglich ausreichend. Und das ist wenig, wenn man bedenkt, dass die Bikes allein schon um die 25 Kilo wiegen.
Zwei Modelle ohne Gesamturteil
Kein Gesamturteil konnte für die beiden E-Bikes von Simpel und Athleticum vergeben werden. Grund: Kurz nach dem erfolgreichen Bewältigen der Soll-Wegstrecke brach auf dem Dauertestprüfstand beim Simpel-Velo die Gabel und beim Athlethicum-Bike der Rahmen. Darum entfiel der anschliessend geplante Gabelstosstest bei beiden Modellen. Das Simpel überzeugte aber ansonsten. Es verfügt über sehr gute Bremsen, und die Prüfer verzeichneten während des Dauertests nur einen einzigen Schaden. Das Athleticum-Bike dagegen bremst weniger gut und bestand den Dauertest aufgrund eines defekten Kettenblatts und eines deutlichen Anrisses des Rahmens nicht.
Winora, Herstellerin des Staiger Sinus, schreibt, dass man die schlechten Testwerte ernst nehme und gemeinsam mit den Zulieferern Verbesserungen bei Gabel und Bremsen anstrebe. Das Testergebnis des K-Tipp sei die erste Beanstandung dieser Art für die Marke Sinus. Landi teilt mit, dass das neue E-Velo Xtra verbessert werde.
Gemäss Michele Guerriero, Velo-Experte bei Jumbo, ist geplant, in der Saison 2013 auch bei den Einsteigermodellen Scheibenbremsen einzusetzen. Guerriero weist darauf hin, dass das E-Move zudem über eine Rücktrittbremse verfügt.
Hans-Peter Felber von Athleticum hebt hervor, dass es sich beim getesteten Bike um ein 2011er-Modell handle. Unter demselben Namen und mit demselben Preis erscheine noch im Mai ein verbessertes Nachfolgemodell.
Die Reichweiten der E-Bikes hat der K-Tipp nicht testen lassen, da sie stark von der Streckenwahl, vom Zustand des Velos und vom Fahrverhalten abhängen. Gemäss einem Test der Stiftung Warentest von zwölf langsamen Elektrovelos im letzten Jahr beträgt die Reichweite zwischen 20 und 100 Kilometer.
Einige Velos kommen schnell ins Flattern
Fünf Experten des Labors Velotech beurteilten ausserhalb der Testkritierien auch das Fahrverhalten der Bikes in der Praxis. Dabei stellten die Testfahrer bei mehreren Modellen ein seitliches Verwinden des Rahmens – ein sogenanntes Flattern – fest, so beim California E-Concept von Jumbo, beim Xtra von Landi, beim Hercules Roberta 125 von Ochsner Sport und beim Sachs Basix von Coop. Das Fahrverhalten dieser vier Bikes taxierten die Tester aus diesem Grund als ungenügend. Das Flattern stört bei Ausweichmanövern und beim einhändigen Fahren.
Die getesteten Tiefeinstieg-Modelle eignen sich grundsätzlich für Fahrer, die Komfort suchen. So ist das Auf- und Absteigen besonders einfach. Aufgrund der Bauform sind Tiefeinsteiger aber weniger verwindungssteif als Velos mit Rahmen in Diamantform. Diese Bauform kommt üblicherweise bei Herrenvelos zur Anwendung. Wer sportlich unterwegs sein will und mit viel Kraft in die Pedale tritt, fährt mit einem Diamantrahmen besser.
Kindersitze lassen sich an drei Modellen nicht montieren: Bei beiden Modellen von California sowie beim Athleticum E-Racer Comfort fehlen Befestigungsmöglichkeiten. Nur eine Lösung mit einem Anhänger wäre möglich.
So wurde getestet
Das auf Veloprüfungen spezialisierte deutsche Labor Velotech.de GmbH hat im Auftrag des K-Tipp zehn E-Bikes mit Tiefeinstieg geprüft. Alle Modelle bieten lediglich eine Tretunterstützung bis 25 km/h und Motorleistungen bis 500 Watt. Sie gehören damit zur langsamen Klasse. Diese Bikes werden vom Bund als Leicht-motorfahrräder bezeichnet. Das waren die Testpunkte:
- Robustheit Komplettfahrzeug: Eingespannt in einem Trommelprüfstand hatten alle E-Bikes eine Distanz von 600 Kilometern zu bewältigen. Dies entspricht in der Realität einer Laufleistung von 16 000 Kilometern und damit bei einer mittleren Nutzung einer Lebensdauer von rund zehn Jahren. Während des Tests simulierten die Tester mittels Stossleisten verschiedene holprige Fahrbahnen. Zudem wurden Vorder- und Hinterrad immer wieder gebremst. Ein Zyklus umfasste sieben Simulationsstufen, die sich so lange wiederholten, bis die 600 Kilometer erreicht waren. Kleine Schäden haben die Prüfer jeweils behoben, lockere Schrauben wurden nachgezogen.
- Bremsen: Auf einem geeichten Bremsenprüfstand ermittelten die Tester in Anlehnung an die europäische Norm EN 14764 die maximale Verzögerungsleistung anhand von zehn Bremsvorgängen bei trockener und nasser Fahrbahn. Die Gesamtmasse (Velo plus simuliertes Fahrergewicht) betrug bei allen Bremsprüfungen 100 Kilogramm.
- Gabel/Rahmen: Auf einem Pendelschlagprüfstand überprüfte das Labor die Stabilität von Gabel und Rahmen auf Stösse, ähnlich, wie wenn man in eine Trottoirkante fährt. Während des Tests waren die Komponenten mit dem Gewicht eines fiktiven Fahrers belastet. Das Pendel schlug gegen eine Rolle auf der Vorderachse. Gemessen wurde die bleibende Verformung der Gabel. Die Lackqualität beurteilte man mit einem Gitterschnitt: Man schnitt mit einem Messer ein Gitter in den Lack und mass, wie viel Lack dabei abplatzte. Gemessen wurde auch die Kettenlinie. Sie sollte in möglichst vielen Gängen möglichst gerade verlaufen, damit der Verschleiss an den Zahnrädern und der Tretwiderstand gering sind.
- Handhabung: Drei Experten und zwei Expertinnen beurteilten, wie einfach sich Ladegerät und Display bedienen lassen. Ebenfalls bewertet wurde das Entfernen, Befestigen und Laden des Akkus.