Mit der Wurst das Kalb gemacht
4 von 20 Kalbsbratwürsten enthalten zu wenig Kalbfleisch. Und manche Hersteller geizen mit Muskelfleisch und mischen viel Bindegewebe bei. Am besten sind die Bio-Würste.
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K-Tipp 10/2007
23.05.2007
Rolf Muntwyler
Kalbsbratwürste bestehen aus Kalbfleisch. Könnte man meinen. Doch enthalten sie meist grössere Mengen Schweinefleisch, oft auch als «Schwarte» und «Speck» deklariert. Damit die Fleischverkäufer nicht einfach billigeres Schweinefleisch verwursten, gilt von Gesetzes wegen: Kalbfleisch muss mindestens 50 Prozent des gesamten Fleischanteils ausmachen.
Damit ist aber noch nichts über die Fleischqualität gesagt. Der Metzger entscheidet, ob der Fleischanteil aus magerem, hochwertigem Mu...
Kalbsbratwürste bestehen aus Kalbfleisch. Könnte man meinen. Doch enthalten sie meist grössere Mengen Schweinefleisch, oft auch als «Schwarte» und «Speck» deklariert. Damit die Fleischverkäufer nicht einfach billigeres Schweinefleisch verwursten, gilt von Gesetzes wegen: Kalbfleisch muss mindestens 50 Prozent des gesamten Fleischanteils ausmachen.
Damit ist aber noch nichts über die Fleischqualität gesagt. Der Metzger entscheidet, ob der Fleischanteil aus magerem, hochwertigem Muskelfleisch oder bloss aus Sehnen, Bändern, Muskelhüllen, Häuten und weiteren Bindegewebsteilen besteht.
Schlusslicht: Wurst vom «Vorderen Sternen»
Der K-Tipp hat 20 Kalbsbratwürste auf diese und weitere Qualitätsmerkmale untersuchen lassen (siehe «So wurde getestet»). Vier Würste wiesen nicht einmal den gesetzlichen Mindestgehalt an Kalbfleisch auf. Deshalb wurden sie im K-Tipp-Gesamturteil zu «ungenügend» abgewertet:
- Am schlechtesten abgeschnitten hat die Bratwurst vom bekannten Imbissstand Vorderer Sternen am Zürcher Bellevue.
Geschäftsführer Peter Rosenberger verweist darauf, dass die Würste genau aus diesem Grund nicht als Kalbsbratwürste, sondern als St. Galler Bratwürste verkauft würden. Doch hat der K-Tipp beim Einkauf - und auf telefonische Nachfrage hin - bestätigt bekommen, es handle sich um Kalbsbratwürste.
Die Wurst aus dem «Vorderen Sternen» wäre aber auch ohne die falschen Angaben auf dem letzten Platz gelandet. Der Anteil an Muskelfleisch ist der tiefste aller Würste im Test. Und der Gehalt an Bindegewebe, also an minderwertigem Fleisch wie Haut und Sehnen, der höchste. Zu diesem Punkt haben weder die Metzgerei noch der «Vordere Sternen» Stellung genommen. Schon in einem Saldo-Test vor drei Jahren schnitt diese Wurst am schlechtesten ab.
- Die «Kalbsbratwurst» der Tösstaler Schinkenräucherei enthält statt der vorgeschriebenen 50 bloss 18 Prozent Kalb. Das ist der mit Abstand tiefste Wert. Die Schinkenräucherei schreibt, man werde dieser Wurst ab sofort mehr Kalbfleisch beimengen.
- Die Bratwurst aus der Metzgerei Rietmann ist zwar auf der Verpackung richtig deklariert: Die Bezeichnung Olma-Bratwurst erlaubt es dem Metzger, so viel oder so wenig Kalbfleisch zu verwenden, wie er will. Doch bekam der K-Tipp mehrmals die Auskunft, diese Olma-Bratwurst sei eine Kalbsbratwurst: beim Einkauf, bei einem zweiten Besuch gleichentags und ein drittes Mal auch noch telefonisch. Die Metzgerei-Besitzerin Kauffmann AG räumt ein, zumindest die telefonische Auskunft sei falsch gewesen: «Es ist unser Fehler, dass wir unsere Mitarbeiter zu wenig geschult haben. Wir werden dies nachholen.»
- Auch eine grosse Ladenkette, Manor, verkauft in Basel eine Kalbsbratwurst, die zu wenig Kalbfleisch enthält. Abgesehen davon und vom hohen Fettanteil mass das Labor ausgezeichnete Werte bei Muskelfleisch, Bindegewebe- und Fremdwasseranteil. In seiner Stellungnahme behauptet Hersteller Traitafina, der Kalbfleischanteil sei hoch genug. Manor will die Sache aber prüfen.
Die drei besten Würste tragen ein Bio-Label. Sie alle enthalten relativ viel Muskelfleisch und wenig Bindegewebe. Allerdings sind die Unterschiede beim Anteil Muskelfleisch nicht sehr gross - 8 bis 10 Prozent. Der eher hohe Wasseranteil bei Fidelio und der Naturaplan-Wurst von Coop sind da verschmerzbar.
Mit Kilopreisen von Fr. 25.90 bis Fr. 27.90 sind diese drei Würste auch die teuersten im Test. Am günstigsten sind die «genügende» Spezial-Kalbsbratwurst (Migros, Bern) und die St. Galler Kalbsbratwurst (Migros, Basel).
Wer magere Würste bevorzugt, wird fündig in der Migros St. Gallen (die «Kalbsbratwurst» ist nur in der Migros Ostschweiz erhältlich), im Globus und bei Niko’s: Alle drei Spezialitäten enthalten weniger als 18 Prozent Fett.
Globus-Wurst: Am meisten Fremdwasser
Mit Abstand am fettigsten (33 Prozent) ist die ausschliesslich mit Kalbfleisch hergestellte Bell-Kalbsbratwurst mit Sonnenblumenöl. Weitere Würste mit viel Fett (rund 24 Prozent): Naturaplan-Kalbsbratwurst (Coop) sowie die Kalbsbratwürste von Denner und Manor.
Dem Manor-Produkt wurde mit 4 Prozent am wenigsten Fremdwasser beigefügt. Am meisten enthält die Wurst aus dem Globus (16 Prozent), bei den anderen Bratwürsten sind es in der Regel zwischen 8 und 10 Prozent. Zwar hat nur die Wurst aus dem Globus den gängigen Richtwert der guten Herstellungspraxis überschritten. Weil eine hohe Zugabe von Wasser für die Käufer aber nicht sehr attraktiv ist, hat der K-Tipp den Massstab etwas strenger angelegt.
So wurde getestet
Der Tiergesundheitsdienst Bayern in Poing (D) hat 20 Kalbsbratwürste untersucht.
- Wird «Kalb» im Namen der Wurst verwendet, muss mindestens die Hälfte des Fleischs aus Kalbfleisch bestehen. Der Rest darf Rind- oder Schweinefleisch sein.
- Wird der gesetzlich vorgeschriebene Kalbfleischanteil nicht erreicht, darf die Wurst nicht als Kalbsbratwurst verkauft werden. Im Test führt ein zu geringer Kalbfleischanteil automatisch zum Gesamturteil «ungenügend».
- Aus verschiedenen Messungen berechneten die Spezialisten im Labor die Anteile Muskelfleisch, Fett, Bindegewebe und zugesetzte Flüssigkeit (Fremdwasseranteil) inder Wurst.
Meist wird im Verarbeitungsprozess Wasser als Eis hinzugefügt oder dann gefrorene oder gekühlte Milch. Diese Beigaben sind für den guten «Biss» der Wurst wichtig.
Für das Kriterium «Anteil Muskelfleisch» gilt: Je mehr davon die Wurst enthält, desto höher die Punktzahl. Bei «Anteil Bindegewebe», «Fremdwasseranteil» und «Fettgehalt» ist es umgekehrt: Die Punktzahl ist umso höher, je weniger Bindegewebe, Fremdwasser und Fett in der Wurst ist.
(rom)
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