Mit diesen Helmen riskieren Sie Kopf und Kragen
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K-Tipp 7/2001
11.04.2001
Velohelme für Erwachsene im Test 6 von 12 Modellen erfüllten nicht einmal die gesetzliche Norm
Der K-Tipp wollte wissen, welche Helme kluge Velofahrer tragen sollten. Das Resultat ist erschreckend: Die Hälfte der getesteten Modelle dürften gar nicht in den Verkauf gelangen - darunter auch ein Suva-Helm. Sie entsprechen nicht der Sicherheitsnorm.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Erinnern Sie sich an Joaquim Agostinho? Den sympathischen Radrennfahrer aus...
Velohelme für Erwachsene im Test 6 von 12 Modellen erfüllten nicht einmal die gesetzliche Norm
Der K-Tipp wollte wissen, welche Helme kluge Velofahrer tragen sollten. Das Resultat ist erschreckend: Die Hälfte der getesteten Modelle dürften gar nicht in den Verkauf gelangen - darunter auch ein Suva-Helm. Sie entsprechen nicht der Sicherheitsnorm.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Erinnern Sie sich an Joaquim Agostinho? Den sympathischen Radrennfahrer aus Portugal, der jahrelang an der Weltspitze mitfuhr? Vor Jahren erlitt er bei einem Sturz an einem Rennen in Portugal Schädelverletzungen, die ihn das Leben kosteten.
Rund zehn Jahre später, 1995, erlag auch der frühere Rad-Olympiasieger Fabio Casartelli nach einem Sturz an der Tour de France seinen Kopfverletzungen. Beide hatten keinen Helm getragen.
Schädelverletzungen sind nicht nur für Profi-Radfahrer ein Risiko. Mehr als die Hälfte der Verletzungen von Velofahrern in der Schweiz betreffen den Kopf. «41 Radfahrer kamen 1999 ums Leben, 30 davon wegen Verletzungen am Kopf», weiss Jörg Thoma von der Schweizerischen Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu).
Pro Jahr verletzen sich in der Schweiz über 7000 Velofahrerinnen und -fahrer. Würden sämtliche Velofahrer einen Helm tragen, so wäre diese Zahl laut Angaben der bfu deutlich tiefer.
Weil Heilung und Rehabilitation bei Kopfverletzungen besonders aufwändig und teuer sind, liessen sich so - neben viel Leid und Schmerz - 700 Millionen Franken an Unfallkosten pro Jahr einsparen.
Ein Velohelm muss gut sitzen und Schläge dämpfen
Doch Helme schützen ihren Träger nur, wenn die Konstruktion beim Sturz auf den Kopf den Schlag auch wirklich abfedert und der Helm auf dem Kopf sitzen bleibt. Deshalb müssen die Hersteller jedes Modell von einem Prüfinstitut testen lassen, bevor sie es in den Verkauf geben.
In der Schweiz wie in der Europäischen Union gilt für Velohelme die Norm EN 1078. Die Hersteller erhalten das CE-Zeichen für die Marktzulassung, wenn ihre Helm-Modelle in einem anerkannten Labor den Normtest bestehen. Der K-Tipp wollte wissen, ob zwölf häufig verkaufte Modelle das Siegel zu Recht tragen. Die Empa St. Gallen, selber anerkanntes Prüflabor für die europäische Helm-Norm, testete die Velohelme im Auftrag des K-Tipp auf ihre Tauglichkeit. Das Prüflabor untersuchte folgende Testpunkte:
- Stossdämpfungs-Eigenschaften: Wie gut dämpft der Kopfschutz einen Aufschlag?
Bei diesem Kriterium simulierte der Test je zwei Stürze auf eine Fläche (mit 19 Stundenkilometern) und auf eine Kante (mit 15 Stundenkilometern). Damit sollen Stürze im Flachen sowie auf einen Bordstein geprüft werden.
- Guter Sitz: Lässt sich der Helm mit einem Ruck abstreifen?
- Verformung der Tragriemen und deren Befestigung bei einem starken Zug, der eine Unfallsituation simuliert.
Dabei führte das Labor die drei Prüfungen gemäss den Vorschriften der Norm EN 1078 durch. Die Modelle, die bei einem dieser Prüfpunkte durchfielen, wären auch beim Zulassungstest für die Zertifizierung bei der Empa durchgefallen.
Im Klartext: Diese Helme entsprechen nicht dem Sicherheitsstandard und dürften weder in der Schweiz noch in den Ländern der Europäischen Union in den Verkauf gelangen. Die besten Resultate im Test erreichten die Helme von Coop und Migros:
- Leopard Allround, Coop
- Crosswave, Migros
- Leopard Freesby, Coop.
Drei weitere Modelle bestanden den Test ebenfalls mit der Note «gut»:
- Team Twinner Casco Bike Briko
- Maxi Vento
- Giro Gila
Im Test durchgefallen sind die anderen sechs Helme. Sie erhielten die Note «ungenügend», weil sie allesamt die gesetzlichen Bestimmungen nicht erfüllten.
Der Lazer Ultrax 240 und der Alpina Twister konnten die Grenzwerte bei der Prüfung der Stossdämpfung nicht einhalten; die Modelle Anaxagore und Cyber 2 des italienischen Herstellers Met bestanden den Abstreif-Test nicht.
Zwei haben sowohl bei der Stossdämpfung als auch im Abstreiftest versagt: Uvex Boss RS2 und Cratoni Mountain Champ, bei dem die Prüfstelle den letzten Test gar nicht mehr durchführen konnte - denn das Cratoni-Modell hatte die vorangegangenen Tests nicht überlebt.
Die Vertreiber und Hersteller reagierten unterschiedlich auf die negativen Resultate:
Die Cilo hat das im Test durchgefallene Prüfexemplar Cratoni Mountain Champ zur Untersuchung angefordert. Cilo-Direktor Michael Lüthi: «Wir nehmen dieses Resultat ernst und wollen der Sache auf den Grund gehen.»
Der italienische Hersteller Met hat zu den schlechten Resultaten keine Stellung bezogen, aber ebenfalls die zerstörten Prüfexemplare zur Untersuchung verlangt. Man wolle das Resultat analysieren, schrieb Met dem K-Tipp.
Ausgerechnet der Suva-Helm war im Test «ungenügend»
Besonders heikel ist das schlechte Abschneiden des Met-Helms Cyber 2. Denn dieses Modell vertreibt die Suva im Rahmen ihrer Suvaliv-Kampagne.
«Wir sind froh, dass wir auf diesen Mangel aufmerksam gemacht werden», äussert sich Barbara Salm von der Suva dazu. «Wir haben umgehend drei weitere Helme dieses Modells von der Empa testen lassen.»
Dabei hätten die Suva-Helme den Abstreiftest erfolgreich bestanden, betont Salm.
Für Alpina ist das ungenügende Resultat «nicht nachvollziehbar». Wie die Suva will nun Alpina ihr Modell Twister für eine weitere Testserie ins Labor der Empa geben.
Im Gegensatz zu den anderen Vertreibern oder Herstellern zweifelt Uvex-Geschäftsführer Markus Ott die Resultate an und verweist auf die Zertifizierungsprüfung, die der Uvex Boss RS2 bestanden habe. Nur diese sei relevant. «Wir ziehen den Schluss, dass es sich um einen Ausreisser handelt, der für das betreffende Helm-Modell nicht typisch ist.»
Der K-Tipp hat deshalb ein weiteres Exemplar des Uvex Boss RS2 von der Empa nachtesten lassen. Dabei hat der getestete Helm die Stossdämpfungsprüfung bestanden; in der Tabelle bekäme er in diesem Punkt die Note «genügend».
Uvex bestreitet auch das negative Resultat beim Abstreiftest; die Empa habe hier einen Fehler gemacht. Die Empa bestreitet das. Laut Aussage von Jörg Thoma von der bfu kommt es immer wieder vor, «dass zertifizierte Helm-Modelle die verlangten Werte bei weitem nicht erreichen». Das ist gefährlich für die Velofahrer, die sich schützen wollen.
Den Grund für die vielen schlechten Resultate sieht der Test-Verantwortliche Siegfried Derler von der Empa darin, dass Helme auch hohen Ansprüchen punkto Komfort und Aussehen genügen müssten. Die Hersteller versuchten, schnittige und stromlinienförmige Helme mit grossen Belüftungslöchern herzustellen. Auch die Norm verlangt gute Belüftung. Irgendwann ist aber so wenig Material am Helm, dass er zu schwach wird.
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Damit der Velohelm auch wirklich schützt
- Der Velohelm soll waagrecht auf dem Kopf sitzen, damit er optimalen Schutz bietet.
- Bewahren Sie den Helm an einem kühlen, trockenen Ort auf.
- Helme sind hitzeempfindlich und können bei Temperaturen über 50 Grad Celsius Schaden nehmen. Deponieren Sie Ihren Helm deshalb nicht an heissen Orten wie auf Autoablagen oder in dunklen Zubehörboxen. Unebene Helmoberflächen und Bläschenbildung sind Zeichen einer Hitzeschädigung.
- Kontrollieren Sie Ihren Helm regelmässig auf Beschädigungen durch Hitze oder Schläge.
- Ersetzen Sie Ihren Helm, wenn er äussere Schäden wie tiefe Kratzer oder Risse aufweist.
- Ersetzen Sie Ihren Helm nach einem Aufprall oder harten Schlag, auch wenn keine Schäden sichtbar sind.
- Bringen Sie keine Aufkleber oder Farbanstriche auf Ihrem Helm an.
- Reinigen Sie den Helm mit Wasser und milder Seife, nie mit Chemikalien.