Nichts für Stock und Stein
Lausig montierte oder billige Teile: 3 der 10 geprüften Velos kauft man besser nicht. Beim Migros-Bike sind die Bremsen gar ein Unfallrisiko.
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K-Tipp 9/2005
04.05.2005
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Shimano, Shimano, Shimano: Für viele Käufer steht dieser Name unverrückbar für hohe Qualität. «Bei Bremsen, Ketten und Naben von Shimano kann man sich tatsächlich auf die Qualität verlassen», sagt Rico Zimmerli, der als Inhaber des Fachgeschäfts www.veloboerse.ch in Zürich-Seebach seit Jahren Mountainbikes zusammenbaut.
Aber: «Bei Schaltern, Kettenwechslern und den Umwerfern - der Führung für die Kette - stimmt das nur bed...
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Shimano, Shimano, Shimano: Für viele Käufer steht dieser Name unverrückbar für hohe Qualität. «Bei Bremsen, Ketten und Naben von Shimano kann man sich tatsächlich auf die Qualität verlassen», sagt Rico Zimmerli, der als Inhaber des Fachgeschäfts www.veloboerse.ch in Zürich-Seebach seit Jahren Mountainbikes zusammenbaut.
Aber: «Bei Schaltern, Kettenwechslern und den Umwerfern - der Führung für die Kette - stimmt das nur bedingt», sagt Zimmerli. Denn Shimano bietet seine Einzelteile in unterschiedlichen Qualitäten an. Velobauer - in Fernost und in der Schweiz - wählen selber, ob sie teure oder günstige Shimano-Komponenten kaufen und einbauen.
Fragt man Fachhändler, was ein Mountainbike für wenige hundert Franken taugt, heissts: Für diesen Preis könne man keine brauchbaren Bikes zusammenbauen. Nur: Sagt das ein Händler bloss, damit er die teuren Hightech-Bikes in seinem Laden verkaufen kann?
Kassensturz und K-Tipp sind dieser Frage nachgegangen und haben zehn Mountainbikes mit Frontfederung testen lassen. Das Dynamic Test Center in Vauffelin bei Biel hat die Räder auf Sicherheit und Komfort geprüft.
Ottawa California: Am meisten Mängel
Sechs der zehn Bikes stammen aus dem Sortiment von Grossverteilern und grossen Sportketten und kosteten weniger als 560 Franken. Zusätzlich im Test waren vier Markenvelos: ein sehr günstiges von Scott für 569 Franken und zwei weitere der Schweizer Marke BMC für 799 und 1299 Franken, dazu Trek für 559 Franken.
Für Schnäppchenjäger ist das Resultat nicht erfreulich. Die billigsten Bikes für 399 Franken fielen deutlich ab. Die beiden teuersten Modelle wurden der Erwartung gerecht und erreichten die besten Noten. Dennoch lassen sich interessante Unterschiede ausmachen.
Mit Abstand das schwächste Bike im Test war Ottawa California aus dem Jumbo. Der Messwert beim Rundlauf der Hinterachse hatte sich nach dem Fahrtest klar verschlechtert, das heisst, das Hinterrad «eierte». Bereits im Neuzustand hatte das Hinterrad die grösste Abweichung der zehn Bikes. Auch das Vorderrad litt unter den Fahrtests: Das Lager bekam Spiel. Die Schaltung war laut, reagierte oft verzögert, häufig gabs Leerschaltungen. Der Bremsweg war lang, Rückstrahler fehlten. Das Ottawa-Rad war zudem das schwerste Test-Bike. Kommentar von Prüfleiter Urs Fecker: «Dieses Bike birgt zwar kein Sicherheitsrisiko, wird aber nicht lange Freude bereiten.»
Etwas besser, aber dennoch ungenügend war das Carrefour-Bike MR 2610. Die Bremshebel liessen sich bis zum Anschlag durchziehen. Auffällig war auch die grosse Schaltverzögerung der unpräzisen und lauten Schaltung. Zusätzlich bekam das Vorderrad beim Fahren etwas Spiel. Dieses Modell hatte mit durchschnittlich 6,2 Metern den längsten Bremsweg aller getesteten Bikes.
Peter Stefani, Pressesprecher von Carrefour und Jumbo, verspricht, dass die Testresultate in Zukunft beim Einkauf berücksichtigt würden.
Crosswave S1000: Verformte Bremsen
Ebenfalls «ungenügend» ist Crosswave S1000 für 495 Franken. Das Migros-Velo schnitt bei der Bewertung nach der Testfahrt schlecht ab, denn der unpräzise Rundlauf des Vorderrads war nach dem Test von Auge sichtbar. Bei der Gabel wurde offensichtlich gespart, und die Bremsen verformten sich im Test. Noch schlimmer: Die Vorderbremse hatte sich während der Fahrtests verschoben, was ein konkretes Risiko darstellt - der Bremsbügel hätte in die Speichen geraten können. Prüfleiter Fecker: «Die Bremsanlage wäre akzeptabel, ist aber schlecht montiert!» Die Migros schreibt dazu: «Die Einstellungen können sich bei jedem Fahrrad nach einem ersten Gebrauch verstellen.» Deshalb biete man bis drei Monate nach dem Kauf einen Gratisservice an.
Bremshebel: «Als obs ein Gummizug wär»
Für ein knappes «genügend» reichte es dem Racer x Man. Auch dieses Athleticum-Bike bekam schlechte Noten im Prüfpunkt «Zustand»: «Zieht man am Bremshebel, fühlt es sich an, als ob man einen Gummizug betätigte.» Die Schaltung sei unpräzis und laut. Schlimmer noch, der Rundlauf des Hinterrads war nach dem Test massiv schlechter. Der Belastungstest im Labor bewirkte gar eine lose Verschraubung zwischen Lenker und Lenkerbefestigung, dem Vorbau.
Athleticum schreibt, man habe die Testergebnisse an den Hersteller weitergeleitet, «damit die gewonnenen Erkenntnisse für die Kollektion 06 berücksichtigt werden können». Bei «offensichtlichen Mängeln» sei Athleticum bereit, das gekaufte Racer-x-Man-Bike «jederzeit gratis in Stand zu stellen oder sogar umzutauschen».
Auftrumpfen konnten die Markenvelos, vor allem die beiden BMC-Produkte:
Beim Bremsweg gehörten Blast 03 und Compay mit rund 4,5 Metern zu den besten. Der Rundlauf beider Räder war in der Eingangskontrolle tadellos und verschlechterte sich durch den Fahrtest nur geringfügig.
Bei Blast beobachteten die Tester von Anfang an gelegentliche Leerschaltungen, bei Compay erst nach dem Fahrtest. Einen Minuspunkt holten sich beide Modelle bei der Lenkanlage: Nach dem Fahrtest wurden «geringes Spiel» (Compay) und «merkliches Spiel» (Blast) im Lenkkopf protokolliert. Beiden Bikes fehlten Reflektoren, bei Compay auch die Klingel. Man fragt sich allerdings, was das sehr viel teurere Modell Compay mehr zu bieten hat als Blast.
Scott Voltage kann zwar mit den BMC-Modellen nicht ganz mithalten, schnitt aber dennoch «gut» ab.
Ein grobes Defizit: Beim Lenkertest löste sich die Verbindung zwischen Lenker und Vorbau nach 55 000 Belastungen. Weitere Minuspunkte: Beim Schalten ist Geduld angesagt. Und die Federung der Vorderradgabel hinterliess einen etwas weichen Eindruck. Dafür ist die Bremsanlage überzeugend.
Beim Kauf des Testvelos Leopard Master Cat im Coop Bau + Hobby wurde die Frage nach einer kostenlosen Nachkontrolle zweimal verneint. Coop schreibt dazu dem K-Tipp, dass «eine kostenlose Nachkontrolle innert drei Monaten nach dem Kauf angeboten wird». Hätte die Coop-Filiale dieses Service-Angebot gemacht, wäre das Bike im Test knapp mit «gut» bewertet worden.
Archiv im Netz
Unter www.ktipp.ch finden Sie sämtliche Tests aus dem K-Tipp seit Januar 2000. Der Bezug eines Tests im PDF-Format (inkl. Tabellen) kostet 3 Franken.
So wurde getestet
- Beurteilung des Zustands beim Kauf und nach Fahrtest: Vor und nach einem Belastungstest bewerteten die Prüfer Montage, Bremsen, Schaltung, Schraubverbindungen, Montage und Rundlauf der Räder.
Im Fahrtest fuhren fünf Testpersonen mit den Bikes über Stock und Stein. Nach dieser intensiven Nutzung wurden im Labor alle Mountainbikes noch einmal beurteilt.
- Auf der Strasse: Der durchschnittliche Bremsweg bei einer Notbremsung wurde mit drei verschieden schweren Fahrern gemessen.
- Im Labor: Geprüft wurden Belastbarkeit von Lenker und Vorbau, je 50 000-mal gleichseitig und wechselseitig. Simuliert wurden so die Belastungen bei Downhill-Abfahrten, Bremsmanövern und Wiegetritt-Fahrten.
- Ausstattung: Bewertet wurde, ob ein Service zum Nachstellen von Bremsen usw. im Preis enthalten ist, ob Klingel und die gesetzlich vorgeschriebenen Rückstrahler vorhanden sind.
So stellen Sie vor dem Kauf fest, ob Ihr Wunsch-Bike etwas taugt
Ein gutes von einem mittelmässigen Mountainbike zu unterscheiden ist für Laien schwierig. Dennoch können auch sie einen Fehlkauf verhindern.
Front- oder Vollfederung?
- Frontgefederte Mountainbikes (Hardtails) sind leichter, günstiger und für wenig geübte Biker einfacher zu fahren. «Wer zum ersten Mal ein Mountainbike kauft, entscheidet sich deshalb besser für ein Hardtail», empfiehlt Velobauer Rico Zimmerli. Hinten und vorne gefederte Modelle (Fullys) sind für hohe Belastungen konzipiert und kosten meist 2000 Franken und mehr.
Rahmengrösse
- Verlassen Sie sich nicht auf die Grössenangaben, auch die Form des Rahmens ist wichtig. Mountainbikes haben kleinere Rahmen als Citybikes. Auf einer kurzen Testfahrt ausprobieren, ob man sich auf dem Rad wohl fühlt.
Federgabel
- Gut sind verstellbare Federgabeln: Sie lassen sich auf das Gewicht von Käuferin bzw. Käufer einstellen.
- Eine Testfahrt zeigt, ob die Gabel zu weich oder zu hart eingestellt ist. Online-Käufe sind ein Risiko, weil testen unmöglich ist.
Sattel
- Nur durch Ausprobieren findet man den bequemen Sattel (siehe K-Tipp 7/05).
- Ist der Sattel unbequem, einen Austauschsattel verlangen. Vielleicht ist der Händler bereit, einen gleichwertigen Sattel kostenlos auszutauschen oder für einen teureren nur einen Differenzbetrag zu verrechnen.
Bremsanlage
- Spürt man beim Bremsen keinen sauberen Druckpunkt oder lässt sich der Bremshebel bis zum Griff durchziehen, ist die Bremse schlecht eingestellt oder es sind billige Teile verbaut worden.
Schaltung
- Ob 21, 24 oder 27 Gänge ist für Hobbyfahrer sekundär. 27-Gänger bieten aber neben feinerer Einstellung ein leicht grösseres Schaltspektrum (= grösster und kleinster Gang liegen weiter auseinander).
- Oft werden teure Wechsel bekannter Marken eingebaut, im Übrigen aber billige Komponenten. Für Ungeübte ist das kaum erkennbar. Ein Shimano-XT-Wechsler bedeutet also noch lange nicht, dass die ganze Schaltung gut ist.
Felgen und Speichen
- Felgen sollten aus Aluminium sein: leicht und stabil.
- Räder mit doppelwandigen Felgen sind stabiler.
- Speichen müssen rostfrei sein. Räder mit angerosteten Speichen sind nicht mehr zentrierbar.
Naben
- Billige Hinterrad-Naben können teure Folgen haben: Da oft keine Ersatzteile erhältlich sind, muss bei einem Problem das ganze Hinterrad ersetzt werden.
Steuerlager (Lenkerbefestigung)
- So prüfen Sie die saubere Montage des Lenkers:
1. Vorderbremse ziehen, Velo nach vorn und zurück- schieben. Hat der Lenker zum Rahmen Spiel, ist der so genannte Steuersatz zu locker befestigt. (Erkennbare Bewegungen der Vorderradbremse sind ebenfalls ein Indiz für eine schlechte Teilequalität.) 2. Bike mit Neigung gegen vorne abheben, Lenker seitlich stellen. Dreht der Lenker nicht von allein in die Veloachse, ist das Steuerlager zu hart angezogen.
Tretlager (Kurbelgarnitur)
- Zum Testen von Hand die Pedalen rückwärts drehen. Bleibt die Garnitur nicht in der Achse oder «eiert» sie: Finger weg.
- Plastikpedalen können bei Sturz oder hoher Belastung brechen.
Generell
Auf einer 10-minütigen Probefahrt zeigt sich, ob ein Mountainbike bequem ist. Sie dürfen - und sollten sogar - auch über einen Trottoirrand fahren und abrupt bremsen, um das Bike beurteilen zu können.
(rom)