Nun rollen sie wieder
Die Hälfte von 16 getesteten Inlineskates fällt im Praxistest durch. Der Frauenschuh von Fila war zu wenig robust und ging im Labortest kaputt.
Inhalt
K-Tipp 10/2005
18.05.2005
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Wer abends aus dem Bus blickt und einen Schwarm Inlineskater sieht, leidet nicht unbedingt an Halluzinationen. Denn seit kurzem schwärmen an Montagabenden wieder hunderte Inlineskater durch Schweizer Städte. Organisiert werden die Gruppenausflüge auf Rollen von «Monday Night Skate» (MNS). Der Verein hat vor 6 Jahren die abendlichen Veranstaltungen ins Leben gerufen.
Soll das Skaten aber wirklich Spass machen, sind Schuhe gefragt, die bequem sind und dem Fuss trotzdem genügen...
Wer abends aus dem Bus blickt und einen Schwarm Inlineskater sieht, leidet nicht unbedingt an Halluzinationen. Denn seit kurzem schwärmen an Montagabenden wieder hunderte Inlineskater durch Schweizer Städte. Organisiert werden die Gruppenausflüge auf Rollen von «Monday Night Skate» (MNS). Der Verein hat vor 6 Jahren die abendlichen Veranstaltungen ins Leben gerufen.
Soll das Skaten aber wirklich Spass machen, sind Schuhe gefragt, die bequem sind und dem Fuss trotzdem genügend Halt geben.
K-Tipp und Kassensturz haben insgesamt 16 Skates der meistverkauften Kategorie Fitness/Recreational mit einer Preisspanne von 99 bis 369 Franken eingekauft und einem Praxis- und Labortest unterzogen. Im Test war je ein Frauen- und ein Männermodell der Schuhgrössen 39 und 43, bei Unisex-Schuhen jeweils ein Modell in den entsprechenden Grössen.
Die Prüfanstalt LGA Quali-Test in Nürnberg (D) unterzog die Schuhe sicherheitstechnischen Prüfungen. Zudem wurden die Schuhe von acht MNS-Mitgliedern - je vier Frauen und Männer - getestet und für jeden Schuh wurde ein ausführlicher Fragebogen ausgefüllt.
«Gut» gabs am Ende nur für Markenskates
Im Labortest versagte nur ein einziges Modell: Der Frauenschuh von Fila bestand die Teilprüfung «Aufprall gegen das Fahrwerk» nicht. In dieser Prüfung wird simuliert, wie ein Skater mit einer Geschwindigkeit von 16 km/h gegen ein Hindernis fährt - zum Beispiel gegen einen Trottoirrand. Beim Fila-Modell löste sich das Fahrwerk vom Schuh.
Prüfleiter Stefan Radinger vom LGA vermutet den Grund dafür in der speziellen Konstruktion: «Beim Fila-Modell ist der Schuh vorne nur an einem Punkt befestigt, während bei allen anderen getesteten Modellen mehrere Nieten Fahrwerk und Schuh verbinden.» Der Schweizer Vertreiber Cosmosport rechtfertigt sich, diese Verbindungstechnik von Schuh und Schiene sei «seit Jahren erfolgreich» und werde «ohne Probleme von Fila eingesetzt».
In der Gesamtbeurteilung führte der Mangel bei diesem Damenmodell zur Abwertung. Das Herrenmodell bestand die gleiche Prüfung hingegen unbeschadet.
Die weiteren Laboruntersuchungen gaben bei keinem der getesteten Inlineskates zu Kritik Anlass.
In der Praxisprüfung hingegen trennte sich die Spreu vom Weizen - bei den Männer- wie bei den Frauenmodellen. Das Gesamturteil «gut» erreichten nur Markenschuhe: Rollerblade, Salomon und bei den Männern zusätzlich auch K2.
Bei den Männerskates war der Rollerblade Aero 10 TFS das beliebteste Modell. Die Tester gaben dem eigenwilligen Verschlusssystem - der Schuh wird durch Ziehen an einem Griff gebunden - gute Noten: «Sehr gute Bindung.» «Der Schuh lässt sich schnell und gleichmässig binden.» Das Lösen des Bändels müsse allerdings «verbessert werden».
Einer der Tester beklagte Druckstellen an den Knöcheln. Beim Fahrverhalten bekam der Inliner noch bessere Noten als beim Komfort. Auch die Bremse wurde als «stabil» und «effizient» empfunden.
Der Zweitplatzierte, Salomon Motion 7.2, sei «sehr wendig und drehfreudig», so die Tester, reagiere gut auf Druck und Krafteinsatz. Auch die Schnürung - obwohl ohne Klettband über dem Rist - befriedigte, die Polsterung sei «sehr bequem».
K2 VO2: Stabilität nicht optimal
Die gleiche Note gaben die vier Testfahrer dem deutlich teureren K2 VO2. Der Skate sei zwar «sehr bequem». Doch fiel hier auf, dass die Stabilität beim Fahren nicht optimal ist und die Schnürung nicht ausreichend festgezurrt werden kann.
«Extrem wendig», «hervorragend zu kontrollieren» und «satt wie ein Skischuh» ist Fila Nighthawk 84 für Männer. Die Tester notierten aber einige Minuspunkte: Der Schuh sei sehr hart, er werdee bereits nach kurzem Tragen unbequem, weil es an Polsterung mangle, der Einstieg sei schwierig und die Schnalle beim Aussteigen schwer zu lösen. Beim Fahren irritierten die mangelhafte Dämpfung und ein klapperndes Geräusch. In der Summe reichte es nur für das Gesamturteil «genügend».
Die restlichen Männerschuhe fallen im Urteil der Skater durch. Tuned for Sports Roller Derby aus dem Carrefour («absolut inakzeptabel als Freizeit- und Sportgerät!») ist unbequem, kann nicht gut gebunden werden und gibt keinen Halt. Max Drive Alu («schlechter Skate», «nicht empfehlenswert») ist eine eigentliche Fehlkonstruktion: Er hat eine Schnalle, die nicht ganz geschlossen werden kann - das Band bleibt am seitlichen Lüftungsschlitz hängen. Zum Fahrverhalten notierten die Testfahrer, der Schuh sei schwierig zu lenken und gebe keinen Halt.
Noch schlechtere Noten handelten sich Victory (Dosenbach) und Obscure (Migros) ein: Bei beiden bemängelten die Fahrer den fehlenden Halt, beim Migros-Schuh das zähe Rollverhalten, aber auch, dass der Klettbändel für Leute mit hohem Rist zu kurz geraten ist.
Die Migros schreibt dem K-Tipp, der Schuh sei ein Einsteigermodell. Gerade für Anfänger sind aber schlecht rollende Inliner problematisch. Denn je schneller sie rollen, desto schneller verschwindet der staksige Anfängerschritt. Mit der fliessenden Bewegung kommt die Sicherheit für Manöver und die Balance fürs Bremsen.
Bei den Frauen-Skates war Salomon der Spitzenreiter: «Sehr bequem, wie ein Luftkissen» und «gutes Schnürsystem» waren die Kommentare. Beim Fahrverhalten erhielten die Salomon-Inliner die beste Note im Test. Unangenehm war einzig, dass sich «Sohle und Innenschuh beim Ausziehen lösen».
Das Schnürsystem des Rollerblade Aero 10 machte am Anfang auch den Frauen Mühe: Das An- und Ausziehen ist schwierig, wenn man mit dem eigentlich guten, aber eigenwilligen Mechanismus nicht vertraut ist.
Die günstigen Modelle Obscure und Victory wurden von den Frauen besser beurteilt als von den Männern und erreichten ein knappes «genügend». Die Migros wundert sich nicht über die bessere Note der Fahrerinnen: Obscure sei «tendenziell eher für Frauen» gemacht, mit einem grösseren Ausschnitt im Wadenbereich. Doch: Zwei der Frauen kritisierten, der Schuh sei zu tief geschnitten. Deshalb bieten die Schuhe zu wenig Halt. Gefährlich ist der zu lange Bändel - er kann in die Rollen geraten: ein klarer Konstruktionsfehler.
Roller-Derby SR 700 «Gefährliche Bremse»
Ein Nachteil der Skates von Victory ist das Schnürsystem, das zu wenig Halt gibt. Schlecht ist zudem die mangelnde Lauffreudigkeit der Skates, die sie gerade für Anfänger nicht sehr attraktiv macht (siehe dazu Obscure, Männer, Seite 20).
Wie bei den Männer-Skates verpassten Tuned for Sports und Max Drive eine genügende Note. Beim Tuned for Sports Roller Derby SR 700 ist es kaum möglich, die Schnürsenkel so festzuzurren, dass der Schuh gut sitzt. «Unbrauchbar» und «gefährlich» sei die Bremse: Obwohl sie klein gehalten ist, kommt sie beim Übersetzen in die Quere. Ausserdem «schlingert der Schuh beim Bremsen». Lob gab es aber für die Wendigkeit.
Die Kommentare der Skaterinnen für den Max Drive gleichen jenen der Männer: schlechter Halt, schwer zu bedienende Schnalle, zähes Rollverhalten. Wegen des fehlenden Halts und streng laufender Rollen sei dies bestimmt kein Anfänger-Skate, befanden die Fahrerinnen.
Die Markenhersteller bieten für Frauen Modelle mit einem Schuh, welcher der Ergonomie der Frauenbeine besser angepasst sein sollte. Fahrwerk und Bremssystem sind dabei in der Regel identisch. Die K2-Skates zeigen, dass die Hersteller damit auf die Nase fallen können. Bekommt das K2-Modell von den Männern durchwegs gute Noten, waren die Testfahrerinnen nicht zufrieden. Zwei der vier Frauen empfanden den Schuh als sehr unbequem, eine beklagte eine Druckstelle durch die Zunge, der Halt wurde generell als schlecht bewertet.
Adressen und Infos
- Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU): Broschüre mit Lehrgang für Anfänger (www.bfu.ch: «Informationsmittel», «Sport» an klicken).
- Monday Night Skate: Montagsausfahrten in Aarau, Baden, Basel, Bern, Biel, Chur, Kreuzlingen, Luzern, Winterthur, Zürich. Übersicht auf www.nightskate.ch.
Prüfungen im Gelände und im Labor
Je vier Frauen und Männer testeten die Skates in der Praxis und füllten einen ausführlichen Fragebogen aus. Die wichtigsten Kriterien:
Robustheit (Labortest)
Die Prüfanstalt LGA in Nürnberg unterzog die Schuhe sicherheitstechnischen Tests nach EU-Norm: Horizontaler Frontaufprall gegen die vorderste Rolle, vertikaler Aufprall gegen die Bremseinrichtung, Zugprüfung am Fahrwerk. Nach jeder Prüfung wurden die einzelnen Teile der Skates auf Schäden geprüft.
Komfort
Wie gut lässt sich ein Skate an- und ausziehen? Halten die Schnallen und Bändel, schneiden Letztere beim Festziehen an den Fingern ein? Wie viel Halt bietet der Schuh? Wie gut ist die Durchlüftung?
Fahrverhalten
Wie wendig ist der Skate? Ist die Fahrt geradeaus ruhig? Ist der Schuh ausreichend gedämpft?
Bremsen
Wie gut ist das Bremssystem? Kann man zügig, aber sanft bremsen? Kommt die Bremse beim Übersetzen in die Quere?
(rom)
Ausprobieren - und eine gute Schutzausrüstung wählen
«Vor dem Kauf sollte man sich überlegen, ob man eher einen wendigen Skate will oder einen für längere Strecken», sagt Roli Walther vom Zürcher Fachgeschäft «Out On Street».
- Wer längere Fahrten plant, sollte sich an Inliner mit langer Schiene und grossen Rädern (90 mm oder mehr) halten. Dies bewirkt ein besseres Gleitverhalten und ruhigere Laufeigenschaften.
- Für Fahrten mit vielen Richtungswechseln (Stadt) wählt man kürzere Schienen und kleinere Räder. Das macht die Skates wendiger, beeinträchtigt aber ruhiges und schnelles Fahren.
- Harte Schuhe sind nicht unbedingt schlecht, wenn sie gut sitzen und nicht zu Schmerzen und Druckstellen führen. Eine härtere Schale ist für einen optimalen Halt von Vorteil.
- Die meisten Inlineskates sind mit guten Lagern ausgerüstet, das gilt auch für alle Modelle im K-Tipp-Test. Unterschiedlich gut sind aber die Räder. Dank genormter Grössen lassen sie sich aber jederzeit gegen bessere auswechseln.
- Problematisch sind die Bremsen: Sie nützen sich sehr schnell ab. Die Bremsklötze können nicht unbedingt durch solche fremder Marken ersetzt werden. Deshalb sich im Laden unbedingt garantieren lassen, dass Bremsklötze nachgekauft werden können.
- Am besten probiert man im Laden mehrere Modelle während einiger Minuten an, nur so ist ein Vergleich möglich.
- Zum Skaten gehört eine Schutzausrüstung: (Velo-) Helm, Hand-, Knie- und Ellbogenschutz. Unabdingbar sind der Helm wegen der Gefahr von Kopfverletzungen sowie Handschoner gegen die häufigen Verletzungen am Handgelenk.
Auch hier lohnt sich das Probieren, denn oft schneiden die Gummibänder der Protektoren ein.
Das neuartige Schonersystem Biomex schützt die Handgelenke speziell gut, engt nicht zu sehr ein und gibt auch nicht so heiss.
(rom)
Archiv im Netz
Unter www.ktipp.ch finden Sie sämtliche Tests aus dem K-Tipp seit Januar 2000. Der Bezug eines Tests im PDF-Format (inkl. Tabellen) kostet 3 Franken.