Die erste Überraschung gab es noch vor dem Einkauf der Testprodukte: Die Lieblingskonfitüre der Schweizer Bevölkerung ist die aus Aprikosen. Das ergab eine K-Tipp-Umfrage bei den grossen Händlern. Fast so häufig kommen Erdbeerkonfitüren auf den Tisch.
Der K-Tipp schickte von beiden Brotaufstrichen insgesamt 10 Kilo ins Labor. Die Experten untersuchten 16 Produkte auf Rückstände von rund 600 Chemikalien. Zudem massen sie den Fruchtgehalt der Konfitüren.
Teurere Produkte besonders belastet
Die zweite Überraschung: Nur die Bio-Aprikosenkonfitüre von Lidl enthielt keine Pestizide. Mit 69 Rappen pro 100 Gramm ist das Produkt günstiger als viele Nicht-Bio-Konfitüren. Die zwei teuersten Konfitüren im Test wiesen mit sechs Pestiziden die grösste Anzahl Rückstände auf: die «Räber Amsel-Spitz Erdbeeren» (Fr. 2.– pro 100 g) und «Globus Erdbeeren» (Fr. 2.76 pro 100 g).
Die Aprikosenkonfitüre von Ottiger enthielt fünf Pestizide. Auch drei der vier Migros-Produkte schnitten nicht gut ab. Sie enthielten in der jeweiligen Fruchtkategorie die grösste Summe Pestizide.
Die Erdbeerkonfitüren waren im Durchschnitt sechs Mal stärker belastet als Konfitüren aus Aprikosen. Das erstaunt nicht: Erdbeeren sind oft stark gespritzt, wie eine frühere «Saldo»-Stichprobe zeigte. Von 25 Packungen frischer Erdbeeren waren nur drei pestizidfrei («Saldo» 12/2017).
«Pflanzenschutzmittel mit Risikopotenzial»
Im aktuellen K-Tipp-Test enthielten die Konfitüren insgesamt 15 verschiedene Chemikalien. Die meisten sollen vor Pilzbefall schützen. Doch viele dieser Stoffe können auch Mensch, Tier und Umwelt schädigen. 10 der 15 Stoffe stehen auf einer schwarzen Liste von Greenpeace. Dort hält die Umweltorganisation die «gefährlichsten Stoffe für Anwender, Umwelt und Konsumenten» fest. Das Bundesamt für Landwirtschaft bezeichnet drei der nachgewiesenen Pestizide als «Pflanzenschutzmittel mit besonderem Risikopotenzial». Rückstände dieser drei Stoffe gab es in der Aprikosenkonfitüre von Bonne Maman sowie in den Erdbeerkonfitüren von Migros Extra, Globus und Räber.
In der Aprikosenkonfitüre von Ottiger mit Früchten aus Griechenland und Serbien entdeckten die Experten 0,03 Milligramm Iprodion pro Kilogramm. Das ist mehr, als das Gesetz erlaubt. Dieser Stoff ist in der EU seit 2018 und in der Schweiz seit 2020 verboten. Jetzt darf 1 Kilo Früchte nur noch 0,01 Milligramm Iprodion aufweisen. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit begründete den Schritt mit einem «nicht auszuschliessenden Gesundheitsrisiko für Konsumenten». Die europäische Lebensmittelbehörde Efsa stufte den Stoff bereits 2016 als «wahrscheinlich krebserregend» ein.
15 der 16 Konfitüren enthielten Phosphonsäure: Dieser Stoff gelangt in der konventionellen Landwirtschaft oft über den Dünger in die Produkte. Im Bio-Anbau ist er in der Schweiz und der EU verboten. Laut dem deutschen Bundesamt für Verbraucherschutz ist Phosphonsäure für Vögel, Säugetiere und Wasserorganismen ein Risiko.
EU-Düngern darf dieser Stoff ab Juli 2022 nicht mehr zugesetzt sein. In der Schweiz will das Bundesamt für Landwirtschaft Bewilligungen für den Einsatz von Phosphonsäure «voraussichtlich» nicht mehr erneuern.
Pestizidcocktail ist für Menschen ungesund
Der K-Tipp bewertet die Rückstände zum Schutz der Konsumenten strenger als das Gesetz. Dieses legt nur Höchstwerte für einzelne Stoffe fest. Doch im menschlichen Körper kann durch den Konsum verschiedener belasteter Lebensmittel und auch über die Luft ein ganzer Pestizidcocktail entstehen. Die Efsa geht davon aus, dass sich einzelne Substanzen gegenseitig verstärken können.
Immerhin: Der Fruchtanteil der meisten Konfitüren war auf der Verpackung richtig deklariert. Die grösste Abweichung fand das Labor bei der Aprikosenkonfitüre von Coop Prix Garantie. Deklariert sind 45 Prozent Früchte, gemessen wurden nur 41 Prozent. Beim Denner-Produkt waren es statt 50 rund 46 Prozent Erdbeeren, bei Migros Sélection 67 Prozent Walliser Aprikosen statt der versprochenen 70 Prozent.
Die meisten Hersteller erklären, die Früchte für ihre Konfitüren «risikobasiert» auf Pestizide zu prüfen. Das heisst: Sie prüfen nur, wenn der Verdacht besteht, dass ein Produkt belastet sein könnte. Ottiger geht davon aus, dass sich das Iprodion-Verbot «in den kommenden Erntejahren entsprechend auswirken wird».
Räber weist darauf hin, das Produkt sei keine Konfitüre, sondern ein Fruchtaufstrich mit hohem Frucht- und tiefem Zuckergehalt: «Wäre der Fruchtgehalt tiefer, hätte man weniger Pestizide festgestellt.» Man werde künftig Rohware und Endprodukte vermehrt auf Rückstände prüfen.
Globus: «Wirkstoffe unter Höchstwerten»
Hero und St. Dalfour schreiben, die nachgewiesenen Pestizide seien in der Schweiz und der EU erlaubt. Globus sagt, die in der Erdbeerkonfitüre gefundenen Wirkstoffe seien «typisch» und lägen deutlich unter den Höchstwerten. Aldi verspricht, «mit dem Lieferanten mögliche Quellen von Phosphonsäure zu lokalisieren und zu beseitigen».
Herkunft selten deklariert
Nur bei 4 der 16 vom K-Tipp geprüften Konfitüren war die Herkunft der Früchte auf dem Glas ausgewiesen. Eine Deklaration keine Pflicht. Tatsache ist: In den Gläsern stecken selten Schweizer Früchte. Die Erdbeeren stammen laut den Herstellern aus Österreich, Italien, Spanien, Polen, Marokko oder Ägypten. Einzig Räber gibt auf dem Produkt an, dass Erdbeeren aus dem «Luzerner Seetal» verarbeitet würden.
Die Aprikosen für die getesteten Konfitüren wuchsen in Frankreich, Spanien, Serbien, Griechenland oder Marokko. Migros und Hero verwenden nach eigenen Aussagen Schweizer Aprikosen. Coop gibt die Herkunftsländer nicht bekannt und sagt nur nebulös, die Früchte würden «aus Europa» stammen.
Konfitüren und Gelées selber machen – damit man weiss, was drin ist
Konfitüren:
- Geben Sie die Gläser und die Schraubdeckel für 10 Minuten in siedendes Wasser.
- Gewaschene Früchte (am besten in Bio-Qualität) schneiden oder pürieren.
- Früchte gemäss Rezept mit Kristall- oder Gelierzucker in einem Topf mischen und eine Stunde ruhen lassen.
- Mischung unter ständigem Rühren aufkochen. Hitze reduzieren. Zwei bis drei Minuten weiter einkochen.
- Gelierprobe: Ein wenig heisse Konfi auf einen kalten Teller geben, auskühlen lassen. Teller schräg halten. Fliesst die Mischung nicht, hat sie die richtige Konsistenz.
- Schaum mit einem grossen Löffel von der Oberfläche der Konfitüre entfernen.
- Siedende Konfitüre in die noch warmen Gläser bis etwa einen Zentimeter unter den Rand einfüllen. Gut schliessen.
- Gläser 5 Minuten auf den Kopf stellen, umdrehen und auskühlen lassen.
- Gläser mit Datum beschriften und an einem kühlen, dunklen Ort lagern. So halten Konfitüren mindestens ein Jahr. Achtung: Wenn sich der Deckel wölbt, ist das Produkt wahrscheinlich verdorben.
Gelée:
- Gewaschene Früchte ohne Zucker erhitzen, einkochen und durch ein feines – vorher heiss gespültes – Sieb streichen. Gemäss Rezept Kristall- oder Gelierzucker zum Fruchtsaft mischen und aufkochen. Weiter wie bei Konfitüren.