Nur Pet-Rückstände trüben die Wässerchen
Alle 18 getesteten Mineralwässer enthielten weder Schwermetalle noch schädliche Keime. Probleme gibts aber beim Acetaldehyd, das aus den Pet-Flaschen gelöst wird.
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K-Tipp 9/2003
07.05.2003
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Die Verkaufszahlen von Mineralwässern steigen kontinuierlich an, wie Statistiken des Verbands Schweizerischer Mineralquellen und Softdrink-Hersteller (SMS) belegen. Aber: «In der Schweiz müsste niemand Wasser in der Flasche kaufen, weil ausgezeichnetes Trinkwasser aus den Hähnen fliesst», meint Paul Sicher vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs SVGW, der Fachorganisation der Wasserversorgungen.
Ausserdem koste Leitungswasser mit durchschnittlich Fr. 1.60 pro 1000...
Die Verkaufszahlen von Mineralwässern steigen kontinuierlich an, wie Statistiken des Verbands Schweizerischer Mineralquellen und Softdrink-Hersteller (SMS) belegen. Aber: «In der Schweiz müsste niemand Wasser in der Flasche kaufen, weil ausgezeichnetes Trinkwasser aus den Hähnen fliesst», meint Paul Sicher vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfachs SVGW, der Fachorganisation der Wasserversorgungen.
Ausserdem koste Leitungswasser mit durchschnittlich Fr. 1.60 pro 1000 Liter annähernd 1000-mal weniger, rechnet Sicher vor. Warum Sicher dies betont, ist klar: Die Mineralwasserhersteller sind quasi Konkurrenten der Wasserversorgungen und ihres Leitungswassers.
Trotzdem haben die Schweizer im Jahr 2001 pro Kopf 106 Liter Mineralwasser getrunken. Zehn Jahre früher waren es noch 72 Liter. Das ist eine Zunahme um 47 Prozent. Ein wichtiger Grund für die steigenden Verkäufe sind ausländische Wässer, die mit tieferen Preisen auf den Schweizer Markt drängen. Der Marktanteil ausländischer Produkte nimmt denn auch stetig zu.
«Es ist eine Meisterleistung der Produzenten, dass sie im Wasserparadies immer grössere Mengen verkaufen», muss Sicher neidvoll anerkennen.
Leitungswasser zu zwei Dritteln entkeimt
Ob Mineralwässer aus der Schweiz oder aus dem Ausland kommen, die gesetzlichen Bestimmungen sind strenger als für Hahnenwasser: Ein Mineralwasser muss aus einer einzigen Quelle stammen, eine bekannte geologische Herkunft haben, einen gleich bleibenden Mineralgehalt aufweisen sowie chemisch einwandfrei und unbehandelt sein. Der einzige zugelassene Zusatz ist Kohlensäure.
Was beim Mineralwasser verboten ist, gehört beim Leitungswasser zur normalen Behandlung: Rund zwei Drittel der Menge werden mit Ozon, Chlor oder UV-Strahlung entkeimt. Die Entkeimung dürfte der gewichtigste Unterschied zwischen den beiden Wasserarten sein.
Zum Uno-Jahr des Wassers hat der K-Tipp aus dem riesigen Angebot 18 Mineralwässer eingekauft und prüfen lassen. Unter den getesteten Wässern sind die meistverkauften Marken der Schweizer Hersteller wie Henniez, Swiss Alpina, Valser und Aproz. Grosse ausländische Marken sind ebenso vertreten - zum Beispiel Evian und San Pellegrino - wie rare Wässer wie Hildon und besonders billige wie M-Budget.
Von den 18 getesteten Produkten sind 7 kohlensäurehaltig, 11 sind «still». Eines der Wässer dürfte gar nicht als Mineralwasser verkauft werden: Heidiland wird mit Sauerstoff versetzt - das ist bei Mineralwasser nicht erlaubt. Auch ist der Nutzen des Sauerstoffs umstritten.
Das deutsche Institut Fresenius untersuchte die Proben im Auftrag des K-Tipp auf
- Gesamtkeimbelastung sowie für Menschen gesundheitsgefährdende Keimarten wie Escherichia coli (Kolibakterien), coliforme Bakterien und Fäkalstreptokokken (Gewichtung für das Gesamturteil 35 %),
- Belastung mit Schwermetallen (30 %),
- Gehalt an Acetaldehyd, das von Pet-Flaschen ins Mineralwasser übergeht (20 %),
- Gehalt an Mineralstoffen. Bewertet wurde die Abweichung zum deklarierten Gehalt (15 %).
In keinem der Mineralwässer fanden die Prüfer eine der gesuchten schädlichen Keimarten. Das ist keine Überraschung: Ein solcher Fund wäre einem Skandal gleichgekommen.
Auch die Gesamtkeimbelastung war bei allen Wässern äusserst gering. Erst bei der Keimanalyse nach 4 Tagen Stehenlassen - eine Analyse, die über die übliche und gesetzlich vorgeschriebene Testmethode hinausgeht - wiesen einzelne Wässer (unbedenkliche) Keime auf. «Das ist ganz normal», sagt Herbert Zerbe, zuständiger Projektleiter bei Fresenius, zu den Werten. «Mineralwasser ist nicht absolut keimfrei; lässt man es stehen, vermehren sich die natürlich vorhandenen Keime.»
Die hier gemessenen Werte liessen auf einwandfreie Wasserqualität schliessen. Deshalb erhielten alle Wässer die maximale Punktzahl beim Kriterium «Keimbelastung».
Ebenfalls tadellose Werte für alle Wässer gabs bei den Spurenstoffen: Schädliche Stoffe wie Quecksilber, Nickel und Arsen kamen nicht vor.
Acetaldehyd entsteht bei der Pet-Herstellung
Nicht überzeugend sind die Resultate beim Acetaldehyd, das bei der Pet-Herstellung entsteht. Es kommt aber auch natürlich vor - zum Beispiel in Früchten. Je nach Produktionsmethode, Inhalt der Flasche und Lagerung geht Acetaldehyd vom Pet ins Getränk über. Kohlensäure begünstigt den Vorgang zusätzlich. Im Test sind es, abgesehen vom stillen Wasser Nendaz, denn auch Wässer mit Kohlensäure, die diesen Stoff enthalten.
«Erreicht der Gehalt 15 Milligramm pro Liter und mehr, ist mit geschmacklichen Veränderungen zu rechnen», sagt Zerbe. Viele Wässer haben den Wert überschritten: Aproz, Henniez, Nendaz, San Pellegrino und Valser mit über 15 Milligramm (mg), am deutlichsten Swiss Alpina - mit 37 mg Acetaldehyd pro Liter.
Verschiedene betroffene Hersteller betonen, dass Acetaldehyd gesundheitlich unbedenklich sei. Deshalb existiere in der Schweiz auch kein Grenzwert. Trotzdem gehört dieser Stoff auf keinen Fall ins Mineralwasser. Für den Berner Kantonschemiker Müller ist klar: «Es geht nicht an, dass Mineralwässer in der Verpackung verunreinigt werden.» Die Abfüller müssten sehen, wie sie dieses Problem in den Griff bekommen.
Zum Schluss hat das Institut Fresenius den Mineraliengehalt gemessen. 20 Prozent Abweichung vom gemessenen und deklarierten Wert wurden noch mit «genügend» bewertet. Grössere Abweichungen sind laut Müller zu hoch: «Der Mineraliengehalt ist ein Hauptargument, ein Mineralwasser zu kaufen.» Also müsse in der Flasche drin sein, was der Hersteller auf der Etikette verspreche.
Bei Aproz medium wich ein Wert stärker ab. Und bei Vittel stimmte die Summe der deklarierten Mineralsalze weder mit den deklarierten Einzelwerten überein noch mit der K-Tipp-Messung. Die beiden Hersteller nahmen zu dieser Abweichung keine Stellung.
Surf-Tipps rund um Mineral- und Hahnenwässer: siehe "Wasser im web".
Was Kalium und Co. im Mineralwasser bewirken
Mineralwässer enthalten wertvolle Mineralien wie Kalzium, Fluorid und Sulfat. Je nachdem sind grössere Mengen einzelner Inhaltsstoffe aber zu vermeiden.
Mineralwässer stammen aus unterirdischen Wasservorkommen - das Wasser kann viele hundert Jahre alt sein. In Einzelfällen kommt Mineralwasser von selbst als Quelle an die Oberfläche, meist wird es aus den Tiefen des Gesteins an die Oberfläche gefördert. Je nach Schichten, durch die das Wasser fliesst, löst es andere Mineralstoffe heraus.
- Natrium
Natrium ist einfach ausgedrückt gelöstes Kochsalz. Es bindet Flüssigkeit im Körper und aktiviert den Organismus. Da heutzutage eher zu viel Salz gegessen wird, bietet dieser Mineralstoff kaum Zusatznutzen. Laut Untersuchungen hat Natrium im Mineralwasser immerhin keine blutdrucksteigernde Wirkung. Auch enthält kein getestetes Wasser grosse Mengen Natrium. Die Spanne reicht von weniger als 2 mg/l (Nendaz und Allegra) bis 79 mg/l (Swiss Alpina).
- Kalium
Kalium spielt bei der Wasserregulation in Körperzellen eine Rolle und wird vom Körper für die Nerven- und Muskeltätigkeit benötigt. Die empfohlene Tagesdosis liegt bei 2 bis 4 Gramm.
- Kalzium
Kalzium ist ein Baustein für Knochen und Zähne. Zudem ist es wichtig für Blutgerinnung und Muskeltätigkeit. Kalziummangel führt zu Muskelkrämpfen. Der Tagesbedarf liegt bei ca. 1000 mg pro Person, schwangere und stillende Frauen benötigen mehr. Die kalziumhaltigsten Wässer im Test sind Valser und Volvic (über 450 mg/l). Sehr viel Kalzium gibt dem Wasser einen gipsähnlichen Geschmack.
- Nitrate
Lange wurden Nitrate als gesundheitsschädlich angesehen. Heute gilt: Nitrat kann und darf im Mineralwasser vorkommen. Perrier enthielt im Test 18 mg/l, Hildon 22 mg/l Nitrate.
- Sulfat
Dieser Stoff regt die Darmtätigkeit an, kann sogar zu Durchfall führen; er kann dem Wasser eine bittere Note verleihen. Unter 10 mg Sulfat pro Liter enthalten Hildon, Arkina, Volvic und San Benedetto, über 900 mg/l: Valser, Aproz und Contrex. Für Kleinkinder sind Wässer mit hohem Sulfatgehalt (über 250 mg/l) nicht geeignet.
- Magnesium
Gegen ein halbes Gramm Magnesium (500 mg) benötigt der menschliche Körper täglich. Der Mineralstoff ist am Knochen- und Sehnenaufbau beteiligt und für die Reizübertragung von Nerven auf Muskeln mitverantwortlich. Magnesium vermindert wie Kalzium das Risiko von Blutgerinnseln und hilft gegen Muskelkrämpfe. Einen hohen Magnesiumgehalt haben Contrex (84 mg/l), Aproz (68 mg/l), San Pellegrino und Valser (je 54 mg/l).
- Kohlensäure
Der einzige Stoff, der einem Mineralwasser künstlich beigefügt werden darf, ist Kohlensäure. Die Bläschen halten Wasser frisch, denn sie hemmen die Entwicklung von Bakterien. Im Körper hilft der Stoff bei der Verdauung - allerdings beschleunigt er auch die Aufnahme von Alkohol. Wässer mit wenig und ohne Kohlensäure gewinnen Marktanteile auf Kosten der stark prickelnden Mineralwässer.