Ohne Kabel - mit Tücken
Alle schnurlosen Telefone strahlen stark. Doch bei zwei der zehn Testprodukte stoppt die Strahlung, sobald der Handapparat auf der Station liegt. Und: Bei Qualität und Handhabung hapert es bei einigen Modellen.
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K-Tipp 14/2005
07.09.2005
Rolf Muntwyler - rolf.muntwyler@ktipp.ch
War man früher beim Telefonieren an den Telefonapparat gebunden, kann man beim schnurlosen Telefonieren nebenbei Küchenkräuter hacken oder die Post im Briefkasten holen. Die gewonnenen Freiheiten bringen jedoch auch Nachteile mit sich:
Die Verbindungsqualität ist nicht perfekt, obwohl die heute übliche Dect-Technologie Verbesserungen gebracht hat. Vor allem aber verbreiten Dect-Telefone ohne Unterbruch Funkwellen. Die meisten Basisstationen halten die Verbindung aufrecht - so...
War man früher beim Telefonieren an den Telefonapparat gebunden, kann man beim schnurlosen Telefonieren nebenbei Küchenkräuter hacken oder die Post im Briefkasten holen. Die gewonnenen Freiheiten bringen jedoch auch Nachteile mit sich:
Die Verbindungsqualität ist nicht perfekt, obwohl die heute übliche Dect-Technologie Verbesserungen gebracht hat. Vor allem aber verbreiten Dect-Telefone ohne Unterbruch Funkwellen. Die meisten Basisstationen halten die Verbindung aufrecht - sogar, wenn das Telefon in der Basis liegt.
Geringe Strahlung bereits bedenklich
Dennoch sind Schnurlos-Telefone ein Renner. In den nächsten zwei Jahren dürften je 650 000 Geräte über den Ladentisch gehen. Grund genug für den K-Tipp, zehn Apparate zu prüfen: auf Handhabung, Reichweite sowie Sprech- und Hörqualität beim Ipi (Institut für Produktforschung und Information) in Esslingen (D) - und auf Strahlung beim deutschen Baubiologen Wolfgang Maes.
Bedenklich sind schon geringe Strahlenwerte: Gepulsten elektromagnetischen Funkwellen über 0,02 Volt pro Meter (V/m) sollte man sich nicht dauerhaft aussetzen, besonders nicht in Schlaf- und Erholungsräumen.
Alle getesteten Telefone überschritten diesen Wert. Die besten Messwerte in 5 Metern Distanz liegen bei 0,19 V/m (Audioline), die schlechtesten bei 0,54 und 0,55 V/m (Swissvoice und Switel). Auch 10 Meter entfernt strahlt die Basis deutlich über dem kritischen Wert. Erst bei 50 Metern erreicht Audioline als einziges Modell den Wert von 0,02 V/m.
Zum Vergleich zieht Baubiologe Maes Mobilfunkantennen heran: «Die permanente Strahlenbelastung durch ein Dect-Telefon im eigenen Haushalt ist wegen der geringen Distanz in der Regel ungleich grösser als durch Antennen auf Dächern.» Maes gibt zu bedenken, dass auch Kinder und Nachbarn eine gehörige Portion Strahlung vom Dect-Telefon abbekommen.
Neben der dauerhaften Bestrahlung sind höhere Werte bereits nach kurzer Zeit problematisch: Belastungen über 0,6 V/m führen im wissenschaftlichen Versuch nach wenigen Minuten zu Veränderungen der Hirnströme und zu Befindlichkeitsstörungen. Noch höhere Werte heben den Schutz des Hirns vor schädlichen Substanzen auf, führen zu Nervenschädigungen und Hormonveränderungen.
Erschreckend: Alle Messungen liegen in 1 Meter Abstand klar über 0,6 V/m, in 30 cm Abstand bei 3,4 (Audioline) bis 9 V/m (Switel).
Ein schwacher Trost ist, dass der Hörer nur beim Telefonieren Funkwellen abgibt. Dann sind die Werte aber gleich hoch wie die der Basis. «Es besteht kein Zweifel, dass 100 V/m ohne Weiteres übertroffen werden», erklärt Maes. Übrigens: Das Handy am Ohr strahlt im Schnitt ähnlich hoch wie ein Dect-Hörer.
CT1+-Telefone bleiben eine Alternative
Deshalb ist die ältere Schnurlos-Technologie CT1+ immer noch eine Alternative. Die CT1+-Telefone strahlen deutlich weniger als Dect-Geräte. Vor allem senden sie nur beim Telefonieren.
Verkäufer argumentieren - fälschlicherweise - mit der schlechteren Verbindungsqualität von CT1+ und absurden Argumenten wie der mangelnden Abhörsicherheit und möglichen Störungen. Ab 1. Januar 2006 werden nämlich CT1+-Telefone ihre Frequenzen mit Handys teilen müssen. Deshalb schreibt das Bakom vor, CT1+-Käufer seien vor Störungen zu warnen.
Gegenüber dem K-Tipp räumt Bakom-Pressesprecher Bernhard Bürki aber ein, dass «Störungen nicht verbreitet auftreten werden». Dass ein solches Telefon eine Handy-Antenne störe oder umgekehrt, sei unwahrscheinlich. Denkbar hingegen sei eine Störung des Gesprächs, wenn sich in unmittelbarer Nähe ein Handy befinde. «Infos, dass man CT1+-Telefone nicht mehr gebrauchen soll oder darf, sind total falsch», stellt Bürki klar.
Zurück zum Test. Zwei Modelle sind trotz der Strahlenwerte den anderen überlegen: Orchid Low Radiation und Swisscom Classic A313. Beide funken nicht mehr, sobald der Handapparat in der Basisstation liegt. Maes: «Baubiologen, kritische Mediziner und sogar Behörden fordern eine solche Technik schon seit zehn Jahren!»
Unverständlich: Die Swisscom hält diese Neuerung unter dem Deckel - wohl aus Furcht, man könnte ihr das als Eingeständnis auslegen, Strahlung sei tatsächlich ein Problem. Beim Swisscom-Telefon muss allerdings die Ausschalt-Funktion «Ecomode» von Hand eingestellt werden und ist in der Anleitung schlecht beschrieben. Beim Orchid-Modell ist sie voreingestellt. Einschränkung bei beiden Modellen: Die Funkverbindung kann nicht abschalten, wenn mehrere Handapparate in Gebrauch sind.
Ein schnurloses Telefon soll aber vor allem tadellos funktionieren. Diesem Anspruch wurden nicht alle Geräte im Test gerecht. Bei mehreren Modellen überzeugen weder Hör- noch Sprechqualität, die Verbindung klappt - je nach Telefon - bis zu einer Entfernung von drei bis sechs Stockwerken. Bei einer schlechten Verbindung reicht es oft, die Basisstation zu drehen oder neu zu positionieren.
Grosse Unterschiede gibt es bei der Handhabung. Es lohnt sich, vor dem Kauf im Laden Folgendes abzuklären:
- Lässt sich der Hörer gut in die Station zurückstellen?
- Ist das Display gross und gut lesbar?
- Sind die Tasten sinnvoll angeordnet und genügend gross? Haben die Tasten einen Druckpunkt, damit man spürt, ob die Ziffer gespeichert wurde?
Wie einfach Nummern zu speichern sind und ob die Menüführung verständlich ist, lässt sich im Laden leider nicht prüfen. Doch Stärken und Schwächen der getesteten Telefone sind im Kasten rechts aufgelistet.
So reduzieren Sie die Strahlenbelastung
- Muss es schnurlos sein? Benutzen Sie herkömmliche Telefone «mit Schnur». Bei mehreren Geräten am gleichen Anschluss: Schaffen Sie nur einen Schnurlos-Apparat an.
- Wenn schon schnurlos, dann statt digitaler Dect-Technologie besser den älteren und harmloseren analogen CT1+-Standard wählen (www.audioline.ch). Achtung: Oft werden Dect-Telefone als «analog» verkauft. Gemeint ist aber, dass sie nicht für ISDN-Anschlüsse geeignet sind.
- Wenn schon ein Dect-Telefon, dann eines, das bei eingelegtem Handapparat nicht strahlt. Stellen Sie den Hörer konsequent in die Basis.
- Je kürzer Ihre Telefongespräche, desto geringer die Belastung direkt am Kopf.
- Basisstation möglichst weit weg von Aufenthalts- und Schlafräumen positionieren. Besonders ungünstig: auf oder hinter dem Pult oder an einer Wand zum Schlafzimmer.
- Die Basisstation darf auch im Keller stehen: den Handapparat - der nur beim Telefonieren strahlt - in eine separate Ladestation in der Wohnung stellen.
- Über Nacht Netzstecker ausziehen oder mithilfe einer Zeitschaltuhr abschalten. Ein zusätzlicher herkömmlicher Telefonapparat garantiert Ihnen die Erreichbarkeit.
(rom)
Stärken und Schwächen der getesteten 10 Telefone
Die Ansprüche an ein schnurloses Telefon sind vielfältig - und je nach Benutzer unterschiedlich. Deshalb hier eine Aufzählung von Vor- und Nachteilen der zehn getesteten Modelle.
Alle getesteten Geräte sind mit Anruferkennung (Anzeige auf dem Display) und beleuchtetem Display ausgestattet.
Audioline
+/- Geringste Strahlenbelastung im Test (3,4 V/m in 30 cm Abstand)
- Reichweite im Freien 500 m, im Gebäude 3 Etagen
- Gebrauchsanweisung: zu spartanisch
- Tasten schlecht gruppiert, schwammig
- Menüführung: bloss über Tastencodes möglich
- Nummern speichern: schwierig
- Lautstärke verstellen
Doro 530+1
+/- Relativ geringe Strahlenbelastung (4,4 V/m)
- Reichweite: 225 m, 3 Etagen
- Hörermikrofon: leiser, dünner Klang
- Tasten ohne Druckpunkt
- Menüführung: nur über Tastencodes möglich
- Nummern speichern: umständlich
- Lautstärke verstellen: umständlich
Hagenuk Classico
+/- Relativ geringe Strahlenbelastung (5,2 V/m)
- Reichweite: 260 m, 4 Etagen
- Tasten schlecht gegliedert
- Hörerlautsprecher: Klang schrill, Rauschen
Orchid LR 108
+ Strahlung schaltet ab, wenn Hörer in Basis
+/- Strahlenbelastung hoch (6,7 V/m)
- Reichweite: 160 m, 3 Etagen
- Tasten schlecht gegliedert
- Menüführung
Panasonic KX-TCD300SLT
- Strahlenbelastung sehr hoch (6,7 V/m)
+ Sehr gute Reichweite: 500 m, 6 Etagen
- Tasten schlecht gegliedert
- Maximale Hörerlautstärke zu leise
Philips Dect221
+/- Strahlenbelastung hoch (5,9 V/m)
+ Reichweite gut: 280 m,
6 Etagen
- Maximale Hörerlautstärke: zu leise
Siemens Gigaset A 140
- Strahlenbelastung sehr hoch (6,9 V/m)
+ Reichweite: 500 m, 6 Etagen
- Tasten schlecht gegliedert
Swisscom Classic A313
+ Strahlenbelastung (4,4 V/m) vergleichsweise gering, «Ecomode» zum Abschalten der Strahlung, muss aktiviert werden
- Reichweite mittelmässig: 270 m, 4 Etagen
+ Grösstes Display im Test
+ Extras: SMS-Funktion, Nummern von Handy-Sim-Karte direkt auf Dect-Telefon übertragbar
Swissvoice Avena 135
- Sehr hohe Strahlenbelastung (8,8 V/m)
+ Reichweite: 500 m, 6 Etagen
- Tastatur ungenügend (Tastenabstand, Gliederung und Grösse)
- Hörer in Basis zurückstellen: unpraktisch
- Lautstärke verstellen
+ Extra: SMS-Funktion
Switel D 6025
- Höchste Strahlenbelastung (9,0 V/m)
+ Reichweite sehr gut: 460 m, 6 Etagen
+ Beste Noten aller getesteten Telefone für Hör- und Sprechqualität
- Menüführung und Nummern speichern
- Maximale Hörerlautstärke zu leise
(rom)
Neuer Ratgeber: Alles über Elektrosmog
In den nächsten Tagen erscheint der Ratgeber zum Thema Elektrosmog. Das Buch geht auf gesundheitliche Risiken ein, beschreibt die verschiedenen Elektrosmog-Quellen im Haus und am Arbeitsplatz und gibt ausführliche Tipps, wie man sich vor übermässiger Strahlung schützen kann. Thematisiert wird aber auch die Belastung durch elektrische Geräte, Mobilfunkantennen, Handys usw. Ein Kapitel widmet sich dem Kampf gegen Mobilfunkantennen.
Sie können den Ratgeber auf Seite 9 oder unter www.ktipp.ch bestellen.