Das Fachlabor Lufa-ITL im deutschen Kiel hat das Trinkwasser auf mehr als 120 Pestizide untersucht. In 13 Proben entdeckten die Experten Abbauprodukte des Fungizids Chlorothalonil. In 3 der 13 Proben wies das Labor auch noch andere Pestizide nach.
Die Schweizer Bauern setzen Chlorothalonil seit den Siebzigerjahren im Wein- oder Getreideanbau ein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit geht davon aus, dass das Antipilzmittel Krebs auslösen kann.
Zu hohe Pestizidwerte im Kanton Solothurn
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit legte für Trinkwasser einen Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Abbauprodukte von Chlorothalonil fest. Dieser Höchstwert wurde in den solothurnischen Orten Trimbach und Rickenbach überschritten (siehe Tabelle). Das Bundesamt für Landwirtschaft hat den Verkauf von Chlorothalonil Mitte Dezember verboten. Seit Anfang Jahr darf das Pestizid nicht mehr eingesetzt werden.
Damit ist das Pestizid-Problem nicht gelöst. Denn die K-Tipp-Stichprobe zeigt auch: Das Pestizid Atrazin ist im Trinkwasser noch immer zu finden, obwohl es seit dem Jahr 2012 nicht mehr verkauft werden darf. Atrazin ist für Wasserlebewesen schädlich. Nachgewiesen wurde es in drei Proben aus dem Kanton Zürich – in Pfäffikon, Fehraltorf und Höri. Bereits 2018 entdeckte «Saldo» das Pestizid im Wasser von öffentlichen Brunnen.
Die Behörden kennen das Problem: Seit dem Jahr 2011 wies das Bundesamt für Umwelt jedes Jahr in mehr als 300 Grundwasserfassungen Pestizide oder deren Abbauprodukte nach. Trinkwasser besteht zu rund 80 Prozent aus Grundwasser.
Trotzdem sind noch über 300 Pestizide zugelassen. Allein zwischen 2006 und 2015 genehmigte das Bundesamt für Landwirtschaft 55 neue Pestizide. Das Bundesamt für Umwelt schrieb 2016 über den Zustand des Grundwassers, dass das Wasser «insbesondere wegen Fremdstoffen aus der Landwirtschaft» unter immer grösserem Druck stehe.
Mikroplastik im Mineralwasser
Laut Paul Sicher vom Schweizerischen Verein des Gas- und Wasserfaches werde es für die Wasserversorger «immer schwieriger, sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen».
Mineralwasser kann ebenfalls Pestizide enthalten – und Mikroplastik. Untersuchungen belegen: PET-Flaschen geben Partikel ans Wasser ab («Saldo» 11/2019). Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit geht davon aus, dass Mikroplastik-Teilchen unter 150 Mikrometer im Körper verbleiben und nicht ausgeschieden werden. In Tierversuchen wurden Plastik-Partikel in Darmwänden und Lymphgefässen nachgewiesen. Laut der Behörde könnten solche Partikel im Gewebe zu Entzündungen führen und das Immunsystem beeinträchtigen.
Ein weiteres Problem: Die Teilchen können chemische Schadstoffe wie krebserregende polyzyklische Kohlenwasserstoffe oder hormonaktive Weichmacher in den Körper einschleusen.
Das Trinkwasser ist für die Menschen im übrigen längst nicht die einzige Pestizidquelle – auch in vielen andern Lebensmitteln stecken Substanzen
zur Schädlingsbekämpfung (siehe Kasten). Fachleute gehen davon aus, dass sich diese Schadstoffe gegenseitig verstärken. Welche konkreten Folgen die Pestizidcocktails für die Gesundheit haben, ist weitgehend unerforscht.
So verbreitet sind Pestizide
K-Tipp und «Saldo» haben in den vergangenen Jahren in vielen Produkten Pestizide nachgewiesen. Die wichtigsten Resultate:
Nur 2 von 30 Weinen ohne Schadstoffe:
Viele Weinbauern spritzen Chemie, um ihre Trauben vor Schädlingen zu schützen. Das hinterlässt Spuren: 28 der 30 getesteten Weine enthielten Rückstände von Pestiziden. Im «Merlot Ticino Selezione d’Ottobre» von Matasci Fratelli, Tenero, fand das Labor sogar sechs heikle Substanzen (K-Tipp 1/2015).
Chemie im Mineralwasser:
In diesen Mineralwassern fanden die Experten das Abbauprodukt des Pestizids Tolylfluanid: «Mineralwasser mit Kohlensäure» von Farmer, «Mineralwasser mit Kohlensäure» von Vives, «Mineral» von Adelbodner und «Mit» von Knutwiler (K-Tipp 10/2016). Der Wirkstoff Tolylfluanid wird etwa im Obst- und Weinanbau eingesetzt.
Acht Pestizide in den Schweizer Erdbeeren:
Ein Test von 25 Erdbeerproben aus dem In- und Ausland zeigte: Alle sechs Chargen aus der Schweiz waren belastet. In den Erdbeeren aus der Migros in Zürich-Oerlikon steckten sogar Rückstände von acht verschiedenen Pestiziden («Saldo» 12/2017).
Atrazin und Simazin im Brunnenwasser:
In 9 von 21 Wasserproben aus öffentlichen Brunnen wurden Rückstände oder Abbauprodukte von Pestiziden entdeckt – darunter Atrazin und Simazin («Saldo» 11/2018). Beide Unkrautvernichter sind seit 2012 in der Schweiz verboten, weil sie Wasserlebewesen schädigen können.
Schadstoffe in den menschlichen Haaren:
Ein Fachlabor untersuchte die Haare von 20 Personen auf Pestizide sowie weitere Schadstoffe. In 13 Fällen wurden die zwei Unkrautvernichter DNOC und Atrazin nachgewiesen (K-Tipp 9/2019). Beides sind äusserst dauerhafte Pestizide, die in Europa und der Schweiz seit Jahren verboten sind. Es handelt sich um Altlasten, die sich im Boden einlagerten und nach und nach an das Wasser abgegeben werden.