Riskieren Sie nicht Kopf und Kragen!
Richtig eingestellte Kopfstützen können bei einem Heckaufprall ein Schleudertrauma verhindern. Einige Autohersteller sparen jedoch bei der Sicherheit.
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K-Tipp 12/2003
18.06.2003
Markus Kellenberger - mkellenberger@ktipp.ch
Jedes Jahr erleiden allein in der Schweiz rund 10 000 Menschen bei Heckkollisionen ein Schleudertrauma. Grund: Wird ein Fahrzeug von hinten getroffen, schleudern die Köpfe der Insassen im Bruchteil einer Sekunde nach hinten.
Einzig richtig eingestellte Kopfstützen können diese Bewegung abdämpfen und ein massives Überdehnen oder Reissen von Muskeln, Bändern und Nerven im Hals und im Genick verhindern - aber: Weit über die Hälfte der Autofahrer ist mit falsch eingestellten Kopfstüt...
Jedes Jahr erleiden allein in der Schweiz rund 10 000 Menschen bei Heckkollisionen ein Schleudertrauma. Grund: Wird ein Fahrzeug von hinten getroffen, schleudern die Köpfe der Insassen im Bruchteil einer Sekunde nach hinten.
Einzig richtig eingestellte Kopfstützen können diese Bewegung abdämpfen und ein massives Überdehnen oder Reissen von Muskeln, Bändern und Nerven im Hals und im Genick verhindern - aber: Weit über die Hälfte der Autofahrer ist mit falsch eingestellten Kopfstützen für sich und die Passagiere unterwegs.
Optimalen Schutz bietet eine Kopfstütze nur dann, wenn ihr oberer Rand mit der Oberkante des Kopfes eine Linie bildet und sie nicht weiter als eine Faustbreite vom Hinterkopf entfernt ist. Ist sie tiefer eingestellt, wird sie zum Genickbrecher, ist sie mehr als acht Zentimeter vom Kopf entfernt, kann sie ihn beim Zurückschleudern nicht genügend abbremsen, bevor der Hals Schaden nimmt.
Mit so genannten Halswirbelsäulen-, kurz HWS-Systemen, wird die Schutzwirkung guter Kopfstützen nochmals etwas verbessert. Bei einer Heckkollision klappt bei einfachen Systemen die Stütze nach vorn und kommt so dem Kopf einige Zentimeter entgegen.
Solche «aktiven Kopfstützen» sind erst seit kurzem auf dem Markt und deshalb erst für etwa ein Drittel aller Neuwagen erhältlich. Zudem bringen sie nichts, wenn die Kopfstützen nicht korrekt auf die Grösse der Passagiere abgestimmt werden können. HWS-Systeme gibt es nur für die Vordersitze, in die starren Rückbänke lassen sie sich noch nicht einbauen.
Das Dynamic Test Center DTC in Vauffelin BE hat in Zusammenarbeit mit dem K-Tipp, der Arbeitsgruppe für Unfallmechanik AGU der Uni/ETH Zürich und der Beratungsstelle für Unfallverhütung bfu die 20 meistverkauften Automodelle des Jahres 2002 untersucht (siehe Kasten «So wurde getestet»). Fazit: Ob mit oder ohne HWS-System - bei modernen Autos bieten die Kopfstützen der Vordersitze mit wenigen Ausnahmen für kleine und grosse Menschen guten Schutz. Kopf und Kragen riskieren in der Regel die Fondpassagiere.
- Kleinwagen
Die schlechtesten Resultate gabs in der Kategorie Kleinwagen. Der Opel Corsa und der Fiat Punto bekamen die Beurteilung «ungenügend». Die Begründung: Zwar sind die vorderen Kopfstützen gut für jede Körpergrösse einstellbar, doch hinten sind sie beim Basismodell nur gegen Aufpreis erhältlich. Opel-Sprecher Nicolas Berberat: «Es gibt ein Segment von Kunden, bei denen beim Kauf eines Fahrzeuges der Preis im Vordergrund steht und die bereit sind, auf gewisse Ausstattungselemente zu verzichten.»
«Fahrzeuge ohne hintere Kopfstützen sind nicht mehr zeitgerecht», sagt TCS-Mann Kurt Bischof. Fatal sei das vor allem für jüngere Käufer mit schmalem Budget, die sich in der Regel als Erstauto einen Kleinwagen leisten, meint dazu Roland Allenbach von der bfu. «Gegen Aufpreis kaufen sie sich nämlich lieber zusätzliche Lautsprecher als hintere Kopfstützen.» Das Argument vieler Hersteller, dass die hinteren Plätze nur selten belegt seien, lässt Allenbach nicht gelten. «Autos sollen bereits in der Grundausstattung so sicher wie möglich ausgerüstet sein.»
Die Gesamtnote «gut» gab es bei den Kleinwagen nur für den zweiplätzigen Smart. Bei ihm sind die Kopfstützen fest mit den Sitzen verbunden. Sie können und brauchen nicht verstellt zu werden und passen für grosse und kleine Fahrer.
- Untere Mittelklasse
Mit zunehmender Fahrzeuggrösse und steigendem Preis wächst auch die Sicherheit. Obschon beim Peugeot 307 grosse Leute ab 186 Zentimetern hinten schlecht geschützt sind, erhält er die Gesamtnote «gut», denn die vorderen und hinteren Kopfstützen sind qualitativ fast gleichwertig und hinten in der Mitte gehört die 3. Stütze zur Grundausstattung.
Ebenfalls zur Grundausstattung gehört bei den Vordersitzen ein HWS-System. Das Tüpfelchen auf dem i: die Betriebsanleitung des Franzosen. Wer sie gelesen hat, weiss alles zum Thema Kopfstützen und Sicherheit.
Noch «genügend», aber mit den wenigsten Punkten schnitt in dieser Kategorie der BMW 330 ab. Seine hinteren Kopfstützen sind nur für 176 Zentimeter grosse Menschen ideal einstellbar. Grössere Fondpassagiere riskieren beim Heckcrash einen Genickbruch. BMW rechtfertigt die beschränkte Einstellbarkeit mit der freien Sicht durch die Heckscheibe.
- Mittelklasse und Vans
Die Gesamtbewertung «gut» bekommen in der Mittelklasse der Ford Mondeo und der Renault Laguna. Bei den Familien-Vans gibt es keine Höchstnote, dafür aber für alle ein «genügend». In diesen zwei Fahrzeugklassen sind mit Ausnahme des VW Passat alle Rücksitze mit einer 3. Kopfstütze ausgestattet.
In diesen Klassen sind die Kopfstützen der Vorder- und Rücksitze qualitativ weitgehend gleich gebaut und einstellbar, was heisst: In teuren Familienkutschen fahren auch Fondpassagiere sicher.
Die Vordersitze des Mondeo, des Laguna und des Vans von Renault, dem Mégane Scenic, sind serienmässig mit einem HWS-System ausgerüstet. Beim VW Passat und beim Opel Zafira ist es gegen Aufpreis erhältlich.
So wurde getestet
Für den Test hat das Dynamic Test Center DTC die 20 meistverkauften Modelle des Jahres 2002 ausgewählt. Bei den Messungen stützte sich das DTC bei der Grundeinstellung der Sitze an die geltenden ECE-Prüfnormen.
Folgende fünf Kriterien wurden bewertet:
- Einstellmöglichkeiten der Kopfstützen: Mit Standard-Dummies (150, 176 und 183 Zentimeter) wurde gemessen, ob sich alle Kopfstützen hoch genug einstellen lassen und sie bei jeder Einstellung höchstens acht Zentimeter vom Hinterkopf entfernt sind.
- Vorhandensein und Bauart: Hier wurde beurteilt, ob in der Grundausstattung sowohl Vorder- als auch Hintersitze mit Kopfstützen gleicher Qualität ausgerüstet sind.
- Handling und Einstellbarkeit
- Die Verständlichkeit der Betriebsanleitung
- HWS-Schutzsysteme:
Vorhandene Halswirbelsäulen-Schutzsysteme, auch Anti-Schleudertrauma-Systeme genannt, wurden auf ihre Funktion geprüft.
Bei jedem Kriterium konnten maximal 100 Punkte erreicht werden. Für die Gesamtpunktzahl wurden die Einstellmöglichkeiten der Kopfstützen mit 60 Prozent, ein vorhandenes HWS-System in den Vordersitzen mit 13, Vorhandensein und Bauart, Handling und Verständlichkeit der Betriebsanleitung mit je 9 Prozent gewichtet.
Kopfstützen-Aufsätze vermindern das Verletzungsrisiko
Die Firma Contitech hat einen Kopfstützen-Aufsatz entwickelt. Das zusätzliche Polster verbessert bei schlecht einstellbaren Original-Kopfstützen die Schutzwirkung massiv.
Der Kopfstützen-Aufsatz Curaplus passt auf praktisch alle Stützen. Er wird dort eingesetzt, wo die Originalstütze nicht hoch genug einstellbar oder aufgrund der Sitzkonstruktion mehr als acht Zentimeter (eine Faustbreite) vom Hinterkopf entfernt ist.
Die Wirkung des Zusatzpolsters belegen Messungen des Dynamic Test Centers DTC. Es hat beim Fiat Punto die nur als Sonderausstattung erhältlichen normalen Kopfstützen der Rücksitze geprüft. Resultat: Bei Auffahrunfällen bieten sie nur klein gewachsenen Passagieren Schutz, für Menschen ab 170 Zentimetern sind sie ungenügend.
Mit dem Aufsatz wurde der Schutz für Passagiere bis 176 Zentimeter Grösse jedoch als «sehr gut» bewertet. Einzig für grosse Personen ab ungefähr 180 Zentimetern blieb es bei einem «ungenügend», weil Curaplus die mangelhafte Höhenverstellbarkeit der Original-Stützen nicht vollständig kompensieren kann.
Das einfach zu montierende System ist ab diesem Monat zum Einführungspreis von Fr. 59.- pro Stück (später Fr. 79.-) bei allen Adam-Touring-Garagen erhältlich. Weitere Informationen gibt Tel. 0800 55 55 00 oder www.contitech.ch.
Mit 800 Franken deutlich teurer als Curaplus ist das Nachrüst-Set Wipgard (K-Tipp Nr. 6/03). Es verwandelt herkömmliche Vordersitze in solche mit einem HWS-System. Das Set wird innert zwei Stunden von Amag-Garagen in die Vordersitze der Volkswagen vom Typ Bora, Golf IV und Passat ab Jahrgang 1997 eingebaut.