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K-Tipp 10/2001
23.05.2001
Kinder-Autositze Im Crash-Test offenbarten sich bei vielen Modellen Mängel
Wenn kleine Kinder im Auto mitfahren, gehören sie nach Gesetz künftig in den Kindersitz. Der neue Test des TCS zeigt, welche Sitze Kindern in einer Unfall-Situation den besten Schutz bieten.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Über 6000 Kinder verunglückten in den Jahren 1990 bis 1999 als Mitfahrer in Personenwagen. Viele von ihnen wären unversehrt geblieben, wenn sie in einem ...
Kinder-Autositze Im Crash-Test offenbarten sich bei vielen Modellen Mängel
Wenn kleine Kinder im Auto mitfahren, gehören sie nach Gesetz künftig in den Kindersitz. Der neue Test des TCS zeigt, welche Sitze Kindern in einer Unfall-Situation den besten Schutz bieten.
Rolf Muntwyler rom@ktipp.ch
Über 6000 Kinder verunglückten in den Jahren 1990 bis 1999 als Mitfahrer in Personenwagen. Viele von ihnen wären unversehrt geblieben, wenn sie in einem Kindersitz oder mit Gurten optimal gesichert gewesen wären. Denn: Das Risiko einer tödlichen oder schweren Verletzung ist für nicht angegurtete Kinder siebenmal höher als für korrekt angegurtete.
Diesem Sicherheitsrisiko trägt eine Gesetzesänderung Rechnung. Rund ein halbes Jahr noch dürfen Kinder unter sieben Jahren ohne Sicherung auf der Auto-Rückbank mitfahren. Dann ist Schluss damit. Ab 1. Januar 2002 gelten in der Schweiz neue und strengere Vorschriften, wie Kinder als Mitfahrer im Auto gesichert sein müssen. Wichtigste Änderungen: Kindersitze für Kinder unter sieben Jahren werden obligatorisch.
Sicherheit ist das wichtigste Kriterium beim Kauf
Bis das neue Gesetz in Kraft tritt, bleibt Eltern also genügend Zeit, die passenden Kindersitze für ihre Sprösslinge zu kaufen. Frühere Tests haben gezeigt, dass sich eine sorgfältige Auswahl lohnt. Entscheidend dabei sind Sicherheit und Bedienung. Eine Kaufhilfe bietet der aktuelle Test des Touring Club Schweiz (TCS). Zusammen mit anderen europäischen Automobilclubs hat der TCS insgesamt 25 Kindersitze für alle Altersklassen verglichen. 22 davon sind auch in der Schweiz im Verkauf:
- acht Sitze für Babys bis 13 Kilogramm Körpergewicht
- acht Sitze für Kleinkinder von 9 bis 18 Kilogramm,
- sechs Sitze für Kinder über 4 Jahre, in der Regel für ein Körpergewicht von 15 bis 36 Kilogramm.
Einige der geprüften Sitze sind sowohl für Babys als auch für grössere Kinder geeignet. Die detaillierten Herstellerangaben zur Alters- und Gewichtsklasse sind in der Tabelle auf den Seiten 18/19 nachzulesen.
Gemäss Befund des TCS ist das Modell Recaro Start nicht für die ganze Zeitspanne des deklarierten Alters geeignet. Dieser Sitz sollte erst ab rund drei Jahren eingesetzt werden.
Die Test-Ergebnisse zeichnen ein durchzogenes Bild der getesteten Kindersitze. In der «Junior-Klasse» (Babys ab Geburt) erreichte keiner der Sitze das bestmögliche Urteil. Immerhin erhielten sieben von acht getesteten Modelle ein «empfehlenswert». Ein Sitz ist wegen nicht befriedigender Resultate in den Crash-Tests nur «bedingt empfehlenswert».
Seiten-Aufprall: Nicht alle Sitze schützen gleich gut
In der mittleren Klasse für Kinder ab neun Kilogramm stechen zwei Produkte heraus. Zwei Kindersitze verdienten sich hier das Gesamturteil «sehr empfehlenswert». Sie schnitten im Prüfkriterium Sicherheit besser ab als alle anderen Sitze, vor allem wegen guter Noten in einem Sicherheits-Teiltest, in dem die Prüfer den Schutz bei einem Seitencrash untersuchten.
Doch hat in dieser Alterskategorie auch der drittplatzierte Römer Prince in den Crash-Tests tadellos abgeschnitten. Dank geringen Gewichts und einfacher Bedienung eignet sich dieser Sitz besonders bei häufigem Fahrzeugwechsel. Wegen des tiefen Kaufpreises ist er die eigentliche Kaufempfehlung. Aber: Kinder können in diesem Sitz weniger bequem schlafen, weil eine spezielle Liegeposition fehlt.
In der grössten Klasse für Kinder ab vier Jahren sieht die Bilanz weniger gut aus. Nur zwei Sitze erhielten das Urteil «empfehlenswert»; am schlechtesten schnitt der Sitz Sunny-Touring von Baby mit «nicht empfehlenswert» ab.
Das Modell Baby Sunny-Touring offenbarte typische Schwächen eines Sitzerhöhers ohne Rückenlehne. Bei einem Aufprall ist der Schultergurt im Halsbereich gefährlich, ausserdem kann der Sitz unter dem Hintern des Kindes nach vorne rutschen. Sitzerhöher ohne Rückenlehne müssen mindestens «Hörner» zur Führung des Gurtes über den Oberschenkeln haben. So lassen sich wenigstens Verletzungen im Bauchbereich weitgehend vermeiden.
Auffällig ist, dass ein grosser Teil der geprüften Sitze Defizite beim Teiltest Seitencrash aufwies, während die Sitze im Allgemeinen beim Frontalcrash besser abschnitten. Dieses Kriterium wurde zum ersten Mal bei einem Test in diesem Umfang mit berücksichtigt. «Hier müssen sich die Hersteller noch deutlich verbessern», kommentiert Kurt Bischof vom TCS die Resultate beim seitlichen Aufprall. Das Hauptproblem: Bei vielen Sitzen fehlt ein ausreichender seitlicher Schutz auf Kopfhöhe. Fehlen diese «Ohren», so wird der Kopf des Kindes bei einem Seitencrash nicht aufgefangen und kann ungebremst gegen die Tür knallen.
Getestet wurde im Prüfpunkt Sicherheit aber nicht nur der Schutz beim Frontal- und Seitenaufprall (Gewichtung für das Kriterium Sicherheit je 40 %), sondern auch die Gurten, die Standfestigkeit des Sitzes, und die Qualität der Kopfabstützung (zusammen 20 %). Beim Kriterium Bedienung bewerteten sieben Prüfpersonen mit zwölf Kindern und mit Dummys die Gefahr von Fehlbedienungen (Gewichtung für das Kriterium Bedienung 30 %), das Anschnallen von Kindern (25 %), den Einbau des Sitzes (25 %) und die Bedienungsanleitung (20 %).
Nur richtig montierte Sitze bieten einen optimalen Schutz
- Vor dem Kauf sollten Sie den Sitz in Ihrem Auto und mit Ihrem Kind probehalber montieren. Nur mit korrektem Einbau schützen Sie Ihr Kind wirkungsvoll. Lassen Sie sich den Einbau des Kindersitzes durch das Fachpersonal im Laden zeigen.
- Erkundigen Sie sich bei zu knappem oder zu kurzem Fahrzeuggurt nach einer Gurtverlängerung.
- Airbags sind für Erwachsene ausgelegt und für Kinder gefährlich. Kindersitze sollen deshalb immer möglichst entfernt von Airbags montiert werden. Der sicherste Platz für Kinder unter zwölf Jahren ist (auch) deshalb auf der Rückbank.
Laut Angaben der Hersteller dürfen folgende Kindersitze in keinem Fall auf Vordersitzen mit aktiviertem Airbag benutzt werden:
- Concorde Fixmax
- Dremefa Bobob Plus
- Maxi Cosi Priori
- Maxi Cosi Rodi
Dasselbe gilt für alle Modelle der kleinsten Klasse (Babyschalen).
n
Kindersitze auf der Rückbank bald obligatorisch
Die neuen gesetzlichen Regelungen «Gurtentragpflicht sowie Sicherung und Mitführen von Kindern» nach Art. 3a und 60 Verkehrsregelnverordnung (VRV) werden ab 1. Januar 2002 strenger. Das sind die Vorschriften:
Auf Vordersitzen gilt heute und in Zukunft:
- Kinder unter 7 Jahren dürfen nur in Kindersitzen mitgeführt werden.
- Für Kinder von 7 bis 12 Jahren ist die Benützung von Gurten oder Kindersitzen obligatorisch.
Auf Rücksitzen gilt heute:
- Für Kinder unter 7 Jahren sind Kindersitze nicht obligatorisch. Die Anzahl mitfahrender Kinder ist unbeschränkt, so lange sie einen Sitzplatz haben.
- Für Kinder von 7 bis 12 Jahren ist die Benützung von Gurten oder Kindersitzen obligatorisch. Pro zwei bewilligten Sitzplätzen sind drei Kinder erlaubt. Wenn mehr Kinder mitfahren, als bewilligte Plätze vorhanden sind, können sie ungesichert bleiben.
Auf Rücksitzen gilt ab 1. Januar 2002 neu:
- Für Kinder unter 7 Jahren sind Kindersitze neu obligatorisch. Pro bewilligtem Platz ist nur noch ein Kind erlaubt.
- Für Kinder von 7 bis 12 Jahren ist die Benützung von Gurten oder Kindersitzen ohne Ausnahme obligatorisch. Pro bewilligtem Platz ist nur noch ein Kind erlaubt.
- Für Personen über 12 Jahre ist und bleibt Gurten tragen obligatorisch.
Kinder zählen nach neuem Gesetz als ganze Personen. Eltern können also künftig keine Kinder mehr ins Auto zwängen, bis es aus allen Nähten platzt. In einem Fünfplätzer sind neben der Fahrerin in jedem Fall nur noch vier weitere Personen erlaubt, gleichgültig ob Babys, Schüler oder Erwachsene.