So haben Blutsauger keinen Stich
Von acht Zeckensprays im K-Tipp-Test versagte einer völlig, zwei weitere hielten die versprochene Schutzdauer nicht ein.
Inhalt
K-Tipp 10/2004
19.05.2004
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Zur gesundheitlichen Katastrophe kommt es selten - aber doch oft genug: Jedes Jahr sind es etwa 50 Menschen in der Schweiz, die von der Lyme-Borreliose-Krankheit lebenslängliche Beschwerden davontragen. «Zur Invalidität kann es aber nur kommen, wenn frühe Anzeichen von Borreliose nicht erkannt werden», sagt Norbert Satz, Mediziner und Spezialist für Zeckenerkrankungen. Im Extremfall sind Koordinationsstörungen, chronische Gelenk- und Muskelentzündungen die Folge.
Diese 50 ...
Zur gesundheitlichen Katastrophe kommt es selten - aber doch oft genug: Jedes Jahr sind es etwa 50 Menschen in der Schweiz, die von der Lyme-Borreliose-Krankheit lebenslängliche Beschwerden davontragen. «Zur Invalidität kann es aber nur kommen, wenn frühe Anzeichen von Borreliose nicht erkannt werden», sagt Norbert Satz, Mediziner und Spezialist für Zeckenerkrankungen. Im Extremfall sind Koordinationsstörungen, chronische Gelenk- und Muskelentzündungen die Folge.
Diese 50 Opfer sind aber nur die Spitze des Eisbergs: «Zusätzlich leiden mehrere hundert Menschen jährlich unter Symptomen wie starken Gelenkschmerzen, die aber wieder verschwinden», ergänzt Satz. Schuld daran sind Zecken: Die winzigen Spinnentiere übertragen die Krankheitserreger. Durchschnittlich jede dritte Zecke trägt dieses Bakterium in sich, wie Untersuchungen an der Universität Neuenburg ergaben. Zecken kommen fast in der ganzen Schweiz vor. Und überall können sie mit Borrelien infiziert sein.
Zecken wollen ungestört saugen
Zecken übertragen zudem die Erreger der ebenso gefährlichen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Glücklicherweise ist nur ein kleiner Teil der Zecken Träger dieser Viren, die Folgen sind aber ähnlich gravierend wie bei der Borreliose.
Neben Vorkehrungen (siehe Kasten) kann man sich mit Zecken- und Insektensprays gegen Zeckenstiche schützen. Der K-Tipp hat alle Produkte, die in Apotheken erhältlich sind, an der Uni Neuenburg untersuchen lassen. Dort wird seit Jahren das Verhalten von Zecken erforscht.
Zum Test: Fünf Testpersonen behandelten eine kreisförmige Testfläche auf dem Schienbein mit dem Zeckenspray und klebten ein Aluminiumplättchen in die Mitte. Da Zecken einen Ort suchen, wo sie ungestört Blut saugen können, versuchen sie, das Metallplättchen zu verlassen. Dazu müssen sie aber über die mit Zeckenspray behandelte Hautregion krabbeln.
Die Tierchen haben also die Wahl, über die behandelte Haut zu flüchten oder von ihrem Opfer abzulassen. Zogen es alle Zecken während einer Zeitperiode vor, sich fallen zu lassen statt über die eingeriebene Fläche zu krabbeln, erhielt der Spray die maximale Punktzahl (100).
Krochen mehr als 25 Prozent der Tiere über die Haut, führte dies zu einem «ungenügend» für die entsprechende Zeitperiode (siehe Tabelle, «Wirkung nach...»).
Fünf der acht Zeckenmittel wirkten in den ersten beiden Zeitperioden meistens gut. Oft hielt ihre Wirkung gar länger an. Exopic Kids und Anti-Brumm forte waren den übrigen Produkten überlegen und erreichten in der zweiten Zeitperiode (4 Stunden) gar eine 100-prozentige Wirkung: Sämtliche Zecken zogen es vor, sich fallen zu lassen anstatt über die Fläche zu kriechen. Aber auch in der ersten und dritten Periode überzeugten Exopic Kids und Anti-Brumm forte.
Auffällig: Am Anfang - vor allem nach 15 Minuten - entfalten viele Sprays ihre optimale Schutzwirkung noch nicht. Beim Anti-Brumm naturel krabbelten in der ersten Periode gar mehr als 25 Prozent der Zecken über die Haut. In den folgenden Zeitabschnitten war die abschreckende Wirkung vorhanden. Für die Anlaufschwierigkeiten von mehreren Produkten haben Hersteller und Prüfinstitut keine Erklärung.
Neben Anti-Brumm naturel haben auch Autan Family Zeckenschutz und Zeck-Weg Sport in den ersten vier Stunden nicht ausreichend gewirkt. Diese beiden Sprays haben nicht einmal eine «genügende» Punktzahl erreicht.
Kein Gütesiegel vom Tropeninstitut
Autan Family hatte besonders während der ersten vier Stunden eine zu geringe Wirkung. Vertreiberin SC Johnson zweifelt die Testmethode an. Die Situation in der Realität unterscheide sich stark von jener im K-Tipp-Versuch. «Im Freiland-Test befallen Zecken mit Autan Family behandelte Personen nicht», schreibt Klaus Roeder vom Forschungszentrum der SC Johnson. Ausserdem widerspreche es seiner Erfahrung, dass Autan Family nicht von Anfang an wirke.
Als nahezu wirkungslos entpuppte sich Zeck-Weg Sport. Im allerbesten Fall, bei einem Probanden, hielt der Spray die Hälfte der Zecken ab. Die Vertriebsfirma Living-Power schreibt dem K-Tipp, dass ihre Basislotion Zeck-Weg in früheren Tests «sehr gute Ergebnisse erzielt hat». Man sei überrascht, dass die Weiterentwicklung von Zeck-Weg Sport weniger wirksam sei.
Enttäuschend abgeschnitten haben die Sprays mit gesundheitlich unbedenklichen Inhaltsstoffen. Das sind vor allem Anti-Brumm naturel und Zeck-Weg Sport. Immerhin: Testsieger Exopic Kids hat als Wirkstoff das relativ sanfte Ebaap. Aggressiv und gesundheitlich bedenklich ist Deet.
Neben der Wirksamkeit beurteilten zehn Personen den Geruch der Sprays. Für jede negative Bewertung gab es einen Abzug.
Viele Mittel schmücken sich mit der Aufschrift «vom Schweizerischen Tropeninstitut» geprüft. Für Zecken gilt dieses Gütesiegel nicht. Das Tropeninstitut prüft die Wirksamkeit von Insektenmitteln ausschliesslich auf Mücken.
Was tun gegen die gemeine Zecke?
Zecken klettern nie höher als 80 Zentimeter und lauern auf Gräsern und Sträuchern. Sie können nicht springen, sondern versuchen, sich an vorbeistreichenden Opfern - Mensch oder Tier - festzuhalten. Beim Menschen wandern sie die Beine oder Hose hoch zu einer Hautstelle, wo sie sich vollsaugen können. Zecken kommen nicht nur im Wald, sondern auch auf Wiesen vor. Aktiv sind sie von Februar bis November.
Einige Tipps
- Tragen Sie lange Hosen und geschlossene Schuhe. Hemden in die Hosen und Socken über die Hosen.
- Auf heller Kleidung entdecken Sie Zecken leichter.
- Kleider, Schuhe und Körperteile, die in Berührung mit Zecken kommen können, einsprayen. So können Zecken nicht hochkrabbeln.
- Vorsicht beim Behandeln von Kleidern (Verfärbungen): Deethaltige Mittel greifen Kunststoffe und Kleider aus Kunstfasern an.
- Viele Produkte wirken in der ersten Stunde zu schwach. Deshalb: Frühzeitig anwenden! Bei mehrstündigem Aufenthalt im Freien wiederholen.
- Wer in Wald und Wiese unterwegs ist, sollte sich gegen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) impfen lassen. Das gilt erst recht für Bewohner von FSME-Hochrisikogebieten. Gegen Lyme-Borreliose gibt es keine Impfung (siehe dazu Surftipps auf Seite 5).
Wieder drinnen
- Nach Aktivitäten im Freien den ganzen Körper sorgfältig absuchen: Zecken und die farblosen Nymphen lassen sich an schwer zugänglichen Körperstellen wie Kniekehlen, Schamgegend, Bauchnabel, Achselhöhlen nieder.
- Gefundene Zecken mit einer Pinzette so nah wie möglich an der Haut fassen und mit einem Ruck herausziehen.
- Bis einen Monat nach Zeckenstich und Übertragung von Borreliose oder FSME können Grippebeschwerden auftreten, bei Borreliose auch eine Hautrötung rund um den Stich. Typisch: Die Hautrötung «wandert». Im Zweifelsfall zum Arzt gehen! Oft weiss man nicht, ob man gestochen wurde: Zeckenstiche tun meist nicht weh.
Broschüre
- «Die Zecken sind unter uns», erhältlich bei: Uni Neuenburg, Zoologisches Institut, rue Emile-Argand 11, 2007 Neuchâtel, Tel. 032 718 30 00, www.unine.ch/tiques