Strahlende Babysitter
Die meisten Babyphones funktionieren prima. Schlecht sind sie punkto Strahlung: Geräte und Kabel schirmen mangelhaft ab.
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K-Tipp 20/2004
01.12.2004
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Es gibt kaum Eltern, die auf die Dienste des elektronischen Babysitters verzichten wollen. Bloss - es ist schwierig, den Kaufentscheid zu fällen: Die Preisspanne bei Babyphones ist sehr gross, viele Geräte sind mit Extras ausgerüstet. Welches Modell ist die richtige Wahl?
Der K-Tipp hat neun Babyfunkgeräte im Labor testen lassen. Das Institut für Produktforschung und Information (Ipi) im deutschen Esslingen hat die Geräte auf ihre Übertragungsqualität getestet, das Unterne...
Es gibt kaum Eltern, die auf die Dienste des elektronischen Babysitters verzichten wollen. Bloss - es ist schwierig, den Kaufentscheid zu fällen: Die Preisspanne bei Babyphones ist sehr gross, viele Geräte sind mit Extras ausgerüstet. Welches Modell ist die richtige Wahl?
Der K-Tipp hat neun Babyfunkgeräte im Labor testen lassen. Das Institut für Produktforschung und Information (Ipi) im deutschen Esslingen hat die Geräte auf ihre Übertragungsqualität getestet, das Unternehmen Baubiologie Maes auf die Strahlung.
Bei der Übertragungsqualität gibt es deutliche Unterschiede. Das digitale Philips SBC SC477 Dect ist bei der Übertragung im freien Feld Spitze: Nach einem Kilometer mit tadelloser Verbindung brachen die Tester den Versuch ab.
Beim schwächsten Gerät, Comtel CT-1600, reichte die Verbindung nur über 100 Meter. Dies, obwohl 400 Meter Reichweite deklariert sind. Comtel zweifelt diesen Messwert an. Eine Überprüfung durch das Testlabor ergab aber das gleiche Resultat. Wurde die deklarierte Reichweite nicht erreicht (neben Comtel CT-1600 auch Hartig & Helling), führte dies zu 10 Punkten Abzug bei der «Punktzahl Übertragungsqualität».
So überlegen das Dect-Gerät von Philips im freien Feld abschneidet, so mittelmässig ist es, wenn es durch Betonwände funkt - dies gelang im Test nur durch drei Wände hindurch. Sechs schaffte Philips SBC SC361, fünf der Testsieger Super Comtel, aber auch die Geräte von Hartig & Helling, Switel und Foppapedretti erzielten dieses Ergebnis. Am meisten Mühe hatte das Sailor-Modell - nach einer Wand war Schluss.
Vier Geräte kaum störungsempfindlich
Das Labor Ipi prüfte auch, ob sich die Geräte durch andere Babyphones und elektrische Apparate wie Föhn und Küchenmaschine beeinträchtigen lassen. Kaum anfällig sind Super Comtel, Tefal Baby Home, Sailor und das Dect-Modell von Philips.
Beim Stromkonsum war einzig der Stand-by-Verbrauch des digitalen Philips-Geräts auffällig hoch. Mit 4,2 Watt frass es fünfmal so viel Strom wie das sparsamste - Switel Baby Care (0,8 Watt).
Fazit bei der Übertragungsqualität: Klar am besten war Super Comtel. «Gut» schnitten die beiden Philips-Modelle, Tefal, Switel und Foppapedretti ab.
Weniger gut sieht es bei der Strahlenemission aus. Die in einem Meter Entfernung gemessenen Funkwellen übertrafen den Richtwert von Baubiologen und kritischen Wissenschaftlern um das 900- und 1000-fache (Comtel CT-1600 und Dauersender Philips SBC SC477 Dect), die meisten anderen Geräte mindestens um das 100-fache.
Sender geben immer dann Strahlung ab, wenn sie Laute des Babys übertragen. Das ist nicht zu verhindern. Da Eltern ihre Kinder nicht über längere Zeit schreien lassen und das Sendegerät wieder abstellen, sind die hohen Messwerte an und für sich nicht so gravierend.
Doch senden die meisten Babyphones auch ohne Babygeschrei in kurzen Abständen oder sogar laufend Funkwellen aus. Der Empfänger kontrolliert, ob die Verbindung noch steht, und signalisiert jeden Unterbruch mit Warngeräuschen. Die Folge ist eine häufige Abgabe von Funkstrahlen. «Das muss nun wirklich nicht sein!», sagt Wolfgang Maes.
Kommt hinzu, dass die Käufer diese Extraportion Strahlung auch noch teuer bezahlen: Alle getesteten Babyphones über 100 Franken bieten diesen bedenklichen Schnickschnack.
Keine Grenzwerte für Babyphones
Der Dauersender von Philips sendet zudem als einziges Gerät im gepulsten Dect-Standard. Ärzte warnen, dass zwischen «dem dramatischen Anstieg von chronischen Erkrankungen» und der Dect-Technologie ein Zusammenhang bestehe.
Die Zeitschrift «Öko-Test» bezeichnete Babyphones mit Dect-Standard als «Skandal». Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz hielt fest: «Ein Daueraufenthalt in unmittelbarer Nähe zur Dect-Basisstation sollte vermieden werden (Basisstation nicht im Kinderzimmer).» Nur: Wo bitte sollte man die Basisstation des Babyphones hinstellen, wenn nicht ins Kinderzimmer?
Neben den Funkwellen geben Babyphones elektrische und magnetische Strahlung ab. Die Strahlen gehen vom Apparat selber aus, aber auch vom Kabel und vom Stecker.
Da es wie für Funkwellen auch für elektrische und magnetische Strahlung von Babyphones keine Grenzwerte gibt, ziehen Baubiologen andere Normen und Empfehlungen heran. Die Norm für PC-Arbeitsplätze (TOC) verlangt, dass in 30 cm Distanz 10 V/m nicht überschritten werden. Keines der Babyphones könnte die TOC-Norm einhalten. Immerhin lag die Strahlenbelastung beim Super Comtel in dieser Distanz deutlich tiefer als bei den übrigen Geräten.
Ein Alptraum sind die Sensoren, die Foppapedretti mitliefert. Sie werden unter die Matratze gelegt und sollten melden, wenn das Kind zu atmen aufhört. Statt mehr Sicherheit zu erreichen, setzt man das Baby einem unnötigen Risiko aus. Denn Strahlenbelastung gilt als möglicher Grund für den plötzlichen Kindstod.
Laut US-Umweltbehörde Epa erhöhen Strahlenbelastungen über 10 V/m die Krebsgefahr. Das wird auch durch neuere Studien über Kinderleukämie untermauert. «Hersteller muten Babys und Kleinkindern ein Vielfaches an elektrischen Feldern zu, die man bei Erwachsenen für problematisch hält», empört sich Maes.
Die Hersteller könnten mit geerdeten und besser abgeschirmten Kabeln, Steckern und Gehäusen die Strahlung problemlos verringern. Auf die Umfrage des K-Tipp reagierte aber nur Comtel positiv: Der Hersteller habe zugesichert, in Zukunft besser abgeschirmte Kabel zu verwenden. Das lässt wenig Hoffnung auf strahlungsarme Kinderzimmer.
So können Sie die Strahlung verringern
- Kaufen Sie auf keinen Fall ein Babyphone mit Dauersender.
- Verzichten Sie wenn möglich auf Reichweitenüberwachung.
- Babyphone mit Mass einsetzen. Sitzt man im Nebenzimmer, brauchts keinen Babyfunk.
- Gerät im Raum weit weg vom schlafenden Kind platzieren. Der K-Tipp-Test zeigt: Schon im Abstand von vier Metern sind noch Funkwellen, nicht aber elektrische und magnetische Strahlen messbar.
- Halten Sie die nähere Umgebung des Kinderbetts frei von Kabeln.
- Wer das Babyphone nicht häufig braucht, kann sich auf Batteriebetrieb beschränken. So fällt die Strahlung von Kabel und Stecker weg (nicht aber diejenige der Funkwellen).
- Babyphone abstellen und ausstecken, wenn es nicht benötigt wird.
Grund: Auch im Stand-by-Betrieb geben Gerät, Kabel und Stecker elektrische und magnetische Strahlen ab.
- Babyphone auf die niedrige Empfindlichkeitsstufe einstellen: So reagiert es nur auf Babygeschrei, jedoch nicht auf Hintergrundgeräusche.
(rom)