Trotz allem: Im Minimum ein Gummi drum
Der K-Tipp liess untersuchen, wie viele problematische N-Nitrosamine in Kondomen enthalten sind. Resultat: Die Hersteller haben es noch nicht geschafft, unbelastete Kondome zu produzieren.
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K-Tipp 13/2004
25.08.2004
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Die Meldung warf in Deutschland hohe Wellen: Krebserregende Stoffe in Kondomen! Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (Cvuas) - vergleichbar mit kantonalen Labors in der Schweiz - hatte in einzelnen Parisern grosse Mengen an N-Nitrosaminen gefunden. Die deutsche Boulevard-Zeitung «Bild» titelte: «Sex-Alarm!»
Das wiederum empörte Aids-Präventions-Institutionen, die über Jahre hinweg für den Gebrauch von Präservativen geworben hatten. Mit Erfolg. Im letzten...
Die Meldung warf in Deutschland hohe Wellen: Krebserregende Stoffe in Kondomen! Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (Cvuas) - vergleichbar mit kantonalen Labors in der Schweiz - hatte in einzelnen Parisern grosse Mengen an N-Nitrosaminen gefunden. Die deutsche Boulevard-Zeitung «Bild» titelte: «Sex-Alarm!»
Das wiederum empörte Aids-Präventions-Institutionen, die über Jahre hinweg für den Gebrauch von Präservativen geworben hatten. Mit Erfolg. Im letzten Jahr haben Schweizer rund 18 Millionen Kondome gekauft.
Die Zeitungsmeldungen führten auch in der Schweiz zu Verunsicherung. Bei der Aids-Hilfe trafen Anfragen von besorgten Kondom-Benutzern ein. «Die Leute reagierten verunsichert, ja geschockt», erzählt Lukas Meyer, Leiter Info-Service bei der Aids-Hilfe Schweiz. Die einen wollten wissen, ob sie nun weiterhin Kondome verwenden sollten, andere machten sich wegen ihrer Gesundheit Sorgen, weil sie über Jahre und Jahrzehnte Kondome verwendet hatten.
Inakzeptable Werte beim Euroglider
Werden auch in der Schweiz Kondome mit einem so hohen Nitrosamingehalt verkauft, wie in der deutschen Untersuchung gefunden? Der K-Tipp hat 12 Kondome im deutschen Labor Wiertz - Eggert - Jörissen (WEJ) untersuchen lassen.
Im Vergleich zu den Spitzenwerten aus Stuttgart von über 660 Mikrogramm/Kilogramm (µg/kg) N-Nitrosaminen fällt das schlechteste Resultat der K-Tipp-Untersuchung zwar deutlich besser aus. Doch enthält Euroglider (Condomeria) mit 189 µg/kg eine beträchtliche Menge des krebserregenden Stoffes.
Für das Labor ist ein solcher Wert nicht akzeptabel. Es verlangt, dass Grenzwerte eingeführt werden. «Nach unserem Dafürhalten müssen Kondome mit so hoher Belastung vom Markt genommen werden», sagt Werner Altkofer, der an der Stuttgarter Untersuchung mitgearbeitet hat. Deshalb erhält der Euroglider das Urteil «nicht empfehlenswert». Doch auch bei «deutlich geringeren Werten sollen Hersteller verpflichtet werden, Massnahmen zur Reduktion der N-Nitrosamin-Gehalte zu ergreifen», verlangt Altkofer. Aus diesem Grund stuft der K-Tipp Kondome mit Werten über 50 µg/kg als «bedingt empfehlenswert» ein: Crest Feel-It und Hot Rubber Classic (beide im Coop gekauft) sowie Condomi Nature, Rilaco Easy und Billy Boy Feucht (alle drei von der Condomeria).
Sechs der untersuchten Kondome sind mit unter 50 µg/kg deutlich weniger mit N-Nitrosaminen belastet und werden als «empfehlenswert», vier davon gar als «sehr empfehlenswert» eingestuft.
Diese Bewertung deckt sich mit der Beurteilung der deutschen Stiftung Warentest, die Werte unter 50 µg/kg als «gering» und solche unter 10 µg/kg als «sehr gering» einstuft.
Das Ziel: Schadstoffe minimieren!
Die Hersteller der empfehlenswerten Kondome beweisen, dass es durchaus möglich ist, minimal belastete Produkte auf den Markt zu bringen. Ganz vermeiden lassen sich N-Nitrosamine derzeit allerdings noch nicht. Doch laut Herstellern können diese belastenden Stoffe im Verlaufe des Produktionsprozesses weitgehend ausgewaschen werden. Das bestätigen auch die Resultate der vier Klassenbesten im K-Tipp-Test.
Die gesundheitlichen Folgen der N-Nitrosamine sind zurzeit noch umstritten. Im Gegensatz zum Stuttgarter Labor geht das zuständige deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nicht von einem erhöhten Krebsrisiko durch N-Nitrosamine bei Kondomen aus. Grenzwerte und festgeschriebene Prüfbedingungen existieren nicht.
Die Einschätzungen des deutschen Instituts gelten auch in der Schweiz als Leitlinie.
Vieles ist ungeklärt: Man weiss nicht, welche Mengen der heiklen Stoffe über die Haut aufgenommen werden. Nach Ansicht des deutschen Bundesinstituts dürfte es sich jedoch nur um einen Bruchteil der täglichen Dosis an N-Nitrosaminen handeln, die über die Nahrung (0,2 bis 0,3 µg/kg) in den Organismus gelangen. Raucher nähmen gar ein Vielfaches davon auf.
Was die Gefahr vermindert: Ein Kondom liegt nur auf einer kleinen Fläche auf. Die mögliche Belastung ist entsprechend gering. Ausserdem haben Kondome nur über kurze Zeit Kontakt mit der Haut und nur in seltenen Fällen, etwa im Sexgewerbe, mehrmals täglich. Eine vom Bundesinstitut zitierte Studie spricht davon, dass über Kondome «etwa ein bis drei Tausendstel» der nahrungsbedingten täglichen Aufnahmedosis in den Körper gelangen.
Unbestritten bleibt aber, dass N-Nitrosamine krebserregend sind. Auch kleinste Dosen erhöhen das Risiko zu erkranken. Grundsätzlich gilt, dass solche Schadstoffe zu minimieren sind.
Altkofer vom Stuttgarter Labor sagt dazu: «Aids ist nun mal tödlich - N-Nitrosamine können, müssen aber nicht Krebs auslösen.» Er versteht deshalb gut, dass die deutsche Aids-Hilfe heftig reagiert hat. «Es wäre überhaupt nicht in unserem Sinn, wenn weniger Kondome verwendet würden», betont er. Er geht einig mit Voelksen von Swissmedic und Meyer von der Aids-Hilfe: Ein Kondom ist in jedem Fall besser als gar keins - unabhängig davon, wie viele Nitrosamine drinstecken.
Dem Härtetest gewachsen
Fast gleichzeitig wie der K-Tipp hat auch die deutsche Stiftung Warentest Kondome untersucht. Sie hat die Verhüterli auf N-Nitrosamine und auf Sicherheit überprüft: Halten sie auch grössten Belastungen stand? Sind sie reissfest?
Von 26 Kondomen fiel nur eines beim Sicherheitstest der Stiftung Warentest durch: Durex Ultra Strong, das in der Schweiz aber gar nicht erhältlich ist.
Folgende Kondome, die von der Stiftung Warentest geprüft wurden, sind sicher, nur geringfügig mit Nitrosaminen belastet und in der Schweiz erhältlich:
- Hot Rubber Easy - (Fr. 1.- pro Stück)
- RFSU Okeido - (Fr. 1.20)
- Billy Boy aromatisiert - (Fr. 1.38)
- Condomi Nature - (Fr. 1.44)
- Big Ben - (Fr. 1.58)
- Life Styles Xtra Pleasure - (Fr. 1.63)
- Rilaco Carinio - (Fr. 1.65)
Extra stark/extra reissfest
- Blausiegel HT Special - (Fr. 2.50)
Akt verlängernd
- Durex Performa - (Fr. 1.19)
- Life Styles Endurance - (Fr. 1.63)
Latexfrei
- Durex Avanti - (Fr. 3.58)
Quelle: «Test», Ausgabe 8/2004, Stiftung Warentest, am Kiosk erhältlich für Fr. 7.60 oder für Fr. 9.60 inklusive Versandspesen bei Stiftung für Konsumentenschutz SKS, Postfach, 3000 Bern 23, Tel. 031 307 40 40.
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