Viel Rauch und Gestank
Von 16 Anzündhilfen schnitten die weissen Petrol- und Kerosinwürfel am schlechtesten ab. Aber auch Flüssiganzünder erhielten nur mässige Noten.
Inhalt
K-Tipp 10/2003
21.05.2003
Rolf Muntwyler - rom@ktipp.ch
Die Gäste sassen gemütlich im Garten und warteten bei einem Glas Weisswein auf die Leckerbissen vom Grill. Doch Spare Ribs und Gemüse wurden nicht gar - die Glut war zu schwach. Gastgeber Jörg Minder (Name geändert) wollte nachhelfen und goss etwas Brennsprit über die Kohle. Ein Flammenball schoss aus dem Grill und versengte Minder Kopf- und Gesichtshaar. Am Körper trug er gar Verbrennungen dritten Grades davon.
Brennspritgase sinken in Grillschale
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Die Gäste sassen gemütlich im Garten und warteten bei einem Glas Weisswein auf die Leckerbissen vom Grill. Doch Spare Ribs und Gemüse wurden nicht gar - die Glut war zu schwach. Gastgeber Jörg Minder (Name geändert) wollte nachhelfen und goss etwas Brennsprit über die Kohle. Ein Flammenball schoss aus dem Grill und versengte Minder Kopf- und Gesichtshaar. Am Körper trug er gar Verbrennungen dritten Grades davon.
Brennspritgase sinken in Grillschale
Jörg Minder erinnert sich nur ungern an den verhängnisvollen Sonntag vor zwei Jahren. «Ich hatte unglaubliches Glück, dass ich keine noch heute sichtbaren Schäden im Gesicht habe.»
Für Martin Hugi, Leiter der BfU-Abteilung Haushalt, Garten und Freizeit, ist Minders Malheur typisch für Unfälle beim Grillieren. Ursachen seien Ungeduld und Leichtsinn, aber auch Unwissenheit: «Viele meinen, die Gase von Brennsprit würden sich verflüchtigen», erklärt Hugi. Falsch: Die Gase sinken in die Grillschale und sammeln sich dort. Wenn man dann in die Glut blase, so Hugi, könnten sich die Gase explosionsartig entzünden. Ein Unglück kann nicht nur mit Brennsprit passieren, sondern auch mit Benzin, Petrol und flüssigen Feueranzündern.
80 Opfer mit «schwersten Verbrennungen» sind laut Hugi die jährliche Bilanz solcher Unfälle. Zählt man weniger gravierende Verbrennungen dazu, dürfte die Zahl der Grillopfer etwa 800 betragen - Verletzungen, die völlig unnötig wären. Denn die risikoreichen Flüssiganzünder sind nur eine Möglichkeit, Glut zu erzeugen. Es gibt eine grosse Palette an Anzündern aus festem Material. Doch verhelfen sie zu einer gleich schönen Glut wie ihre flüssigen Pendants?
Jedes Produkt wurde mehrmals getestet
Der K-Tipp hat 16 Anzündhilfen eingekauft und sie im deutschen Ipi-Institut für Produktforschung und Information untersuchen lassen. Getestet wurden drei Anzündflüssigkeiten, zwei Brennpasten und elf feste Anzünder.
Das Labor hat die Anzünder einem vielseitigen Labor- und Gebrauchstest unterzogen. Dabei wurden folgende Punkte geprüft:
- Riecht das Brennmaterial, vor dem Gebrauch und beim Verbrennen, unangenehm?
- Wie viel Rauch produzieren die Anzündhilfen?
- Ist es einfach, Anzünder auszupacken, zu dosieren und der Kohle oder dem Holz zuzugeben?
- Lassen sie sich ohne Schwierigkeiten anzünden?
- Erhält man mit den Anzündern eine schöne Glut? Jeweils mit einem Würfel, 50 Gramm Paste oder Flüssigkeit wurden 500 Gramm Kohle zum Glühen gebracht.
- Wie lange brennen die Anzünder? Um Zufallsergebnisse zu vermeiden, führte das Labor alle Tests mehrmals durch.
Zwei Anzünder hoben sich positiv ab - sie haben eine lange Brenndauer, sorgen für eine schöne Glut und stinken nicht. Und sie gleichen sich wie ein Ei dem anderen: Die Feueranzünder M-Camping und Feudor sind bis auf die Verpackung identisch.
Beide gehören zu den günstigsten Anzündern im Test, wobei der Migros-Riegel immerhin 11 Prozent weniger kostet. Die minimalen Abweichungen bei den Noten lassen sich mit Produktionsschwankungen erklären und damit, dass die Tester Geruch und Rauch mit der Nase und von Auge bewerten mussten.
Die beiden Siegerprodukte sehen aus wie Zündhölzer und funktionieren auch so: Man streicht den Zündkopf des Anzünders über die raue Seite der Verpackung und legt das brennende Stück in den vorbereiteten Kohle- oder Holzhaufen.
Im Test ebenfalls überzeugt haben Flammator-Feueranzünder, Kuhn Rikon Swiss Quickfire und Feuerball-Anzündhilfen (aufgerollte, in Wachs getränkte kleine Holzwalzen); Vulkan-Zündwürfel und Flaman-natura-Anzündwürfel (gepresste Holzpartikel mit Wachs). Sie alle stinken kaum oder gar nicht, produzieren (abgesehen vom Flaman-natura) wenig Rauch und führen zu einer passablen bis guten Glut.
Beim letzten Punkt fiel der Vulkan-Zündwürfel trotz guter Brenndauer von acht Minuten etwas ab. Hier sollte man mehrere Würfel in den Grill geben, die Packung enthält denn auch 70 Stück. Natürlich ist durch die Zugabe von zusätzlichen Würfeln auch mit anderen Produkten eine schöne Glut schneller erreicht.
Ebenfalls mit «gut» schneiden die Brennpasten von Gel Fire und Coop ab - wenn auch knapp. Doch sind die Pasten laut Prüfleiter Richart Swen für Rechauds besser geeignet als für Kohlefeuer, obwohl sie laut Etikette auch für den Grill gedacht sind: «Brennpasten ziehen nicht in Kohle oder Holz ein und tropfen unverbrannt auf den Grillboden.» Überdies hat die Coop-Paste eine lausige Brenndauer: Nach 3,5 Minuten war die Flamme aus. Im Vergleich dazu brachte es Gel Fire immerhin auf 6,5 Minuten.
Die Anzündflüssigkeiten erreichten wegen schlechter Noten bei Geruch und Rauchentwicklung nur das Prädikat «genügend»: Die Flüssigkeiten von Feudor, Coop und Griltop unterschieden sich bei den einzelnen Teiltests nur wenig. Sie riechen recht stark nach Petrol. Coop hat sich aufgrund des Testresultats denn auch entschlossen, die Angabe «praktisch geruchlos» von der Etikette zu entfernen.
Problematisch ist die Verpackung von Griltop: In der durchsichtigen, rot eingefärbten Flasche könnte man ohne weiteres Himbeersirup vermuten. Weil dieses Aussehen Kinder zum Trinken animieren könnte, wird die Verpackung vom Bundesamt für Gesundheit als gefährlich eingestuft.
Lieferant E & H Services in Däniken SO hat auf die Kritik des K-Tipp reagiert. «Wir werden alles daransetzen, die Flüssigkeit bei der nächsten Lieferung in einer transparenten Flasche zu erhalten», sagt Einkäufer Edwin Düring.
Im Test gar nicht überzeugen konnten die weissen Würfel auf Petroleum- oder Kerosinbasis: Flaman- und M-Camping-Anzündwürfel sowie Zip-Original-Feueranzünder. Sie gehören zu den stark rauchenden und stinkenden Anzündhilfen. Dazu kommt, dass die Würfel ihre Dämpfe schon aus der angebrochenen oder gar verschlossenen Packung abgeben. Die Epa will nun «einen Anzünder anbieten, der geruchsfrei ist». Die Coop-Würfel sind äusserlich zwar ähnlich, stinken aber deutlich weniger. Auffällig ist, dass diese Produkte eine bescheidene oder unzureichende Glut erzeugen.
Für BfU-Experte Hugi ist klar, dass die festen Anzünder aus Sicherheitsgründen vorzuziehen sind. Und als Privatmann fügt er hinzu: «Ich verstehe nicht, weshalb so oft stinkende Anzündhilfen verwendet werden.» Tatsächlich kann der Genuss ziemlich leiden, wenn man von unangenehmen Dämpfen eingenebelt wird.
Nachbarn müssen Gas- und Elektrogrills tolerieren
Grillieren auf dem Balkon führt oft zu Streit unter den Mietern. Darum verbieten es immer mehr Hausverwaltungen.
Nutzungsvorschriften dürfen den freien Gebrauch nur bedingt einschränken. Dies gilt auch für das Grillieren auf dem Balkon. Verbieten kann eine Hausverwaltung zwar das Benutzen eines Holzkohlengrills, weil die Gerüche von Anzündern und Rauch massiv sind. Aber solche Geruchsbelästigungen fallen bei Gas- und Elektrogrills weg. Den Geruch von brutzelndem Fisch, Fleisch oder Gemüse müssen sowohl Vermieter als auch Nachbarn als normale Auswirkung Ihres Wohnrechts dulden. Solche Düfte könnten ja auch aus einem offenen Küchenfenster vom unteren Stock wehen.
Aber Vorsicht: «Wenn Sie im Mietvertrag ein Grillierverbot haben, müssen Sie sich daran halten», sagt Erika Wagner vom Mieterinnen- und Mieterverband in Zürich.
Grillplausch: Ohne Sicherheitsrisiko zur idealen Glut
- Am Grill mit Spezialgeräten und Handschuhen hantieren.
- Der ideale Abstand zum Feuer beträgt mindestens 1,5 Meter.
- Kinder vom Grill und von Anzündhilfen fernhalten.
- Nie Benzin, Sprit, Petrol, Verdünner oder Ähnliches als Anzünder oder Beschleuniger verwenden.
- Nie Flüssiganzünder oder andere Beschleuniger auf die heisse Glut geben.
- Die sichersten Anzündhilfen sind in fester Form (Würfel) sowie Pasten.
- Eine sichere Alternative zum Erreichen der idealen Grillglut: der Anzündkamin. Das ist ein kleines Metallrohr mit eingebautem Gitter, im dem Kohle zum Glühen gebracht und dann in den Grill entleert wird. Preis: Fr. 30.- bis 45.-.
- Asche kann länger als einen Tag nachglühen. Gut auskühlen lassen oder mit Wasser löschen.
- Um ungesunde Dämpfe zu vermeiden, nur Holz oder Kohle verbrennen: kein Papier, kein Karton, kein beschichtetes oder harzreiches Holz.
- Aluschalen verhindern, dass Fett in die Glut tropft.
- Grillgut erst auflegen, wenn sich eine feine weisse Ascheschicht gebildet hat und keine Flammen mehr zu sehen sind.
- Niemals etwas Verbranntes essen. Schwarze Stellen wegschneiden.
(rom)